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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

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kram seiner grossen Maulreligion, tischte er
ihm nicht anstatt des alten einen neuen, statt
des feurigen einen wässerigen, anstatt des frem-
den, mit Gunst seinen eigenen auf, sondern ver-
einigte seine Bemühungen mit dem Lieutenant
und der Margreth, seine Kinder ohne viele
Worte zu einem stillen arbeitsamen Berufsle-
ben zu führen, und durch feste Angewöhnung an
eine weise Lebensordnung, den Quellen unedler,
schandbarer und unordentlicher Sitten vorzu-
biegen, und auf diese Weise den Grund der
stillen wortleeren Gottesanbetung und der
reinen thätigen und eben so wortleeren Men-
schenliebe zu legen.

Zu diesem Ziel zu gelangen band er jedes
Wort seiner kurzen Religionslehre an ihr Thun
und Lassen, an ihre Umstände und Berufspflich-
ten, also daß wenn er mit ihnen von Gott und
Ewigkeit redte, es immer schien, er rede mit
ihnen vom Vater und Mutter, von Haus und
Heimath, kurz von Sachen, die sie auf der
Welt nahe angehen.

Er zeichnete ihnen mit eigner Hand die weni-
gen weisen und frommen Stellen, die sie in
ihrem Lehrbuch noch auswendig lehrnen dorf-
ten aus; von dem übrigen weitläuftigen Zank-
kram, den er aus ihrem Gehirn auslöschen
wollte, wie der Sommer den ferndrigen Schnee
auslöscht, redte er kein Wort mehr, und wenn

kram ſeiner groſſen Maulreligion, tiſchte er
ihm nicht anſtatt des alten einen neuen, ſtatt
des feurigen einen waͤſſerigen, anſtatt des frem-
den, mit Gunſt ſeinen eigenen auf, ſondern ver-
einigte ſeine Bemuͤhungen mit dem Lieutenant
und der Margreth, ſeine Kinder ohne viele
Worte zu einem ſtillen arbeitſamen Berufsle-
ben zu fuͤhren, und durch feſte Angewoͤhnung an
eine weiſe Lebensordnung, den Quellen unedler,
ſchandbarer und unordentlicher Sitten vorzu-
biegen, und auf dieſe Weiſe den Grund der
ſtillen wortleeren Gottesanbetung und der
reinen thaͤtigen und eben ſo wortleeren Men-
ſchenliebe zu legen.

Zu dieſem Ziel zu gelangen band er jedes
Wort ſeiner kurzen Religionslehre an ihr Thun
und Laſſen, an ihre Umſtaͤnde und Berufspflich-
ten, alſo daß wenn er mit ihnen von Gott und
Ewigkeit redte, es immer ſchien, er rede mit
ihnen vom Vater und Mutter, von Haus und
Heimath, kurz von Sachen, die ſie auf der
Welt nahe angehen.

Er zeichnete ihnen mit eigner Hand die weni-
gen weiſen und frommen Stellen, die ſie in
ihrem Lehrbuch noch auswendig lehrnen dorf-
ten aus; von dem uͤbrigen weitlaͤuftigen Zank-
kram, den er aus ihrem Gehirn ausloͤſchen
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[299/0321] kram ſeiner groſſen Maulreligion, tiſchte er ihm nicht anſtatt des alten einen neuen, ſtatt des feurigen einen waͤſſerigen, anſtatt des frem- den, mit Gunſt ſeinen eigenen auf, ſondern ver- einigte ſeine Bemuͤhungen mit dem Lieutenant und der Margreth, ſeine Kinder ohne viele Worte zu einem ſtillen arbeitſamen Berufsle- ben zu fuͤhren, und durch feſte Angewoͤhnung an eine weiſe Lebensordnung, den Quellen unedler, ſchandbarer und unordentlicher Sitten vorzu- biegen, und auf dieſe Weiſe den Grund der ſtillen wortleeren Gottesanbetung und der reinen thaͤtigen und eben ſo wortleeren Men- ſchenliebe zu legen. Zu dieſem Ziel zu gelangen band er jedes Wort ſeiner kurzen Religionslehre an ihr Thun und Laſſen, an ihre Umſtaͤnde und Berufspflich- ten, alſo daß wenn er mit ihnen von Gott und Ewigkeit redte, es immer ſchien, er rede mit ihnen vom Vater und Mutter, von Haus und Heimath, kurz von Sachen, die ſie auf der Welt nahe angehen. Er zeichnete ihnen mit eigner Hand die weni- gen weiſen und frommen Stellen, die ſie in ihrem Lehrbuch noch auswendig lehrnen dorf- ten aus; von dem uͤbrigen weitlaͤuftigen Zank- kram, den er aus ihrem Gehirn ausloͤſchen wollte, wie der Sommer den ferndrigen Schnee ausloͤſcht, redte er kein Wort mehr, und wenn

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/321>, abgerufen am 24.11.2024.