wenn er sich nicht alle Augenblik den öffentli- chen Beschimpfungen des Junkers, der ihn hernach haßte, aussezen wollte, so daß es ihm bey 20 Jahren nur nie mehr in Sinn gekom- men, auch nur eine halbe Viertelstund weni- ger lang auf der Canzel zu reden, als es Lands- brauch und Recht ist.
Doch in allem Druk in dem er war, hat er noch dieses gethan, daß er fünf Predigten wider das Predigen gehalten, und sie sind die schön- sten, die er in seinem Leben aufgesezt, aber seine Bauern haben sie nicht verstanden.
Sie sind über die Worte: "die Zunge ist "ein kleines Ding, aber sie richtet grosse Dinge "an." Und er zeigte in demselben aus dem täglichen Leben, was das Maul brauchen, und einander mit Worten abspeisen in der Welt al- lenthalben für Unglük anrichte. Er sagte aber freylich in allen fünfen kein ausdrükliches Wort wider das predigen; aber stellte darinn alle Au- genblike Sachen vor Augen, bey denen man nicht anderst konnte als denken, es sey mit dem Predigen und Kinderlehr halten vollkommen auch so, wenn ers jezt schon nicht sage.
Auch diese Manier danket er dem Unglük seines Lebens und der Nothwendigkeit hundert- mal, wenn er auch im Rechten war, mit dem Maul hinter sich zuhalten.
Jezt unter Arner war es, wie wenn der
wenn er ſich nicht alle Augenblik den oͤffentli- chen Beſchimpfungen des Junkers, der ihn hernach haßte, ausſezen wollte, ſo daß es ihm bey 20 Jahren nur nie mehr in Sinn gekom- men, auch nur eine halbe Viertelſtund weni- ger lang auf der Canzel zu reden, als es Lands- brauch und Recht iſt.
Doch in allem Druk in dem er war, hat er noch dieſes gethan, daß er fuͤnf Predigten wider das Predigen gehalten, und ſie ſind die ſchoͤn- ſten, die er in ſeinem Leben aufgeſezt, aber ſeine Bauern haben ſie nicht verſtanden.
Sie ſind uͤber die Worte: “die Zunge iſt „ein kleines Ding, aber ſie richtet groſſe Dinge „an.” Und er zeigte in demſelben aus dem taͤglichen Leben, was das Maul brauchen, und einander mit Worten abſpeiſen in der Welt al- lenthalben fuͤr Ungluͤk anrichte. Er ſagte aber freylich in allen fuͤnfen kein ausdruͤkliches Wort wider das predigen; aber ſtellte darinn alle Au- genblike Sachen vor Augen, bey denen man nicht anderſt konnte als denken, es ſey mit dem Predigen und Kinderlehr halten vollkommen auch ſo, wenn ers jezt ſchon nicht ſage.
Auch dieſe Manier danket er dem Ungluͤk ſeines Lebens und der Nothwendigkeit hundert- mal, wenn er auch im Rechten war, mit dem Maul hinter ſich zuhalten.
Jezt unter Arner war es, wie wenn der
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wenn er ſich nicht alle Augenblik den oͤffentli-
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hernach haßte, ausſezen wollte, ſo daß es ihm
bey 20 Jahren nur nie mehr in Sinn gekom-
men, auch nur eine halbe Viertelſtund weni-
ger lang auf der Canzel zu reden, als es Lands-
brauch und Recht iſt.
Doch in allem Druk in dem er war, hat er
noch dieſes gethan, daß er fuͤnf Predigten wider
das Predigen gehalten, und ſie ſind die ſchoͤn-
ſten, die er in ſeinem Leben aufgeſezt, aber
ſeine Bauern haben ſie nicht verſtanden.
Sie ſind uͤber die Worte: “die Zunge iſt
„ein kleines Ding, aber ſie richtet groſſe Dinge
„an.” Und er zeigte in demſelben aus dem
taͤglichen Leben, was das Maul brauchen, und
einander mit Worten abſpeiſen in der Welt al-
lenthalben fuͤr Ungluͤk anrichte. Er ſagte aber
freylich in allen fuͤnfen kein ausdruͤkliches Wort
wider das predigen; aber ſtellte darinn alle Au-
genblike Sachen vor Augen, bey denen man
nicht anderſt konnte als denken, es ſey mit dem
Predigen und Kinderlehr halten vollkommen
auch ſo, wenn ers jezt ſchon nicht ſage.
Auch dieſe Manier danket er dem Ungluͤk
ſeines Lebens und der Nothwendigkeit hundert-
mal, wenn er auch im Rechten war, mit dem
Maul hinter ſich zuhalten.
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/302>, abgerufen am 24.11.2024.
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