Religionsmeynungen nicht günstig. Aber der Lin- denberger hatte sie seither ganz von ihrer Absön- derungsfrommkeit zum gottesfürchtigen Rechtthun des Lieutenants und zur Ueberzeugung hinüber ge- bracht, es sey besser, man mache ein ganzes Dorf brav, als ein paar Leute in einem Winkel; sie waren beyde herzgut, und auch da, wo sie noch ihrer Sekte blind anhiengen, lag treues, edles und reines Bestreben nach wahrer menschlicher Wahr- heit und Weisheit in ihrer Neigung für die Nebel- hülle ihrer Bruderschaftsmeynungen; also ruhet der stille Glanz des Monds im Schatten der Erde, aber der die Himmel wälzet, läßt den Schatten der Erde nicht ewig über dem Glanz des guten Mondes, der Schatten der Erde geht vorüber, und der Mond leuchtet sein Licht. -- Der Junker hatte erst nach seiner Krankheit vernommen, daß sie der Bruderschaft öffentlich abgesagt, und sich deutlich erklärt, sie müssen Gewissens halber zu denen stehen, die dem ganzen Dorf helfen wollen, und können sich durch keine Meynungen einschrän- ken und hindern lassen, dem Junker und dem Schulmeister zu helfen, die gleiche Sorgfalt gegen alle Gemeindsgenossen zu brauchen, die die Bru- derschaft nur gegen die Ihrigen brauche; und sie finden es izt nicht mehr recht, sich wie in einen Garten einzuzäunen, und da freylich für die ein- gezäunten Blümchen wohl zu sorgen, indessen aber
ganze
Religionsmeynungen nicht guͤnſtig. Aber der Lin- denberger hatte ſie ſeither ganz von ihrer Abſoͤn- derungsfrommkeit zum gottesfuͤrchtigen Rechtthun des Lieutenants und zur Ueberzeugung hinuͤber ge- bracht, es ſey beſſer, man mache ein ganzes Dorf brav, als ein paar Leute in einem Winkel; ſie waren beyde herzgut, und auch da, wo ſie noch ihrer Sekte blind anhiengen, lag treues, edles und reines Beſtreben nach wahrer menſchlicher Wahr- heit und Weisheit in ihrer Neigung fuͤr die Nebel- huͤlle ihrer Bruderſchaftsmeynungen; alſo ruhet der ſtille Glanz des Monds im Schatten der Erde, aber der die Himmel waͤlzet, laͤßt den Schatten der Erde nicht ewig uͤber dem Glanz des guten Mondes, der Schatten der Erde geht voruͤber, und der Mond leuchtet ſein Licht. — Der Junker hatte erſt nach ſeiner Krankheit vernommen, daß ſie der Bruderſchaft oͤffentlich abgeſagt, und ſich deutlich erklaͤrt, ſie muͤſſen Gewiſſens halber zu denen ſtehen, die dem ganzen Dorf helfen wollen, und koͤnnen ſich durch keine Meynungen einſchraͤn- ken und hindern laſſen, dem Junker und dem Schulmeiſter zu helfen, die gleiche Sorgfalt gegen alle Gemeindsgenoſſen zu brauchen, die die Bru- derſchaft nur gegen die Ihrigen brauche; und ſie finden es izt nicht mehr recht, ſich wie in einen Garten einzuzaͤunen, und da freylich fuͤr die ein- gezaͤunten Bluͤmchen wohl zu ſorgen, indeſſen aber
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[208/0226]
Religionsmeynungen nicht guͤnſtig. Aber der Lin-
denberger hatte ſie ſeither ganz von ihrer Abſoͤn-
derungsfrommkeit zum gottesfuͤrchtigen Rechtthun
des Lieutenants und zur Ueberzeugung hinuͤber ge-
bracht, es ſey beſſer, man mache ein ganzes Dorf
brav, als ein paar Leute in einem Winkel; ſie
waren beyde herzgut, und auch da, wo ſie noch
ihrer Sekte blind anhiengen, lag treues, edles und
reines Beſtreben nach wahrer menſchlicher Wahr-
heit und Weisheit in ihrer Neigung fuͤr die Nebel-
huͤlle ihrer Bruderſchaftsmeynungen; alſo ruhet der
ſtille Glanz des Monds im Schatten der Erde,
aber der die Himmel waͤlzet, laͤßt den Schatten
der Erde nicht ewig uͤber dem Glanz des guten
Mondes, der Schatten der Erde geht voruͤber,
und der Mond leuchtet ſein Licht. — Der Junker
hatte erſt nach ſeiner Krankheit vernommen, daß
ſie der Bruderſchaft oͤffentlich abgeſagt, und ſich
deutlich erklaͤrt, ſie muͤſſen Gewiſſens halber zu
denen ſtehen, die dem ganzen Dorf helfen wollen,
und koͤnnen ſich durch keine Meynungen einſchraͤn-
ken und hindern laſſen, dem Junker und dem
Schulmeiſter zu helfen, die gleiche Sorgfalt gegen
alle Gemeindsgenoſſen zu brauchen, die die Bru-
derſchaft nur gegen die Ihrigen brauche; und ſie
finden es izt nicht mehr recht, ſich wie in einen
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/226>, abgerufen am 21.11.2024.
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