Es war Niemand bis auf die kleinsten Kin- der, der nicht fand, er habe recht, und sie dörfen ihn in seiner lezten Stunde nicht kränken. -- Die Kinder baten den Rudi, weil sie sich izt nicht mehr lustig machen dörfen, um den goldenen und silber- nen Bienenkorb der Großmutter, daß sie auch et- was zur Freude haben, da sie doch müssen still seyn. -- Er gab ihn ihnen; eilte dann mit seiner Braut mit Tüchern und Bettzeug, und Essig, und allem, was sie im Hause hatten, und meynten, daß es ihm dienen könnte, zu dem Sterbenden, und blieben an ihrer Hochzeit bey ihm bis zwischen zwölf und ein Uhr, da er dann verschieden. -- Der Pfarrer blieb auch so lang, und drückte noch beym Weggehen dem armen Todten die Augen zu -- und dann ihnen beyden die Hände so warm und fromm und priesterlich, als heut am Morgen, da er sie einsegnete.
Q 3
Es war Niemand bis auf die kleinſten Kin- der, der nicht fand, er habe recht, und ſie doͤrfen ihn in ſeiner lezten Stunde nicht kraͤnken. — Die Kinder baten den Rudi, weil ſie ſich izt nicht mehr luſtig machen doͤrfen, um den goldenen und ſilber- nen Bienenkorb der Großmutter, daß ſie auch et- was zur Freude haben, da ſie doch muͤſſen ſtill ſeyn. — Er gab ihn ihnen; eilte dann mit ſeiner Braut mit Tuͤchern und Bettzeug, und Eſſig, und allem, was ſie im Hauſe hatten, und meynten, daß es ihm dienen koͤnnte, zu dem Sterbenden, und blieben an ihrer Hochzeit bey ihm bis zwiſchen zwoͤlf und ein Uhr, da er dann verſchieden. — Der Pfarrer blieb auch ſo lang, und druͤckte noch beym Weggehen dem armen Todten die Augen zu — und dann ihnen beyden die Haͤnde ſo warm und fromm und prieſterlich, als heut am Morgen, da er ſie einſegnete.
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Es war Niemand bis auf die kleinſten Kin-
der, der nicht fand, er habe recht, und ſie doͤrfen
ihn in ſeiner lezten Stunde nicht kraͤnken. — Die
Kinder baten den Rudi, weil ſie ſich izt nicht mehr
luſtig machen doͤrfen, um den goldenen und ſilber-
nen Bienenkorb der Großmutter, daß ſie auch et-
was zur Freude haben, da ſie doch muͤſſen ſtill
ſeyn. — Er gab ihn ihnen; eilte dann mit ſeiner
Braut mit Tuͤchern und Bettzeug, und Eſſig, und
allem, was ſie im Hauſe hatten, und meynten,
daß es ihm dienen koͤnnte, zu dem Sterbenden,
und blieben an ihrer Hochzeit bey ihm bis zwiſchen
zwoͤlf und ein Uhr, da er dann verſchieden. —
Der Pfarrer blieb auch ſo lang, und druͤckte noch
beym Weggehen dem armen Todten die Augen zu
— und dann ihnen beyden die Haͤnde ſo warm
und fromm und prieſterlich, als heut am Morgen,
da er ſie einſegnete.
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/263>, abgerufen am 21.11.2024.
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