§. 67. Um so gut zu seyn als Menschenmöglich, muß man bös scheinen.
Das schönste an ihm ist, daß er bey allem was er jezt that, gerade zu heraus sagte, wenn er den Lieutenant und die Margreth nicht in ihrer Schulstube, mit den Kindern nach ihrer Art umgehen gesehen, so wäre er mit seinem Kinderunterricht bis ans Grab ohne Aenderung der alte Pfarrer in Bonnal geblieben, der er 30 Jahre gewesen, -- und noch mehr, er gestuhnd selber, daß er auch jezt noch nicht im Stande sey in den Hauptsachen der wahren Führung dieser Kinder Hand zu bieten, und daß alles, was er dazu beytragen könne kaum in mehrerem bestehe, als daß er mit seiner Einmischung der Arbeit des Lieute- tenants und der Frauen keine Hinderniß in den Weg lege.
Er hatte fast ganz recht, er wußte von den Berufsarten der Menschen und von den mei- sten Dingen auf welche der Lieutenant baute, so viel als nichts. --
Er kannte die Menschen, und kannte sie nicht. --
Er kannte zwar sie, daß er sie beschreiben konnte, daß man sagen mußte: -- Sie sind so! --
§. 67. Um ſo gut zu ſeyn als Menſchenmoͤglich, muß man boͤs ſcheinen.
Das ſchoͤnſte an ihm iſt, daß er bey allem was er jezt that, gerade zu heraus ſagte, wenn er den Lieutenant und die Margreth nicht in ihrer Schulſtube, mit den Kindern nach ihrer Art umgehen geſehen, ſo waͤre er mit ſeinem Kinderunterricht bis ans Grab ohne Aenderung der alte Pfarrer in Bonnal geblieben, der er 30 Jahre geweſen, — und noch mehr, er geſtuhnd ſelber, daß er auch jezt noch nicht im Stande ſey in den Hauptſachen der wahren Fuͤhrung dieſer Kinder Hand zu bieten, und daß alles, was er dazu beytragen koͤnne kaum in mehrerem beſtehe, als daß er mit ſeiner Einmiſchung der Arbeit des Lieute- tenants und der Frauen keine Hinderniß in den Weg lege.
Er hatte faſt ganz recht, er wußte von den Berufsarten der Menſchen und von den mei- ſten Dingen auf welche der Lieutenant baute, ſo viel als nichts. —
Er kannte die Menſchen, und kannte ſie nicht. —
Er kannte zwar ſie, daß er ſie beſchreiben konnte, daß man ſagen mußte: — Sie ſind ſo! —
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§. 67.
Um ſo gut zu ſeyn als Menſchenmoͤglich,
muß man boͤs ſcheinen.
Das ſchoͤnſte an ihm iſt, daß er bey allem
was er jezt that, gerade zu heraus ſagte,
wenn er den Lieutenant und die Margreth
nicht in ihrer Schulſtube, mit den Kindern
nach ihrer Art umgehen geſehen, ſo waͤre er
mit ſeinem Kinderunterricht bis ans Grab
ohne Aenderung der alte Pfarrer in Bonnal
geblieben, der er 30 Jahre geweſen, — und
noch mehr, er geſtuhnd ſelber, daß er auch jezt
noch nicht im Stande ſey in den Hauptſachen
der wahren Fuͤhrung dieſer Kinder Hand zu
bieten, und daß alles, was er dazu beytragen
koͤnne kaum in mehrerem beſtehe, als daß er
mit ſeiner Einmiſchung der Arbeit des Lieute-
tenants und der Frauen keine Hinderniß in
den Weg lege.
Er hatte faſt ganz recht, er wußte von den
Berufsarten der Menſchen und von den mei-
ſten Dingen auf welche der Lieutenant baute,
ſo viel als nichts. —
Er kannte die Menſchen, und kannte ſie
nicht. —
Er kannte zwar ſie, daß er ſie beſchreiben
konnte, daß man ſagen mußte: — Sie ſind
ſo! —
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/323>, abgerufen am 24.11.2024.
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