heiten verleiten lasse. En Geistlicher sagte, im Himmel, im Himmel! da sehen wir den heiligen Engeln dann gleich; aber auf Erden, sezte der Priester hinzu, gehört der Bauer ins Koth, und die Obrigkeit hat das Recht zu fischen und zu jagen. Ein Philosoph meynte, es könnte nicht anderst seyn, es müßte kommen wie in der verkehrten Welt, wo der Esel dem Herrn den Bart puzt -- Baronen und Grafen, wenn sie lümpelen, müßten so Bauern werden; und Bauern, die schakkerten, könnten Baronen und Grafen werden, und man könnte dann keine Dienst mehr finden.
Es ist dumm, sagte ein anderer, das ist ja, wie wenn das Menschengeschlecht in der Welt zu spinnen und zu weben wäre, es ist viel zu edel dafür. --
Just umgekehrt, sagte ein anderer, wenn das Menschengeschlecht edel wär, so könnte man wohl so etwas mit ihm probieren, aber Gott behüte uns vor seinem Adel -- die Quelle alles dieses Narrenpro- bierens ist just, daß man das glaubt, und das natür- liche Verderben der Menschen nicht erkennen will; aber man gehe nur aufs Dorf, setzte er hinzu, und pro- biere, wer einem danke, wenn man ihm etwas Gu- tes rathen will, ich habe es erfahren, ich habe auch Projekte gemacht, und es gewiß gut gemeynt -- aber der Mensch ist im Grund verderbt, und nimmt das Gute nicht einmal an, wenn man ihm es noch so deutlich sagt, und so zu reden, umsonst zeigen will.
heiten verleiten laſſe. En Geiſtlicher ſagte, im Himmel, im Himmel! da ſehen wir den heiligen Engeln dann gleich; aber auf Erden, ſezte der Prieſter hinzu, gehoͤrt der Bauer ins Koth, und die Obrigkeit hat das Recht zu fiſchen und zu jagen. Ein Philoſoph meynte, es koͤnnte nicht anderſt ſeyn, es muͤßte kommen wie in der verkehrten Welt, wo der Eſel dem Herrn den Bart puzt — Baronen und Grafen, wenn ſie luͤmpelen, muͤßten ſo Bauern werden; und Bauern, die ſchakkerten, koͤnnten Baronen und Grafen werden, und man koͤnnte dann keine Dienſt mehr finden.
Es iſt dumm, ſagte ein anderer, das iſt ja, wie wenn das Menſchengeſchlecht in der Welt zu ſpinnen und zu weben waͤre, es iſt viel zu edel dafuͤr. —
Juſt umgekehrt, ſagte ein anderer, wenn das Menſchengeſchlecht edel waͤr, ſo koͤnnte man wohl ſo etwas mit ihm probieren, aber Gott behuͤte uns vor ſeinem Adel — die Quelle alles dieſes Narrenpro- bierens iſt juſt, daß man das glaubt, und das natuͤr- liche Verderben der Menſchen nicht erkennen will; aber man gehe nur aufs Dorf, ſetzte er hinzu, und pro- biere, wer einem danke, wenn man ihm etwas Gu- tes rathen will, ich habe es erfahren, ich habe auch Projekte gemacht, und es gewiß gut gemeynt — aber der Menſch iſt im Grund verderbt, und nimmt das Gute nicht einmal an, wenn man ihm es noch ſo deutlich ſagt, und ſo zu reden, umſonſt zeigen will.
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heiten verleiten laſſe. En Geiſtlicher ſagte, im
Himmel, im Himmel! da ſehen wir den heiligen
Engeln dann gleich; aber auf Erden, ſezte der
Prieſter hinzu, gehoͤrt der Bauer ins Koth, und die
Obrigkeit hat das Recht zu fiſchen und zu jagen.
Ein Philoſoph meynte, es koͤnnte nicht anderſt
ſeyn, es muͤßte kommen wie in der verkehrten Welt,
wo der Eſel dem Herrn den Bart puzt — Baronen
und Grafen, wenn ſie luͤmpelen, muͤßten ſo Bauern
werden; und Bauern, die ſchakkerten, koͤnnten
Baronen und Grafen werden, und man koͤnnte
dann keine Dienſt mehr finden.
Es iſt dumm, ſagte ein anderer, das iſt ja, wie
wenn das Menſchengeſchlecht in der Welt zu ſpinnen
und zu weben waͤre, es iſt viel zu edel dafuͤr. —
Juſt umgekehrt, ſagte ein anderer, wenn das
Menſchengeſchlecht edel waͤr, ſo koͤnnte man wohl ſo
etwas mit ihm probieren, aber Gott behuͤte uns vor
ſeinem Adel — die Quelle alles dieſes Narrenpro-
bierens iſt juſt, daß man das glaubt, und das natuͤr-
liche Verderben der Menſchen nicht erkennen will;
aber man gehe nur aufs Dorf, ſetzte er hinzu, und pro-
biere, wer einem danke, wenn man ihm etwas Gu-
tes rathen will, ich habe es erfahren, ich habe auch
Projekte gemacht, und es gewiß gut gemeynt — aber
der Menſch iſt im Grund verderbt, und nimmt das
Gute nicht einmal an, wenn man ihm es noch ſo
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/410>, abgerufen am 22.11.2024.
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