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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787.

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Erziehung, als auf das beste Mittel, dem Schwin-
delgeist, und der Anmaßungssucht unserer Zeit und
ihren Folgen bey den Menschen vorzubeugen.

Er sagte, der Verstand bildet sich am besten
bey Geschäften, weil sich aller Irrthum, und alles
Versehen bey denselben so viel als auf der Stell zei-
get, und Gottlob für das menschliche Geschlecht zei-
gen muß; -- da man hingegen in Meynungen und
Büchersachen einander ganze Ewigkeiten hindurch
die Worte im Mund umkehren, und wieder um-
kehren kann.

Eben so behauptete er, bewahre die trockene,
kalte, schwerfällige, und auf der Nothwendigkeit
ruhende Natur der Geschäftswahrheit, das Herz
der Menschen vor Gelüsten nach dem Sommervo-
gelleben unserer Zeit, und vor dem Hang gleich
diesen Würmern mit Goldflügeln auf dieser Erde
wie auf Blumenbetten herum zu flattern und herum
zu schmachten.

Liebe deutsche Frau! sagte er, die Reichen
und die Hofleute, und das Häpfengeschlecht der
Städter, die sie verderbt, nähern sich in ihrem In-
nern und Aeußern immermehr den schwachen Ge-
schöpfen aus den heißen Erdstrichen; Gesichter,
Stellungen, Kleidungsarten, die sogar mit den
verunstalteten Figuren auf dem Chinesischen Por-


Erziehung, als auf das beſte Mittel, dem Schwin-
delgeiſt, und der Anmaßungsſucht unſerer Zeit und
ihren Folgen bey den Menſchen vorzubeugen.

Er ſagte, der Verſtand bildet ſich am beſten
bey Geſchaͤften, weil ſich aller Irrthum, und alles
Verſehen bey denſelben ſo viel als auf der Stell zei-
get, und Gottlob fuͤr das menſchliche Geſchlecht zei-
gen muß; — da man hingegen in Meynungen und
Buͤcherſachen einander ganze Ewigkeiten hindurch
die Worte im Mund umkehren, und wieder um-
kehren kann.

Eben ſo behauptete er, bewahre die trockene,
kalte, ſchwerfaͤllige, und auf der Nothwendigkeit
ruhende Natur der Geſchaͤftswahrheit, das Herz
der Menſchen vor Geluͤſten nach dem Sommervo-
gelleben unſerer Zeit, und vor dem Hang gleich
dieſen Wuͤrmern mit Goldfluͤgeln auf dieſer Erde
wie auf Blumenbetten herum zu flattern und herum
zu ſchmachten.

Liebe deutſche Frau! ſagte er, die Reichen
und die Hofleute, und das Haͤpfengeſchlecht der
Staͤdter, die ſie verderbt, naͤhern ſich in ihrem In-
nern und Aeußern immermehr den ſchwachen Ge-
ſchoͤpfen aus den heißen Erdſtrichen; Geſichter,
Stellungen, Kleidungsarten, die ſogar mit den
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[93/0111] Erziehung, als auf das beſte Mittel, dem Schwin- delgeiſt, und der Anmaßungsſucht unſerer Zeit und ihren Folgen bey den Menſchen vorzubeugen. Er ſagte, der Verſtand bildet ſich am beſten bey Geſchaͤften, weil ſich aller Irrthum, und alles Verſehen bey denſelben ſo viel als auf der Stell zei- get, und Gottlob fuͤr das menſchliche Geſchlecht zei- gen muß; — da man hingegen in Meynungen und Buͤcherſachen einander ganze Ewigkeiten hindurch die Worte im Mund umkehren, und wieder um- kehren kann. Eben ſo behauptete er, bewahre die trockene, kalte, ſchwerfaͤllige, und auf der Nothwendigkeit ruhende Natur der Geſchaͤftswahrheit, das Herz der Menſchen vor Geluͤſten nach dem Sommervo- gelleben unſerer Zeit, und vor dem Hang gleich dieſen Wuͤrmern mit Goldfluͤgeln auf dieſer Erde wie auf Blumenbetten herum zu flattern und herum zu ſchmachten. Liebe deutſche Frau! ſagte er, die Reichen und die Hofleute, und das Haͤpfengeſchlecht der Staͤdter, die ſie verderbt, naͤhern ſich in ihrem In- nern und Aeußern immermehr den ſchwachen Ge- ſchoͤpfen aus den heißen Erdſtrichen; Geſichter, Stellungen, Kleidungsarten, die ſogar mit den verunſtalteten Figuren auf dem Chineſiſchen Por-

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/111>, abgerufen am 21.11.2024.