den selber, die wilde Schweinordnung, die so oft Tod und Mordschlag veranlasset, mache sie zu ehr- losen Leuten. Und durch diese Abrede veranlasset, verbanden sich die jungen Leute auf beyden Seiten zu einem Ehrenstand, und wurden, indem sich die Gefühle ihres Alters von Muth und Ehre unter diesen Umständen in ihnen immer mehr entwickeln mußten, sich selber, in Absicht auf den Geschlechts- trieb, die besten Wächter unter einander.
So leicht Arner ihnen im Gleis der bürgerli- chen Ordnung die Ehe machte, so fest band er sie an dieselbe. Von Jugend auf erlernten sie die Be- griffe, sie müssen die Ehe verdienen wie ihr Brod. Im Schulbuch ihrer Kindheit lernten sie schon, was eine Haushaltung koste, und was sie in ge- sunden und kranken Tagen für ein großes Maul habe? Aber nicht minder, wie ein jeder Mensch von seinem siebenden Jahr an zu diesen nothwen- digen Ausgaben sich vorbereiten, und wie viel er bis in sein zwanzigstes Jahr dazu ersparen und beyseits legen könne, wenn er es recht anstelle. Schon im vierten Jahr spielten die Mädchen in Bonnal mit ihren Puppen, und später mit ihren kleinern Geschwisterten auf der Gasse und in der Stube die Hausmütter, und der Knaben erstes Spiel war der Hausvater, der seinen Buben sag- te, wie er ein rechter Bub seyn müsse, und ein rechter Mann werden könne! Wenn ein Kind 7
den ſelber, die wilde Schweinordnung, die ſo oft Tod und Mordſchlag veranlaſſet, mache ſie zu ehr- loſen Leuten. Und durch dieſe Abrede veranlaſſet, verbanden ſich die jungen Leute auf beyden Seiten zu einem Ehrenſtand, und wurden, indem ſich die Gefuͤhle ihres Alters von Muth und Ehre unter dieſen Umſtaͤnden in ihnen immer mehr entwickeln mußten, ſich ſelber, in Abſicht auf den Geſchlechts- trieb, die beſten Waͤchter unter einander.
So leicht Arner ihnen im Gleis der buͤrgerli- chen Ordnung die Ehe machte, ſo feſt band er ſie an dieſelbe. Von Jugend auf erlernten ſie die Be- griffe, ſie muͤſſen die Ehe verdienen wie ihr Brod. Im Schulbuch ihrer Kindheit lernten ſie ſchon, was eine Haushaltung koſte, und was ſie in ge- ſunden und kranken Tagen fuͤr ein großes Maul habe? Aber nicht minder, wie ein jeder Menſch von ſeinem ſiebenden Jahr an zu dieſen nothwen- digen Ausgaben ſich vorbereiten, und wie viel er bis in ſein zwanzigſtes Jahr dazu erſparen und beyſeits legen koͤnne, wenn er es recht anſtelle. Schon im vierten Jahr ſpielten die Maͤdchen in Bonnal mit ihren Puppen, und ſpaͤter mit ihren kleinern Geſchwiſterten auf der Gaſſe und in der Stube die Hausmuͤtter, und der Knaben erſtes Spiel war der Hausvater, der ſeinen Buben ſag- te, wie er ein rechter Bub ſeyn muͤſſe, und ein rechter Mann werden koͤnne! Wenn ein Kind 7
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den ſelber, die wilde Schweinordnung, die ſo oft
Tod und Mordſchlag veranlaſſet, mache ſie zu ehr-
loſen Leuten. Und durch dieſe Abrede veranlaſſet,
verbanden ſich die jungen Leute auf beyden Seiten
zu einem Ehrenſtand, und wurden, indem ſich die
Gefuͤhle ihres Alters von Muth und Ehre unter
dieſen Umſtaͤnden in ihnen immer mehr entwickeln
mußten, ſich ſelber, in Abſicht auf den Geſchlechts-
trieb, die beſten Waͤchter unter einander.
So leicht Arner ihnen im Gleis der buͤrgerli-
chen Ordnung die Ehe machte, ſo feſt band er ſie
an dieſelbe. Von Jugend auf erlernten ſie die Be-
griffe, ſie muͤſſen die Ehe verdienen wie ihr Brod.
Im Schulbuch ihrer Kindheit lernten ſie ſchon,
was eine Haushaltung koſte, und was ſie in ge-
ſunden und kranken Tagen fuͤr ein großes Maul
habe? Aber nicht minder, wie ein jeder Menſch
von ſeinem ſiebenden Jahr an zu dieſen nothwen-
digen Ausgaben ſich vorbereiten, und wie viel er
bis in ſein zwanzigſtes Jahr dazu erſparen und
beyſeits legen koͤnne, wenn er es recht anſtelle.
Schon im vierten Jahr ſpielten die Maͤdchen in
Bonnal mit ihren Puppen, und ſpaͤter mit ihren
kleinern Geſchwiſterten auf der Gaſſe und in der
Stube die Hausmuͤtter, und der Knaben erſtes
Spiel war der Hausvater, der ſeinen Buben ſag-
te, wie er ein rechter Bub ſeyn muͤſſe, und ein
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/330>, abgerufen am 21.11.2024.
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