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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

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Nakens, und nahet sich den Hügeln nicht, wo
sie ihren Siz hat; denn sie weis wie das schlaue
Thier, die Naseweisheit, den Menschen bethört,
und die armen Jäger nach vielen Gründen un-
ter den Knochen des Zaubergewildes, dem sie
nachstreben, begrabet.

Noch einmal, was will der Mensch mit
vielen Gründen? -- Die Wahrheiten, deren
Nichtwissen Schaden bringt, brauchen nicht
viel Erklärens.

Aber der Mensch glaubt gern Narrensachen,
und thut gern Narrenstreiche, und möchte denn
doch, daß das, was er als ein baares Vieh glaubt
und thut, so vernünftig wäre, daß ihm Engel
und Teufel nichts dagegen sagen könnten. Da-
rum muß er auch so oft und viel auf die ar-
me Jagd nach Gründen, auf der jezt auch die
Bonnaler waren. Diese fanden auf ihrer Jagd
für ihre liebe Meynung, daß dieses neue We-
sen keinen Bestand haben werde. -- Gründe
wie Steine.

Zwey besonders leuchteten ihnen gar ein. --
Der erste -- die lahme, und alles lähmende
Rede: es seye mit den Menschen gar nichts zu
machen. -- Sie glüklich zu machen, und zu
bessern, und in Ordnung zu bringen, sey so
lang die Welt steht, Traum gewesen, und
werde so lang die Welt steht, Traum blei-
ben.


A a 2

Nakens, und nahet ſich den Huͤgeln nicht, wo
ſie ihren Siz hat; denn ſie weis wie das ſchlaue
Thier, die Naſeweisheit, den Menſchen bethoͤrt,
und die armen Jaͤger nach vielen Gruͤnden un-
ter den Knochen des Zaubergewildes, dem ſie
nachſtreben, begrabet.

Noch einmal, was will der Menſch mit
vielen Gruͤnden? — Die Wahrheiten, deren
Nichtwiſſen Schaden bringt, brauchen nicht
viel Erklaͤrens.

Aber der Menſch glaubt gern Narrenſachen,
und thut gern Narrenſtreiche, und moͤchte denn
doch, daß das, was er als ein baares Vieh glaubt
und thut, ſo vernuͤnftig waͤre, daß ihm Engel
und Teufel nichts dagegen ſagen koͤnnten. Da-
rum muß er auch ſo oft und viel auf die ar-
me Jagd nach Gruͤnden, auf der jezt auch die
Bonnaler waren. Dieſe fanden auf ihrer Jagd
fuͤr ihre liebe Meynung, daß dieſes neue We-
ſen keinen Beſtand haben werde. — Gruͤnde
wie Steine.

Zwey beſonders leuchteten ihnen gar ein. —
Der erſte — die lahme, und alles laͤhmende
Rede: es ſeye mit den Menſchen gar nichts zu
machen. — Sie gluͤklich zu machen, und zu
beſſern, und in Ordnung zu bringen, ſey ſo
lang die Welt ſteht, Traum geweſen, und
werde ſo lang die Welt ſteht, Traum blei-
ben.


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[371/0393] Nakens, und nahet ſich den Huͤgeln nicht, wo ſie ihren Siz hat; denn ſie weis wie das ſchlaue Thier, die Naſeweisheit, den Menſchen bethoͤrt, und die armen Jaͤger nach vielen Gruͤnden un- ter den Knochen des Zaubergewildes, dem ſie nachſtreben, begrabet. Noch einmal, was will der Menſch mit vielen Gruͤnden? — Die Wahrheiten, deren Nichtwiſſen Schaden bringt, brauchen nicht viel Erklaͤrens. Aber der Menſch glaubt gern Narrenſachen, und thut gern Narrenſtreiche, und moͤchte denn doch, daß das, was er als ein baares Vieh glaubt und thut, ſo vernuͤnftig waͤre, daß ihm Engel und Teufel nichts dagegen ſagen koͤnnten. Da- rum muß er auch ſo oft und viel auf die ar- me Jagd nach Gruͤnden, auf der jezt auch die Bonnaler waren. Dieſe fanden auf ihrer Jagd fuͤr ihre liebe Meynung, daß dieſes neue We- ſen keinen Beſtand haben werde. — Gruͤnde wie Steine. Zwey beſonders leuchteten ihnen gar ein. — Der erſte — die lahme, und alles laͤhmende Rede: es ſeye mit den Menſchen gar nichts zu machen. — Sie gluͤklich zu machen, und zu beſſern, und in Ordnung zu bringen, ſey ſo lang die Welt ſteht, Traum geweſen, und werde ſo lang die Welt ſteht, Traum blei- ben. A a 2

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/393>, abgerufen am 24.11.2024.