Hans. So! Du hast hiemit noch keinen umgehauen, wenn du schon so verirret?
Kalberleder. Pressiert es?
Hans. Mir gar nicht -- aber dir hat's pressieren sollen -- wenn du dich mit Ehren hast heraus läugnen wollen.
Kalberleder. Was heraus läugnen?
Hans. Ich mag jezt nicht mit dir zanken: ich will dir gar kurz sagen:
Wann du unsern Garten-Nachbar, nicht vor Sonnen Untergang vom Leben zum Tod bringst, so will ich morn am Morgen auf eine Art mit dir reden, daß du sieben Nußbäum dafür gäbest, du hättest meinem guten Rath gefolget. --
Der Kalberleder wußte nicht wie ihm war, und konnte nicht begreifen, wo der Lumpen- hans das Herz hernehme, so mit ihm zu reden.
Der Hans aber ließ ihn das Maul nicht auf- thun, und sagte grad darauf wieder, du kanst jezt nur gehen und sizen, wo es dich wohl freut -- ich hab dir nichts mehr zu sagen. --
Der Kalberleder antwortete: es ist mir wohl genug da.
-- Aber mir nicht: sagte der Hans; stuhnd auf, sezte sich etliche Schritt von ihm bey ei- nem alten armen Mann ab, der sein Vetter war, und gab diesem denn bald sein Morgen- brod, das er bey sich hatte, aus dem Sack.
Hans. So! Du haſt hiemit noch keinen umgehauen, wenn du ſchon ſo verirret?
Kalberleder. Preſſiert es?
Hans. Mir gar nicht — aber dir hat’s preſſieren ſollen — wenn du dich mit Ehren haſt heraus laͤugnen wollen.
Kalberleder. Was heraus laͤugnen?
Hans. Ich mag jezt nicht mit dir zanken: ich will dir gar kurz ſagen:
Wann du unſern Garten-Nachbar, nicht vor Sonnen Untergang vom Leben zum Tod bringſt, ſo will ich morn am Morgen auf eine Art mit dir reden, daß du ſieben Nußbaͤum dafuͤr gaͤbeſt, du haͤtteſt meinem guten Rath gefolget. —
Der Kalberleder wußte nicht wie ihm war, und konnte nicht begreifen, wo der Lumpen- hans das Herz hernehme, ſo mit ihm zu reden.
Der Hans aber ließ ihn das Maul nicht auf- thun, und ſagte grad darauf wieder, du kanſt jezt nur gehen und ſizen, wo es dich wohl freut — ich hab dir nichts mehr zu ſagen. —
Der Kalberleder antwortete: es iſt mir wohl genug da.
— Aber mir nicht: ſagte der Hans; ſtuhnd auf, ſezte ſich etliche Schritt von ihm bey ei- nem alten armen Mann ab, der ſein Vetter war, und gab dieſem denn bald ſein Morgen- brod, das er bey ſich hatte, aus dem Sack.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0092"n="70"/><p><hirendition="#fr">Hans</hi>. So! Du haſt hiemit noch keinen<lb/>
umgehauen, wenn du ſchon ſo verirret?</p><lb/><p><hirendition="#fr">Kalberleder</hi>. Preſſiert es?</p><lb/><p><hirendition="#fr">Hans</hi>. Mir gar nicht — aber dir hat’s<lb/>
preſſieren ſollen — wenn du dich mit Ehren<lb/>
haſt heraus laͤugnen wollen.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Kalberleder</hi>. Was heraus laͤugnen?</p><lb/><p><hirendition="#fr">Hans</hi>. Ich mag jezt nicht mit dir zanken:<lb/>
ich will dir gar kurz ſagen:</p><lb/><p>Wann du unſern Garten-Nachbar, nicht<lb/>
vor Sonnen Untergang vom Leben zum Tod<lb/>
bringſt, ſo will ich morn am Morgen auf eine<lb/>
Art mit dir reden, daß du ſieben Nußbaͤum<lb/>
dafuͤr gaͤbeſt, du haͤtteſt meinem guten Rath<lb/>
gefolget. —</p><lb/><p>Der Kalberleder wußte nicht wie ihm war,<lb/>
und konnte nicht begreifen, wo der Lumpen-<lb/>
hans das Herz hernehme, ſo mit ihm zu reden.</p><lb/><p>Der Hans aber ließ ihn das Maul nicht auf-<lb/>
thun, und ſagte grad darauf wieder, du kanſt<lb/>
jezt nur gehen und ſizen, wo es dich wohl<lb/>
freut — ich hab dir nichts mehr zu ſagen. —</p><lb/><p>Der Kalberleder antwortete: es iſt mir<lb/>
wohl genug da.</p><lb/><p>— Aber mir nicht: ſagte der Hans; ſtuhnd<lb/>
auf, ſezte ſich etliche Schritt von ihm bey ei-<lb/>
nem alten armen Mann ab, der ſein Vetter<lb/>
war, und gab dieſem denn bald ſein Morgen-<lb/>
brod, das er bey ſich hatte, aus dem Sack.<lb/></p></div></body></text></TEI>
[70/0092]
Hans. So! Du haſt hiemit noch keinen
umgehauen, wenn du ſchon ſo verirret?
Kalberleder. Preſſiert es?
Hans. Mir gar nicht — aber dir hat’s
preſſieren ſollen — wenn du dich mit Ehren
haſt heraus laͤugnen wollen.
Kalberleder. Was heraus laͤugnen?
Hans. Ich mag jezt nicht mit dir zanken:
ich will dir gar kurz ſagen:
Wann du unſern Garten-Nachbar, nicht
vor Sonnen Untergang vom Leben zum Tod
bringſt, ſo will ich morn am Morgen auf eine
Art mit dir reden, daß du ſieben Nußbaͤum
dafuͤr gaͤbeſt, du haͤtteſt meinem guten Rath
gefolget. —
Der Kalberleder wußte nicht wie ihm war,
und konnte nicht begreifen, wo der Lumpen-
hans das Herz hernehme, ſo mit ihm zu reden.
Der Hans aber ließ ihn das Maul nicht auf-
thun, und ſagte grad darauf wieder, du kanſt
jezt nur gehen und ſizen, wo es dich wohl
freut — ich hab dir nichts mehr zu ſagen. —
Der Kalberleder antwortete: es iſt mir
wohl genug da.
— Aber mir nicht: ſagte der Hans; ſtuhnd
auf, ſezte ſich etliche Schritt von ihm bey ei-
nem alten armen Mann ab, der ſein Vetter
war, und gab dieſem denn bald ſein Morgen-
brod, das er bey ſich hatte, aus dem Sack.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/92>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.