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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787.

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ihm nichts also zu Herzen gegangen -- er em-
pfand das Recht des Kinds, und es war ihm,
er sehe den Vetter todt vor seinen Augen -- er
fühlte den Schauer des Entsetzens bey dem Ge-
danken, er sey daran Schuld; er schwankte
hinein, wie wenn ihn seine Beine nicht tragen
wollten, hielt die Hand vor den Mund, sein
Schluchzen zu hemmen; und winkte wie ein Stum-
mer Theresen mit dem Kopf beyseits. --

Dem Karl und der Therese übergieng das
Herz, da sie ihn so sahen -- beyde weinten --
beyde stunden an ihn an -- Therese gab ihm die
Hand -- und er sagte, giebst du mir sie auch
von Herzen? -- Das war sein erstes Wort. --
Ja, gewiß lieber Onkle! zweifelt doch nicht an
dem -- erwiederte Therese. --

Ich kann es fast nicht glauben, sagte der
Alte, und sezte hinzu, ich hab' in Gottes Namen
alles gehört, ich meynte, es tödte mich, so weh
that es mir -- aber wenn du mir izt einen Ge-
fallen thun willst, so zwing den Knaben nicht zum
Tisch, er hat recht, so lang er den erschrecklichen
Gedanken hat, ich wolle ihm seinen Vater ins
Grab bringen; aber ich will ihm wills Gott zei-
gen, daß das nicht ist, und daß mir sein Vater
lieb ist. --

ihm nichts alſo zu Herzen gegangen — er em-
pfand das Recht des Kinds, und es war ihm,
er ſehe den Vetter todt vor ſeinen Augen — er
fuͤhlte den Schauer des Entſetzens bey dem Ge-
danken, er ſey daran Schuld; er ſchwankte
hinein, wie wenn ihn ſeine Beine nicht tragen
wollten, hielt die Hand vor den Mund, ſein
Schluchzen zu hemmen; und winkte wie ein Stum-
mer Thereſen mit dem Kopf beyſeits. —

Dem Karl und der Thereſe uͤbergieng das
Herz, da ſie ihn ſo ſahen — beyde weinten —
beyde ſtunden an ihn an — Thereſe gab ihm die
Hand — und er ſagte, giebſt du mir ſie auch
von Herzen? — Das war ſein erſtes Wort. —
Ja, gewiß lieber Onkle! zweifelt doch nicht an
dem — erwiederte Thereſe. —

Ich kann es faſt nicht glauben, ſagte der
Alte, und ſezte hinzu, ich hab' in Gottes Namen
alles gehoͤrt, ich meynte, es toͤdte mich, ſo weh
that es mir — aber wenn du mir izt einen Ge-
fallen thun willſt, ſo zwing den Knaben nicht zum
Tiſch, er hat recht, ſo lang er den erſchrecklichen
Gedanken hat, ich wolle ihm ſeinen Vater ins
Grab bringen; aber ich will ihm wills Gott zei-
gen, daß das nicht iſt, und daß mir ſein Vater
lieb iſt. —

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[60/0078] ihm nichts alſo zu Herzen gegangen — er em- pfand das Recht des Kinds, und es war ihm, er ſehe den Vetter todt vor ſeinen Augen — er fuͤhlte den Schauer des Entſetzens bey dem Ge- danken, er ſey daran Schuld; er ſchwankte hinein, wie wenn ihn ſeine Beine nicht tragen wollten, hielt die Hand vor den Mund, ſein Schluchzen zu hemmen; und winkte wie ein Stum- mer Thereſen mit dem Kopf beyſeits. — Dem Karl und der Thereſe uͤbergieng das Herz, da ſie ihn ſo ſahen — beyde weinten — beyde ſtunden an ihn an — Thereſe gab ihm die Hand — und er ſagte, giebſt du mir ſie auch von Herzen? — Das war ſein erſtes Wort. — Ja, gewiß lieber Onkle! zweifelt doch nicht an dem — erwiederte Thereſe. — Ich kann es faſt nicht glauben, ſagte der Alte, und ſezte hinzu, ich hab' in Gottes Namen alles gehoͤrt, ich meynte, es toͤdte mich, ſo weh that es mir — aber wenn du mir izt einen Ge- fallen thun willſt, ſo zwing den Knaben nicht zum Tiſch, er hat recht, ſo lang er den erſchrecklichen Gedanken hat, ich wolle ihm ſeinen Vater ins Grab bringen; aber ich will ihm wills Gott zei- gen, daß das nicht iſt, und daß mir ſein Vater lieb iſt. —

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/78>, abgerufen am 28.11.2024.