aller Verwirrung ihrer äußern Umständen, die sie zu Dieben machen könnte, vor; aber er wußte da- bey, daß auch dieses nichts helfen würde, wenn sie nicht von früher Jugend auf zu einem ordentlichen bürgerlichen Beruf, und zu einem sichern Erwerb ihres Brods wohl angezogen würden.
Er stellte desnahen nicht einem jeden Narren- vater und einer jeden Narrenmutter frey, ob sie aus ihren Kindern Etwas oder Nichts machen wollen, und sagte gerade zu: er wisse nicht, was eine Obrigkeit im Land nütze, wenn alles Lumpen- volk das Recht habe, seine Kinder so aufwachsen zu lassen, und so zu verwahrlosen, daß sie zu kei- ner Art bürgerlichen Berufs und Brods-Erwerbs recht tüchtig, nicht anderst können, als ihre Na- turbedürfnisse aussert dem Gleis der bürgerlichen Ordnung befriedigen zu suchen, und also so viel als nothwendig ein Lumpen- und Schelmenvolk abgeben müssen. Er wollte es nicht so; er ließ sich von allen Hausvätern, so bald ihre Kinder 7 Jahr erreicht haben, Antwort geben, was sie aus ihnen machen wollen; und der Dorfrath mußte jährlich Erläuterung geben, wie die Erziehung ei- nes jeden Kindes dem Endzwecke, den seine Aeltern mit ihm haben, entspreche oder nicht? Das Licht und die Heiterkeit, die er in die Hausumstände sei- ner Bonnaler hineingebracht, hinderte dann den Diebstahl mit Kraft. Es sah izt ein jeder in allen
aller Verwirrung ihrer aͤußern Umſtaͤnden, die ſie zu Dieben machen koͤnnte, vor; aber er wußte da- bey, daß auch dieſes nichts helfen wuͤrde, wenn ſie nicht von fruͤher Jugend auf zu einem ordentlichen buͤrgerlichen Beruf, und zu einem ſichern Erwerb ihres Brods wohl angezogen wuͤrden.
Er ſtellte desnahen nicht einem jeden Narren- vater und einer jeden Narrenmutter frey, ob ſie aus ihren Kindern Etwas oder Nichts machen wollen, und ſagte gerade zu: er wiſſe nicht, was eine Obrigkeit im Land nuͤtze, wenn alles Lumpen- volk das Recht habe, ſeine Kinder ſo aufwachſen zu laſſen, und ſo zu verwahrloſen, daß ſie zu kei- ner Art buͤrgerlichen Berufs und Brods-Erwerbs recht tuͤchtig, nicht anderſt koͤnnen, als ihre Na- turbeduͤrfniſſe auſſert dem Gleis der buͤrgerlichen Ordnung befriedigen zu ſuchen, und alſo ſo viel als nothwendig ein Lumpen- und Schelmenvolk abgeben muͤſſen. Er wollte es nicht ſo; er ließ ſich von allen Hausvaͤtern, ſo bald ihre Kinder 7 Jahr erreicht haben, Antwort geben, was ſie aus ihnen machen wollen; und der Dorfrath mußte jaͤhrlich Erlaͤuterung geben, wie die Erziehung ei- nes jeden Kindes dem Endzwecke, den ſeine Aeltern mit ihm haben, entſpreche oder nicht? Das Licht und die Heiterkeit, die er in die Hausumſtaͤnde ſei- ner Bonnaler hineingebracht, hinderte dann den Diebſtahl mit Kraft. Es ſah izt ein jeder in allen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0317"n="299"/>
aller Verwirrung ihrer aͤußern Umſtaͤnden, die ſie<lb/>
zu Dieben machen koͤnnte, vor; aber er wußte da-<lb/>
bey, daß auch dieſes nichts helfen wuͤrde, wenn ſie<lb/>
nicht von fruͤher Jugend auf zu einem ordentlichen<lb/>
buͤrgerlichen Beruf, und zu einem ſichern Erwerb<lb/>
ihres Brods wohl angezogen wuͤrden.</p><lb/><p>Er ſtellte desnahen nicht einem jeden Narren-<lb/>
vater und einer jeden Narrenmutter frey, ob ſie<lb/>
aus ihren Kindern Etwas oder Nichts machen<lb/>
wollen, und ſagte gerade zu: er wiſſe nicht, was<lb/>
eine Obrigkeit im Land nuͤtze, wenn alles Lumpen-<lb/>
volk das Recht habe, ſeine Kinder ſo aufwachſen<lb/>
zu laſſen, und ſo zu verwahrloſen, daß ſie zu kei-<lb/>
ner Art buͤrgerlichen Berufs und Brods-Erwerbs<lb/>
recht tuͤchtig, nicht anderſt koͤnnen, als ihre Na-<lb/>
turbeduͤrfniſſe auſſert dem Gleis der buͤrgerlichen<lb/>
Ordnung befriedigen zu ſuchen, und alſo ſo viel<lb/>
als nothwendig ein Lumpen- und Schelmenvolk<lb/>
abgeben muͤſſen. Er wollte es nicht ſo; er ließ<lb/>ſich von allen Hausvaͤtern, ſo bald ihre Kinder 7<lb/>
Jahr erreicht haben, Antwort geben, was ſie aus<lb/>
ihnen machen wollen; und der Dorfrath mußte<lb/>
jaͤhrlich Erlaͤuterung geben, wie die Erziehung ei-<lb/>
nes jeden Kindes dem Endzwecke, den ſeine Aeltern<lb/>
mit ihm haben, entſpreche oder nicht? Das Licht<lb/>
und die Heiterkeit, die er in die Hausumſtaͤnde ſei-<lb/>
ner Bonnaler hineingebracht, hinderte dann den<lb/>
Diebſtahl mit Kraft. Es ſah izt ein jeder in allen<lb/></p></div></body></text></TEI>
[299/0317]
aller Verwirrung ihrer aͤußern Umſtaͤnden, die ſie
zu Dieben machen koͤnnte, vor; aber er wußte da-
bey, daß auch dieſes nichts helfen wuͤrde, wenn ſie
nicht von fruͤher Jugend auf zu einem ordentlichen
buͤrgerlichen Beruf, und zu einem ſichern Erwerb
ihres Brods wohl angezogen wuͤrden.
Er ſtellte desnahen nicht einem jeden Narren-
vater und einer jeden Narrenmutter frey, ob ſie
aus ihren Kindern Etwas oder Nichts machen
wollen, und ſagte gerade zu: er wiſſe nicht, was
eine Obrigkeit im Land nuͤtze, wenn alles Lumpen-
volk das Recht habe, ſeine Kinder ſo aufwachſen
zu laſſen, und ſo zu verwahrloſen, daß ſie zu kei-
ner Art buͤrgerlichen Berufs und Brods-Erwerbs
recht tuͤchtig, nicht anderſt koͤnnen, als ihre Na-
turbeduͤrfniſſe auſſert dem Gleis der buͤrgerlichen
Ordnung befriedigen zu ſuchen, und alſo ſo viel
als nothwendig ein Lumpen- und Schelmenvolk
abgeben muͤſſen. Er wollte es nicht ſo; er ließ
ſich von allen Hausvaͤtern, ſo bald ihre Kinder 7
Jahr erreicht haben, Antwort geben, was ſie aus
ihnen machen wollen; und der Dorfrath mußte
jaͤhrlich Erlaͤuterung geben, wie die Erziehung ei-
nes jeden Kindes dem Endzwecke, den ſeine Aeltern
mit ihm haben, entſpreche oder nicht? Das Licht
und die Heiterkeit, die er in die Hausumſtaͤnde ſei-
ner Bonnaler hineingebracht, hinderte dann den
Diebſtahl mit Kraft. Es ſah izt ein jeder in allen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/317>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.