So traten sie den Weg an, aber ihre Knie schwankten, ihre Hände bebten, und sie zogen aneinanderhangend fort, wie wenn sie nicht giengen. So kamen sie endlich so langsam fort- treibend gerade neben die Feuer vorüber, und wollten eben ihre Nothwort "alle gute Geister" über ihre starren Lippen herauslassen, als in diesem Augenblik der Claus sein Leitseil zog. Da stampften die Roß, die Räder klirten, die Feuer sprangen, und wie wenn die Erde un- ter ihnen gewichen, lag die Heerde miteinan- der im Graben, und meynte nichts anders als der Teufel habe sie alle miteinander so auf ei- nen Klapf über Bord geworfen.
Jezt erhub sich ein Schreyen das dem Claus auf dem Bok ans Herz gieng; denn es war wie das Schreyen aus brennenden Häusern. -- Er fieng an, ihnen was er aus dem Hals ver- mochte zuzuschreyen: -- ihr Narren, ihr Narren, was ist das für ein Schreyen? Kal- berleder, du Ochs? -- Siegrist! Hügj! -- ihr Hornvieh, und du, Leüpj, du Narrenfüh- rer! wofür haltet ihr mich? --
Da erkennte die Heerde im Koth die Stim- me des Kutschers, und sie war ihr wie die Stimme eines Engels! -- bist du es Claus? -- bist du es Claus? Gottlob daß du es bist! antwortete aus dem Graben, was noch reden konnte; denn fragten sie ihn bald, was doch
So traten ſie den Weg an, aber ihre Knie ſchwankten, ihre Haͤnde bebten, und ſie zogen aneinanderhangend fort, wie wenn ſie nicht giengen. So kamen ſie endlich ſo langſam fort- treibend gerade neben die Feuer voruͤber, und wollten eben ihre Nothwort „alle gute Geiſter„ uͤber ihre ſtarren Lippen herauslaſſen, als in dieſem Augenblik der Claus ſein Leitſeil zog. Da ſtampften die Roß, die Raͤder klirten, die Feuer ſprangen, und wie wenn die Erde un- ter ihnen gewichen, lag die Heerde miteinan- der im Graben, und meynte nichts anders als der Teufel habe ſie alle miteinander ſo auf ei- nen Klapf uͤber Bord geworfen.
Jezt erhub ſich ein Schreyen das dem Claus auf dem Bok ans Herz gieng; denn es war wie das Schreyen aus brennenden Haͤuſern. — Er fieng an, ihnen was er aus dem Hals ver- mochte zuzuſchreyen: — ihr Narren, ihr Narren, was iſt das fuͤr ein Schreyen? Kal- berleder, du Ochs? — Siegriſt! Huͤgj! — ihr Hornvieh, und du, Leuͤpj, du Narrenfuͤh- rer! wofuͤr haltet ihr mich? —
Da erkennte die Heerde im Koth die Stim- me des Kutſchers, und ſie war ihr wie die Stimme eines Engels! — biſt du es Claus? — biſt du es Claus? Gottlob daß du es biſt! antwortete aus dem Graben, was noch reden konnte; denn fragten ſie ihn bald, was doch
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So traten ſie den Weg an, aber ihre Knie
ſchwankten, ihre Haͤnde bebten, und ſie zogen
aneinanderhangend fort, wie wenn ſie nicht
giengen. So kamen ſie endlich ſo langſam fort-
treibend gerade neben die Feuer voruͤber, und
wollten eben ihre Nothwort „alle gute Geiſter„
uͤber ihre ſtarren Lippen herauslaſſen, als in
dieſem Augenblik der Claus ſein Leitſeil zog.
Da ſtampften die Roß, die Raͤder klirten, die
Feuer ſprangen, und wie wenn die Erde un-
ter ihnen gewichen, lag die Heerde miteinan-
der im Graben, und meynte nichts anders als
der Teufel habe ſie alle miteinander ſo auf ei-
nen Klapf uͤber Bord geworfen.
Jezt erhub ſich ein Schreyen das dem Claus
auf dem Bok ans Herz gieng; denn es war wie
das Schreyen aus brennenden Haͤuſern. —
Er fieng an, ihnen was er aus dem Hals ver-
mochte zuzuſchreyen: — ihr Narren, ihr
Narren, was iſt das fuͤr ein Schreyen? Kal-
berleder, du Ochs? — Siegriſt! Huͤgj! —
ihr Hornvieh, und du, Leuͤpj, du Narrenfuͤh-
rer! wofuͤr haltet ihr mich? —
Da erkennte die Heerde im Koth die Stim-
me des Kutſchers, und ſie war ihr wie die
Stimme eines Engels! — biſt du es Claus?
— biſt du es Claus? Gottlob daß du es biſt!
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/404>, abgerufen am 23.11.2024.
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