alles gefallen, weil sonst niemand da war, und der Pfarrer ihm vorher das Ehrenwort gethan, er soll es doch nicht achten, er richte sonst mit dem alten Narren nichts aus.
Es hatte im Anfang auch den Anschein, wie wenn es dem Pfarrer nicht fehlen wollte.
Das Triefaug soff drauf los, und sieng an so gesprächig zu werden, daß dieser meynte, er werde, ehe er vom Plaz aufstehe, auskramen, was er im hintersten Winkel wisse.
Es war nichts weniger; er redte kein wahres Wort, und schnitt auf, daß der Miller, wenn ihm schon der Pfarrer einmal über das andere winkte, und ihn noch mit den Füssen unter dem Tisch stoßte, daß er schweige, sich doch nicht mehr halten konnte, und ihm wiedersprach.
Nun wars aus; das Triefaug sieng jezt an ihn anzuschnauzen: wenn ers besser wisse, so solle er reden, und er wolle schweigen; doch sah er, so sehr er einen Rausch hatte, es dem Pfarrer an, wie wehe es ihm gethan, daß es so gehe; aber es machte ihm so viel als einer Kaz, wenn man ihr kaltes Wasser angeschüttet. Er blieb nur noch um die Gläser zu leeren.
Das war schon längst tod in ihm, was den Menschen warm macht, wenn sie sehen, daß sie jemand kränken; -- das plagte ihn nicht mehr.
Was ihn plaget, ist die Langezeit, die er
alles gefallen, weil ſonſt niemand da war, und der Pfarrer ihm vorher das Ehrenwort gethan, er ſoll es doch nicht achten, er richte ſonſt mit dem alten Narren nichts aus.
Es hatte im Anfang auch den Anſchein, wie wenn es dem Pfarrer nicht fehlen wollte.
Das Triefaug ſoff drauf los, und ſieng an ſo geſpraͤchig zu werden, daß dieſer meynte, er werde, ehe er vom Plaz aufſtehe, auskramen, was er im hinterſten Winkel wiſſe.
Es war nichts weniger; er redte kein wahres Wort, und ſchnitt auf, daß der Miller, wenn ihm ſchon der Pfarrer einmal uͤber das andere winkte, und ihn noch mit den Fuͤſſen unter dem Tiſch ſtoßte, daß er ſchweige, ſich doch nicht mehr halten konnte, und ihm wiederſprach.
Nun wars aus; das Triefaug ſieng jezt an ihn anzuſchnauzen: wenn ers beſſer wiſſe, ſo ſolle er reden, und er wolle ſchweigen; doch ſah er, ſo ſehr er einen Rauſch hatte, es dem Pfarrer an, wie wehe es ihm gethan, daß es ſo gehe; aber es machte ihm ſo viel als einer Kaz, wenn man ihr kaltes Waſſer angeſchuͤttet. Er blieb nur noch um die Glaͤſer zu leeren.
Das war ſchon laͤngſt tod in ihm, was den Menſchen warm macht, wenn ſie ſehen, daß ſie jemand kraͤnken; — das plagte ihn nicht mehr.
Was ihn plaget, iſt die Langezeit, die er
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0371"n="349"/>
alles gefallen, weil ſonſt niemand da war, und<lb/>
der Pfarrer ihm vorher das Ehrenwort gethan,<lb/>
er ſoll es doch nicht achten, er richte ſonſt mit<lb/>
dem alten Narren nichts aus.</p><lb/><p>Es hatte im Anfang auch den Anſchein, wie<lb/>
wenn es dem Pfarrer nicht fehlen wollte.</p><lb/><p>Das Triefaug ſoff drauf los, und ſieng an<lb/>ſo geſpraͤchig zu werden, daß dieſer meynte, er<lb/>
werde, ehe er vom Plaz aufſtehe, auskramen,<lb/>
was er im hinterſten Winkel wiſſe.</p><lb/><p>Es war nichts weniger; er redte kein wahres<lb/>
Wort, und ſchnitt auf, daß der Miller, wenn<lb/>
ihm ſchon der Pfarrer einmal uͤber das andere<lb/>
winkte, und ihn noch mit den Fuͤſſen unter dem<lb/>
Tiſch ſtoßte, daß er ſchweige, ſich doch nicht<lb/>
mehr halten konnte, und ihm wiederſprach.</p><lb/><p>Nun wars aus; das Triefaug ſieng jezt an<lb/>
ihn anzuſchnauzen: wenn ers beſſer wiſſe, ſo<lb/>ſolle er reden, und er wolle ſchweigen; doch<lb/>ſah er, ſo ſehr er einen Rauſch hatte, es dem<lb/>
Pfarrer an, wie wehe es ihm gethan, daß es<lb/>ſo gehe; aber es machte ihm ſo viel als einer<lb/>
Kaz, wenn man ihr kaltes Waſſer angeſchuͤttet.<lb/>
Er blieb nur noch um die Glaͤſer zu leeren.</p><lb/><p>Das war ſchon laͤngſt tod in ihm, was den<lb/>
Menſchen warm macht, wenn ſie ſehen, daß<lb/>ſie jemand kraͤnken; — das plagte ihn nicht<lb/>
mehr.</p><lb/><p>Was ihn plaget, iſt die Langezeit, die er<lb/></p></div></body></text></TEI>
[349/0371]
alles gefallen, weil ſonſt niemand da war, und
der Pfarrer ihm vorher das Ehrenwort gethan,
er ſoll es doch nicht achten, er richte ſonſt mit
dem alten Narren nichts aus.
Es hatte im Anfang auch den Anſchein, wie
wenn es dem Pfarrer nicht fehlen wollte.
Das Triefaug ſoff drauf los, und ſieng an
ſo geſpraͤchig zu werden, daß dieſer meynte, er
werde, ehe er vom Plaz aufſtehe, auskramen,
was er im hinterſten Winkel wiſſe.
Es war nichts weniger; er redte kein wahres
Wort, und ſchnitt auf, daß der Miller, wenn
ihm ſchon der Pfarrer einmal uͤber das andere
winkte, und ihn noch mit den Fuͤſſen unter dem
Tiſch ſtoßte, daß er ſchweige, ſich doch nicht
mehr halten konnte, und ihm wiederſprach.
Nun wars aus; das Triefaug ſieng jezt an
ihn anzuſchnauzen: wenn ers beſſer wiſſe, ſo
ſolle er reden, und er wolle ſchweigen; doch
ſah er, ſo ſehr er einen Rauſch hatte, es dem
Pfarrer an, wie wehe es ihm gethan, daß es
ſo gehe; aber es machte ihm ſo viel als einer
Kaz, wenn man ihr kaltes Waſſer angeſchuͤttet.
Er blieb nur noch um die Glaͤſer zu leeren.
Das war ſchon laͤngſt tod in ihm, was den
Menſchen warm macht, wenn ſie ſehen, daß
ſie jemand kraͤnken; — das plagte ihn nicht
mehr.
Was ihn plaget, iſt die Langezeit, die er
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/371>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.