am Fluch einer Ketten zu serben, die ihm das Ge- fühl der Rechten seiner Natur von allen Seiten ver- wirrt, das Befriedigende seiner Naturtrieben in allen Theilen beschränkt, und ihm nichts dargegen giebt, als die Foderung das zu seyn, was weder Gott noch Menschen aus ihm gemacht haben, und was ihn die Gesellschaft, die es von ihm fodert, noch am meisten hindert zu seyn. -- Indessen ist es nichts weniger als leicht, aus dem Menschen etwas ganz anders zu machen als er von Natur ist, und es fodert die ganze Weisheit eines die menschliche Natur tiefkennenden Gesezgebers, oder wenn ihr lieber wollt, (denn beydes ist wahr) die Frommkeit einer Engeltugend, die sich Anbethung erworben, den Menschen dahin zubringen, daß er beym Werk seines bürgerlichen Lebens, und bey Verrichtung seiner Stands- Amts- und Berufs- Pflichten eine das Innere seiner Natur befriedigen- de Laufbahn finde, und an einer Kette nicht ver- wildere, welche die ersten Grundtriebe seiner Natur mit unerbittlicher Härte beschränkt, und mit eiser- nem Gewalt etwas anders aus ihm zu machen be- ginnet, als das ist, wozu ihm alle Triebe seiner Natur mit übereinstimmender Gewalt unwillkühr- lich in ihm liegender Reize hinlocken.
Eine jede Lücke in der bürgerlichen Gesellschaft -- ein jeder Anstoß im gesellschaftlichen Leben -- eine jede Ahndung durch Gewalt oder durch List
am Fluch einer Ketten zu ſerben, die ihm das Ge- fuͤhl der Rechten ſeiner Natur von allen Seiten ver- wirrt, das Befriedigende ſeiner Naturtrieben in allen Theilen beſchraͤnkt, und ihm nichts dargegen giebt, als die Foderung das zu ſeyn, was weder Gott noch Menſchen aus ihm gemacht haben, und was ihn die Geſellſchaft, die es von ihm fodert, noch am meiſten hindert zu ſeyn. — Indeſſen iſt es nichts weniger als leicht, aus dem Menſchen etwas ganz anders zu machen als er von Natur iſt, und es fodert die ganze Weisheit eines die menſchliche Natur tiefkennenden Geſezgebers, oder wenn ihr lieber wollt, (denn beydes iſt wahr) die Frommkeit einer Engeltugend, die ſich Anbethung erworben, den Menſchen dahin zubringen, daß er beym Werk ſeines buͤrgerlichen Lebens, und bey Verrichtung ſeiner Stands- Amts- und Berufs- Pflichten eine das Innere ſeiner Natur befriedigen- de Laufbahn finde, und an einer Kette nicht ver- wildere, welche die erſten Grundtriebe ſeiner Natur mit unerbittlicher Haͤrte beſchraͤnkt, und mit eiſer- nem Gewalt etwas anders aus ihm zu machen be- ginnet, als das iſt, wozu ihm alle Triebe ſeiner Natur mit uͤbereinſtimmender Gewalt unwillkuͤhr- lich in ihm liegender Reize hinlocken.
Eine jede Luͤcke in der buͤrgerlichen Geſellſchaft — ein jeder Anſtoß im geſellſchaftlichen Leben — eine jede Ahndung durch Gewalt oder durch Liſt
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am Fluch einer Ketten zu ſerben, die ihm das Ge-
fuͤhl der Rechten ſeiner Natur von allen Seiten ver-
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allen Theilen beſchraͤnkt, und ihm nichts dargegen
giebt, als die Foderung das zu ſeyn, was weder
Gott noch Menſchen aus ihm gemacht haben, und
was ihn die Geſellſchaft, die es von ihm fodert,
noch am meiſten hindert zu ſeyn. — Indeſſen iſt
es nichts weniger als leicht, aus dem Menſchen
etwas ganz anders zu machen als er von Natur
iſt, und es fodert die ganze Weisheit eines die
menſchliche Natur tiefkennenden Geſezgebers, oder
wenn ihr lieber wollt, (denn beydes iſt wahr) die
Frommkeit einer Engeltugend, die ſich Anbethung
erworben, den Menſchen dahin zubringen, daß er
beym Werk ſeines buͤrgerlichen Lebens, und bey
Verrichtung ſeiner Stands- Amts- und Berufs-
Pflichten eine das Innere ſeiner Natur befriedigen-
de Laufbahn finde, und an einer Kette nicht ver-
wildere, welche die erſten Grundtriebe ſeiner Natur
mit unerbittlicher Haͤrte beſchraͤnkt, und mit eiſer-
nem Gewalt etwas anders aus ihm zu machen be-
ginnet, als das iſt, wozu ihm alle Triebe ſeiner
Natur mit uͤbereinſtimmender Gewalt unwillkuͤhr-
lich in ihm liegender Reize hinlocken.
Eine jede Luͤcke in der buͤrgerlichen Geſellſchaft
— ein jeder Anſtoß im geſellſchaftlichen Leben —
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/186>, abgerufen am 21.11.2024.
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