Sorge tragen -- wieder, wo die gemeine Landes- ehr zertreten, und am meisten, wo der Prozeßteu- fel eingerissen, und einer den andern leicht um das Seine bringt. -- An allen diesen Orten macht sich das Volck so wenig daraus zu stehlen, als es sich etwas daraus macht Brod zu essen.
Es ist zwar freylich nicht, daß es sich das sel- ber gestehe; es wäre wohl gut, man könnte sich dann darnach richten, und mit ihm darnach um- gehen -- aber sie haben ihren Katechismus im Kopf, und glauben im Allgemeinen ganz gut, das Stehlen sey nicht recht -- aber in jedem besondern Fall, wo sie den Anlas haben, finden sie denn alle- mal, dießmal und dießmal sey nicht so viel daran gelegen, und haben für einen jeden solchen Fall immer einen ganzen Karren voll Entschuldigungen, die ihnen genug thun, im Kopf und Herzen parat da sind, als diese: "Er hat mir auch gestohlen, oder wenn er könnte, würde er mir noch mehr stehlen" -- "Es ist mehr als gestohlen, wie er sein Gut zusammen gebracht" -- "Was mag ihm der Bet- tel schaden!" -- "Er verspielt mehr auf einer Karten" -- "Wenn ich ein gutes Mädchen wär, er gäb' mirs vergebens." Item: "Er ist ein ver- fluchter Bub, daß seines gleichen nicht ist -- es ist Sünde was man ihm thut" -- "Er kommt doch um seine Sachen, nehme ich sie ihm nicht, so nimmt sie ihm ein anderer." -- Wieder: "Ich
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Sorge tragen — wieder, wo die gemeine Landes- ehr zertreten, und am meiſten, wo der Prozeßteu- fel eingeriſſen, und einer den andern leicht um das Seine bringt. — An allen dieſen Orten macht ſich das Volck ſo wenig daraus zu ſtehlen, als es ſich etwas daraus macht Brod zu eſſen.
Es iſt zwar freylich nicht, daß es ſich das ſel- ber geſtehe; es waͤre wohl gut, man koͤnnte ſich dann darnach richten, und mit ihm darnach um- gehen — aber ſie haben ihren Katechiſmus im Kopf, und glauben im Allgemeinen ganz gut, das Stehlen ſey nicht recht — aber in jedem beſondern Fall, wo ſie den Anlas haben, finden ſie denn alle- mal, dießmal und dießmal ſey nicht ſo viel daran gelegen, und haben fuͤr einen jeden ſolchen Fall immer einen ganzen Karren voll Entſchuldigungen, die ihnen genug thun, im Kopf und Herzen parat da ſind, als dieſe: „Er hat mir auch geſtohlen, oder wenn er koͤnnte, wuͤrde er mir noch mehr ſtehlen“ — „Es iſt mehr als geſtohlen, wie er ſein Gut zuſammen gebracht“ — „Was mag ihm der Bet- tel ſchaden!“ — „Er verſpielt mehr auf einer Karten“ — „Wenn ich ein gutes Maͤdchen waͤr, er gaͤb' mirs vergebens.“ Item: „Er iſt ein ver- fluchter Bub, daß ſeines gleichen nicht iſt — es iſt Suͤnde was man ihm thut“ — „Er kommt doch um ſeine Sachen, nehme ich ſie ihm nicht, ſo nimmt ſie ihm ein anderer.“ — Wieder: „Ich
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Sorge tragen — wieder, wo die gemeine Landes-
ehr zertreten, und am meiſten, wo der Prozeßteu-
fel eingeriſſen, und einer den andern leicht um das
Seine bringt. — An allen dieſen Orten macht ſich
das Volck ſo wenig daraus zu ſtehlen, als es ſich
etwas daraus macht Brod zu eſſen.
Es iſt zwar freylich nicht, daß es ſich das ſel-
ber geſtehe; es waͤre wohl gut, man koͤnnte ſich
dann darnach richten, und mit ihm darnach um-
gehen — aber ſie haben ihren Katechiſmus im
Kopf, und glauben im Allgemeinen ganz gut, das
Stehlen ſey nicht recht — aber in jedem beſondern
Fall, wo ſie den Anlas haben, finden ſie denn alle-
mal, dießmal und dießmal ſey nicht ſo viel daran
gelegen, und haben fuͤr einen jeden ſolchen Fall
immer einen ganzen Karren voll Entſchuldigungen,
die ihnen genug thun, im Kopf und Herzen parat
da ſind, als dieſe: „Er hat mir auch geſtohlen, oder
wenn er koͤnnte, wuͤrde er mir noch mehr ſtehlen“
— „Es iſt mehr als geſtohlen, wie er ſein Gut
zuſammen gebracht“ — „Was mag ihm der Bet-
tel ſchaden!“ — „Er verſpielt mehr auf einer
Karten“ — „Wenn ich ein gutes Maͤdchen waͤr,
er gaͤb' mirs vergebens.“ Item: „Er iſt ein ver-
fluchter Bub, daß ſeines gleichen nicht iſt — es iſt
Suͤnde was man ihm thut“ — „Er kommt doch
um ſeine Sachen, nehme ich ſie ihm nicht, ſo
nimmt ſie ihm ein anderer.“ — Wieder: „Ich
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/199>, abgerufen am 21.11.2024.
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