seiner sinkenden Hand, und konnte ihn ihr fast nicht geben. --
Hätt' mich, hätt' mich, erwiederte Er, -- und seine Augen starrten -- hätt' mich nur ein Hund gebissen, aber es nagt ein schlimmers Thier an meinem Herzen. --
So ein Wort hatte Arner in seinem Leben nicht geredt; auch erschrack Therese mehr darob, als sie ob einem Donnerschlag, die sie doch fürch- tete, erschrocken wäre. Sie sah, daß Er aufs Aeußerste getrieben, und dem Ausbruch einer Krank- heit nahe sey, und stammelte mehr, als sie sagte: "Geh doch ins Bett, wann du heimkommst, du bist krank --!"
Immer noch so innig herzgut, sagte Er, sie würden dann meynen, es wäre eine Schalkheit um des Hunds willen. --
Da sie gegen die Linde kamen, stund Sylvia vor ihren Augen von der Bank auf und gieng fort. Das that Arnern von neuem weh. -- Da Er auf sein Zimmer kam, legte er seinen Kopf auf sein Pult ab. Alles, was heute begegnet war, stund ihm wie ein Gemählde vor seinen Augen -- und Sylvia war der Anfang und das Ende von allem, was ihm vor Augen stund, sein Blut wallte, und sein In- nerstes empörte sich immer stärker, je mehr er sie vor Augen sah. Es überfiel ihn ein Frost, daß
ſeiner ſinkenden Hand, und konnte ihn ihr faſt nicht geben. —
Haͤtt' mich, haͤtt' mich, erwiederte Er, — und ſeine Augen ſtarrten — haͤtt' mich nur ein Hund gebiſſen, aber es nagt ein ſchlimmers Thier an meinem Herzen. —
So ein Wort hatte Arner in ſeinem Leben nicht geredt; auch erſchrack Thereſe mehr darob, als ſie ob einem Donnerſchlag, die ſie doch fuͤrch- tete, erſchrocken waͤre. Sie ſah, daß Er aufs Aeußerſte getrieben, und dem Ausbruch einer Krank- heit nahe ſey, und ſtammelte mehr, als ſie ſagte: „Geh doch ins Bett, wann du heimkommſt, du biſt krank —!„
Immer noch ſo innig herzgut, ſagte Er, ſie wuͤrden dann meynen, es waͤre eine Schalkheit um des Hunds willen. —
Da ſie gegen die Linde kamen, ſtund Sylvia vor ihren Augen von der Bank auf und gieng fort. Das that Arnern von neuem weh. — Da Er auf ſein Zimmer kam, legte er ſeinen Kopf auf ſein Pult ab. Alles, was heute begegnet war, ſtund ihm wie ein Gemaͤhlde vor ſeinen Augen — und Sylvia war der Anfang und das Ende von allem, was ihm vor Augen ſtund, ſein Blut wallte, und ſein In- nerſtes empoͤrte ſich immer ſtaͤrker, je mehr er ſie vor Augen ſah. Es uͤberfiel ihn ein Froſt, daß
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ſeiner ſinkenden Hand, und konnte ihn ihr faſt nicht
geben. —
Haͤtt' mich, haͤtt' mich, erwiederte Er, —
und ſeine Augen ſtarrten — haͤtt' mich nur ein
Hund gebiſſen, aber es nagt ein ſchlimmers Thier
an meinem Herzen. —
So ein Wort hatte Arner in ſeinem Leben
nicht geredt; auch erſchrack Thereſe mehr darob,
als ſie ob einem Donnerſchlag, die ſie doch fuͤrch-
tete, erſchrocken waͤre. Sie ſah, daß Er aufs
Aeußerſte getrieben, und dem Ausbruch einer Krank-
heit nahe ſey, und ſtammelte mehr, als ſie ſagte:
„Geh doch ins Bett, wann du heimkommſt, du
biſt krank —!„
Immer noch ſo innig herzgut, ſagte Er, ſie
wuͤrden dann meynen, es waͤre eine Schalkheit um
des Hunds willen. —
Da ſie gegen die Linde kamen, ſtund Sylvia
vor ihren Augen von der Bank auf und gieng fort.
Das that Arnern von neuem weh. — Da Er auf
ſein Zimmer kam, legte er ſeinen Kopf auf ſein Pult
ab. Alles, was heute begegnet war, ſtund ihm wie
ein Gemaͤhlde vor ſeinen Augen — und Sylvia
war der Anfang und das Ende von allem, was ihm
vor Augen ſtund, ſein Blut wallte, und ſein In-
nerſtes empoͤrte ſich immer ſtaͤrker, je mehr er ſie
vor Augen ſah. Es uͤberfiel ihn ein Froſt, daß
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/59>, abgerufen am 30.11.2024.
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