Sauerteig sey noch nichts weniger als todt -- es brauche nur Wasser daran zu schütten, so gehe er wieder in allen Ecken auf -- und es seyen noch gar viele Leute, und zwar von den ersten im Dorf die darnach hungern und dürsten, etwas wider die neue Ordnung auszuspühren, und bey so neuen unreifen Einrichtungen könne man nie wissen, wie weit die kleinsten Umstände, die widrig seyen, langen können" -- Diese Seite des Briefs machte sie izt die andere völlig wieder vergessen. -- Es dünkte sie izt vollends nichts anders als bloße Groß- sprecherey, was vom Lieutenant darinn gesagt sey, und alles unvernünftig übertrieben -- sie konnte auch nicht begreifen, wie sie, da sie den Brief noch in der Hand gehabt, und er noch nicht verbrannt gewesen, darüber so habe in die Hitze kommen kön- nen. -- etc.
Es macht zwar einen Unterschied, aber es ist doch wunderbar, das gleiche mit dem Papierver- brennen ist schon Herren und Obrigkeiten, die sich gar nicht zu einer solchen Jungfer rechnen ließen, begegnet, daß sie, wann sie ganz im Eifer Papier verbrennt oder verbrennen lassen, dann auch so, fast ehe die Asche davon unter dem Staatshaus recht kalt geworden, wieder, nicht anderst als die Jung- fer mit dem verbrannten Finger, auch zu sich selber gekommen, und dann auch nicht haben begreifen können, wie sie über diese Papiere, ehe sie verbrennt
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Sauerteig ſey noch nichts weniger als todt — es brauche nur Waſſer daran zu ſchuͤtten, ſo gehe er wieder in allen Ecken auf — und es ſeyen noch gar viele Leute, und zwar von den erſten im Dorf die darnach hungern und duͤrſten, etwas wider die neue Ordnung auszuſpuͤhren, und bey ſo neuen unreifen Einrichtungen koͤnne man nie wiſſen, wie weit die kleinſten Umſtaͤnde, die widrig ſeyen, langen koͤnnen„ — Dieſe Seite des Briefs machte ſie izt die andere voͤllig wieder vergeſſen. — Es duͤnkte ſie izt vollends nichts anders als bloße Groß- ſprecherey, was vom Lieutenant darinn geſagt ſey, und alles unvernuͤnftig uͤbertrieben — ſie konnte auch nicht begreifen, wie ſie, da ſie den Brief noch in der Hand gehabt, und er noch nicht verbrannt geweſen, daruͤber ſo habe in die Hitze kommen koͤn- nen. — ꝛc.
Es macht zwar einen Unterſchied, aber es iſt doch wunderbar, das gleiche mit dem Papierver- brennen iſt ſchon Herren und Obrigkeiten, die ſich gar nicht zu einer ſolchen Jungfer rechnen ließen, begegnet, daß ſie, wann ſie ganz im Eifer Papier verbrennt oder verbrennen laſſen, dann auch ſo, faſt ehe die Aſche davon unter dem Staatshaus recht kalt geworden, wieder, nicht anderſt als die Jung- fer mit dem verbrannten Finger, auch zu ſich ſelber gekommen, und dann auch nicht haben begreifen koͤnnen, wie ſie uͤber dieſe Papiere, ehe ſie verbrennt
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Sauerteig ſey noch nichts weniger als todt — es
brauche nur Waſſer daran zu ſchuͤtten, ſo gehe er
wieder in allen Ecken auf — und es ſeyen noch gar
viele Leute, und zwar von den erſten im Dorf die
darnach hungern und duͤrſten, etwas wider die neue
Ordnung auszuſpuͤhren, und bey ſo neuen unreifen
Einrichtungen koͤnne man nie wiſſen, wie weit
die kleinſten Umſtaͤnde, die widrig ſeyen, langen
koͤnnen„ — Dieſe Seite des Briefs machte
ſie izt die andere voͤllig wieder vergeſſen. — Es
duͤnkte ſie izt vollends nichts anders als bloße Groß-
ſprecherey, was vom Lieutenant darinn geſagt ſey,
und alles unvernuͤnftig uͤbertrieben — ſie konnte
auch nicht begreifen, wie ſie, da ſie den Brief noch
in der Hand gehabt, und er noch nicht verbrannt
geweſen, daruͤber ſo habe in die Hitze kommen koͤn-
nen. — ꝛc.
Es macht zwar einen Unterſchied, aber es iſt
doch wunderbar, das gleiche mit dem Papierver-
brennen iſt ſchon Herren und Obrigkeiten, die ſich
gar nicht zu einer ſolchen Jungfer rechnen ließen,
begegnet, daß ſie, wann ſie ganz im Eifer Papier
verbrennt oder verbrennen laſſen, dann auch ſo, faſt
ehe die Aſche davon unter dem Staatshaus recht
kalt geworden, wieder, nicht anderſt als die Jung-
fer mit dem verbrannten Finger, auch zu ſich ſelber
gekommen, und dann auch nicht haben begreifen
koͤnnen, wie ſie uͤber dieſe Papiere, ehe ſie verbrennt
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/73>, abgerufen am 29.11.2024.
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