mit einem jeden allein; und that er es, so that er es nichts weniger als ununterbrochen, sondern wandte sich mitten in seinen einfachen Volksreden bald an diesen, bald an jenen, trat mit ihm auf die natürlichste Art ins Gespräch ein, wie ein Haus- vater, wann er mit seinen Hausgenossen redet. -- Er stellte Männer auf, die in Feld oder Vieh Un- glück gehabt -- Mutter, deren Kinder, und Kin- der, deren Mütter gestorben -- Mit einem Wort, er nüzte die Vorfälle der Zeit, und die Umstände, die Eindruck auf einzelne Menschen in der Gemeinde gemacht. Diese Eindrücke zu berichtigen, zu ver- edeln und gemein zu machen, Weisheit, Gottes- furcht, und Gottes Ergebenheit, durch die Kraft derselben in seinem Volk immer mehr auszu- breiten.
Er meynte nichts weniger, als daß es etwas Feyerliches und Großes sey, auf der Kanzel allein zu reden; es dünkte ihn vielmehr, es sey unnatür- lich, und zeige vielweniger Verstand, als wenn man im Stand sey, das, so man sagt, dem Volk so an- zubringen, daß es im Augenblick selber ins Gespräch eintrete, und dem Lehrer Schritt für Schritt in dem, was er mit ihm redt, Fuß halten kann. Er glaubte, das sey das Siegel und Zeichen der wahren Kräften eines Volkslehrers, und das ächte Fundament aller wahre Volkserbauung. --
mit einem jeden allein; und that er es, ſo that er es nichts weniger als ununterbrochen, ſondern wandte ſich mitten in ſeinen einfachen Volksreden bald an dieſen, bald an jenen, trat mit ihm auf die natuͤrlichſte Art ins Geſpraͤch ein, wie ein Haus- vater, wann er mit ſeinen Hausgenoſſen redet. — Er ſtellte Maͤnner auf, die in Feld oder Vieh Un- gluͤck gehabt — Mutter, deren Kinder, und Kin- der, deren Muͤtter geſtorben — Mit einem Wort, er nuͤzte die Vorfaͤlle der Zeit, und die Umſtaͤnde, die Eindruck auf einzelne Menſchen in der Gemeinde gemacht. Dieſe Eindruͤcke zu berichtigen, zu ver- edeln und gemein zu machen, Weisheit, Gottes- furcht, und Gottes Ergebenheit, durch die Kraft derſelben in ſeinem Volk immer mehr auszu- breiten.
Er meynte nichts weniger, als daß es etwas Feyerliches und Großes ſey, auf der Kanzel allein zu reden; es duͤnkte ihn vielmehr, es ſey unnatuͤr- lich, und zeige vielweniger Verſtand, als wenn man im Stand ſey, das, ſo man ſagt, dem Volk ſo an- zubringen, daß es im Augenblick ſelber ins Geſpraͤch eintrete, und dem Lehrer Schritt fuͤr Schritt in dem, was er mit ihm redt, Fuß halten kann. Er glaubte, das ſey das Siegel und Zeichen der wahren Kraͤften eines Volkslehrers, und das aͤchte Fundament aller wahre Volkserbauung. —
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mit einem jeden allein; und that er es, ſo that er
es nichts weniger als ununterbrochen, ſondern
wandte ſich mitten in ſeinen einfachen Volksreden
bald an dieſen, bald an jenen, trat mit ihm auf
die natuͤrlichſte Art ins Geſpraͤch ein, wie ein Haus-
vater, wann er mit ſeinen Hausgenoſſen redet. —
Er ſtellte Maͤnner auf, die in Feld oder Vieh Un-
gluͤck gehabt — Mutter, deren Kinder, und Kin-
der, deren Muͤtter geſtorben — Mit einem Wort,
er nuͤzte die Vorfaͤlle der Zeit, und die Umſtaͤnde,
die Eindruck auf einzelne Menſchen in der Gemeinde
gemacht. Dieſe Eindruͤcke zu berichtigen, zu ver-
edeln und gemein zu machen, Weisheit, Gottes-
furcht, und Gottes Ergebenheit, durch die Kraft
derſelben in ſeinem Volk immer mehr auszu-
breiten.
Er meynte nichts weniger, als daß es etwas
Feyerliches und Großes ſey, auf der Kanzel allein
zu reden; es duͤnkte ihn vielmehr, es ſey unnatuͤr-
lich, und zeige vielweniger Verſtand, als wenn man
im Stand ſey, das, ſo man ſagt, dem Volk ſo an-
zubringen, daß es im Augenblick ſelber ins Geſpraͤch
eintrete, und dem Lehrer Schritt fuͤr Schritt in
dem, was er mit ihm redt, Fuß halten kann.
Er glaubte, das ſey das Siegel und Zeichen der
wahren Kraͤften eines Volkslehrers, und das aͤchte
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/365>, abgerufen am 21.11.2024.
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