ihre Hausthür hinausgekommen. So bald sie das Babelj erblikte, sprang es von den Kin- dern weg, war im Augenblik bey seiner Mut- ter, und fiel ihr auf der offenen Gaß an den Hals. Sie konnten beyde nicht reden, und eilten beyde mit einander unters Dach. Da gliche das Weinen ihrer innigen Freude dem stummen Schmerz der an ihrem Herzen nagte.
Aber seine Brüder und Schwestern hiengen ihm auf allen Seiten an seinem weissen Kleid, und zogen ihns fast der Mutter vom Hals weg, so hatten sie Freud mit ihm. Es gab ihnen seine Bänder und Blumen, und die Gotten- Cron ab dem Kopf, und den Gürtel ab dem Leib. -- Denn zog es noch seinen Rok ab, und gieng der Mutter und den Kindern ihre Suppe und ihre Bether zu machen.
Seine Thränen flossen auf den Feuerheerd, und auf die Bether die es machte; es aß auch keinen Mundvoll zu Nacht, sagte zur Entschul- digung, es habe zu viel zu Mittag geessen, und eilte dann mit den Kindern ins Beth. Die Mutter gieng auch bald, und löschte das Licht; da gieng es in seine Cammer, that das Fenster auf gegen dem Mond, sezte bey seinem Schim- mer seine Gotten-Cron wieder auf, umwand sich seinen seidenen Gürtel, und eilte so mit ei- nem Tuche unter dem Arm auf seines Vaters Grab; da spreitete es sein Tuch auf den Bo-
ihre Hausthuͤr hinausgekommen. So bald ſie das Babelj erblikte, ſprang es von den Kin- dern weg, war im Augenblik bey ſeiner Mut- ter, und fiel ihr auf der offenen Gaß an den Hals. Sie konnten beyde nicht reden, und eilten beyde mit einander unters Dach. Da gliche das Weinen ihrer innigen Freude dem ſtummen Schmerz der an ihrem Herzen nagte.
Aber ſeine Bruͤder und Schweſtern hiengen ihm auf allen Seiten an ſeinem weiſſen Kleid, und zogen ihns faſt der Mutter vom Hals weg, ſo hatten ſie Freud mit ihm. Es gab ihnen ſeine Baͤnder und Blumen, und die Gotten- Cron ab dem Kopf, und den Guͤrtel ab dem Leib. — Denn zog es noch ſeinen Rok ab, und gieng der Mutter und den Kindern ihre Suppe und ihre Bether zu machen.
Seine Thraͤnen floſſen auf den Feuerheerd, und auf die Bether die es machte; es aß auch keinen Mundvoll zu Nacht, ſagte zur Entſchul- digung, es habe zu viel zu Mittag geeſſen, und eilte dann mit den Kindern ins Beth. Die Mutter gieng auch bald, und loͤſchte das Licht; da gieng es in ſeine Cammer, that das Fenſter auf gegen dem Mond, ſezte bey ſeinem Schim- mer ſeine Gotten-Cron wieder auf, umwand ſich ſeinen ſeidenen Guͤrtel, und eilte ſo mit ei- nem Tuche unter dem Arm auf ſeines Vaters Grab; da ſpreitete es ſein Tuch auf den Bo-
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ihre Hausthuͤr hinausgekommen. So bald
ſie das Babelj erblikte, ſprang es von den Kin-
dern weg, war im Augenblik bey ſeiner Mut-
ter, und fiel ihr auf der offenen Gaß an den
Hals. Sie konnten beyde nicht reden, und
eilten beyde mit einander unters Dach. Da
gliche das Weinen ihrer innigen Freude dem
ſtummen Schmerz der an ihrem Herzen nagte.
Aber ſeine Bruͤder und Schweſtern hiengen
ihm auf allen Seiten an ſeinem weiſſen Kleid,
und zogen ihns faſt der Mutter vom Hals weg,
ſo hatten ſie Freud mit ihm. Es gab ihnen
ſeine Baͤnder und Blumen, und die Gotten-
Cron ab dem Kopf, und den Guͤrtel ab dem
Leib. — Denn zog es noch ſeinen Rok ab, und
gieng der Mutter und den Kindern ihre Suppe
und ihre Bether zu machen.
Seine Thraͤnen floſſen auf den Feuerheerd,
und auf die Bether die es machte; es aß auch
keinen Mundvoll zu Nacht, ſagte zur Entſchul-
digung, es habe zu viel zu Mittag geeſſen, und
eilte dann mit den Kindern ins Beth. Die
Mutter gieng auch bald, und loͤſchte das Licht;
da gieng es in ſeine Cammer, that das Fenſter
auf gegen dem Mond, ſezte bey ſeinem Schim-
mer ſeine Gotten-Cron wieder auf, umwand
ſich ſeinen ſeidenen Guͤrtel, und eilte ſo mit ei-
nem Tuche unter dem Arm auf ſeines Vaters
Grab; da ſpreitete es ſein Tuch auf den Bo-
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/292>, abgerufen am 24.11.2024.
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