lich. -- Der Postknecht jagte, sie waren in der halben Zeit dort, und in der ersten Stunde hatte der Lieutenant schon 12 Kinder aus der Waisen- stube ausgesucht, sie einer Spinnerin übergeben, an ihre Räder gesezt, und fieng nun an mit einem nach dem andern zu reden, dann mit allen, dann ihnen etwas vorzusprechen, das sie ihm nachsagen mußten. Am gleichen Abend brachte er sie noch dahin, einige Zahlen Reyhen bis auf 50 -- zu 3 -- und zu 4 -- und zu 5 -- hoch zurück und vor- wärts zu zählen -- und das alles bey ihrem Spin- nen -- das aber freylich im Anfang nicht ganz or- dentlich gehen wollte. -- In der gleichen Stunde suchte der Baumwollen-Meyer im Zuchthaus 10 Männer aus, von denen er glaubte, sie seyen im Stande weben zu lernen; er fand zwey vollkom- mene Weber, die als Contrebandiers aus dem be- nachbarten Fürstenthum mit verbotener Tuchwaare ergriffen, eingesezt worden; diese beredete er bald, mit ihm Hand ans Werk zu legen, und die zehn Männer, die auf ihren Stühlen vor Hofnung der Erlösung zitterten, das Handwerk zu lernen. -- Sie fanden im Dorf, und zum Theil im Zucht- haus selber, Stühle, Geschirr, Zettel, und Spuh- ler genug -- vor Abend war das alles in Ord- nung.
Eben so bald fieng Arner an, die Geschichte der Gefangenen aufzunehmen, und hauptsächlich
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lich. — Der Poſtknecht jagte, ſie waren in der halben Zeit dort, und in der erſten Stunde hatte der Lieutenant ſchon 12 Kinder aus der Waiſen- ſtube ausgeſucht, ſie einer Spinnerin uͤbergeben, an ihre Raͤder geſezt, und fieng nun an mit einem nach dem andern zu reden, dann mit allen, dann ihnen etwas vorzuſprechen, das ſie ihm nachſagen mußten. Am gleichen Abend brachte er ſie noch dahin, einige Zahlen Reyhen bis auf 50 — zu 3 — und zu 4 — und zu 5 — hoch zuruͤck und vor- waͤrts zu zaͤhlen — und das alles bey ihrem Spin- nen — das aber freylich im Anfang nicht ganz or- dentlich gehen wollte. — In der gleichen Stunde ſuchte der Baumwollen-Meyer im Zuchthaus 10 Maͤnner aus, von denen er glaubte, ſie ſeyen im Stande weben zu lernen; er fand zwey vollkom- mene Weber, die als Contrebandiers aus dem be- nachbarten Fuͤrſtenthum mit verbotener Tuchwaare ergriffen, eingeſezt worden; dieſe beredete er bald, mit ihm Hand ans Werk zu legen, und die zehn Maͤnner, die auf ihren Stuͤhlen vor Hofnung der Erloͤſung zitterten, das Handwerk zu lernen. — Sie fanden im Dorf, und zum Theil im Zucht- haus ſelber, Stuͤhle, Geſchirr, Zettel, und Spuh- ler genug — vor Abend war das alles in Ord- nung.
Eben ſo bald fieng Arner an, die Geſchichte der Gefangenen aufzunehmen, und hauptſaͤchlich
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lich. — Der Poſtknecht jagte, ſie waren in der
halben Zeit dort, und in der erſten Stunde hatte
der Lieutenant ſchon 12 Kinder aus der Waiſen-
ſtube ausgeſucht, ſie einer Spinnerin uͤbergeben,
an ihre Raͤder geſezt, und fieng nun an mit einem
nach dem andern zu reden, dann mit allen, dann
ihnen etwas vorzuſprechen, das ſie ihm nachſagen
mußten. Am gleichen Abend brachte er ſie noch
dahin, einige Zahlen Reyhen bis auf 50 — zu 3 —
und zu 4 — und zu 5 — hoch zuruͤck und vor-
waͤrts zu zaͤhlen — und das alles bey ihrem Spin-
nen — das aber freylich im Anfang nicht ganz or-
dentlich gehen wollte. — In der gleichen Stunde
ſuchte der Baumwollen-Meyer im Zuchthaus 10
Maͤnner aus, von denen er glaubte, ſie ſeyen im
Stande weben zu lernen; er fand zwey vollkom-
mene Weber, die als Contrebandiers aus dem be-
nachbarten Fuͤrſtenthum mit verbotener Tuchwaare
ergriffen, eingeſezt worden; dieſe beredete er bald,
mit ihm Hand ans Werk zu legen, und die zehn
Maͤnner, die auf ihren Stuͤhlen vor Hofnung der
Erloͤſung zitterten, das Handwerk zu lernen. —
Sie fanden im Dorf, und zum Theil im Zucht-
haus ſelber, Stuͤhle, Geſchirr, Zettel, und Spuh-
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nung.
Eben ſo bald fieng Arner an, die Geſchichte
der Gefangenen aufzunehmen, und hauptſaͤchlich
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 481. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/499>, abgerufen am 23.11.2024.
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