und Ausdrücke versagt sind, die Menschen nach unserm Büchermodell, und nach unsern Allgemein- heiten zu schildern, so sind dergleichen Ausdrücke in seinem Munde nicht vollends das gleiche, was sie in unserm wären -- Pasquillen und Lästerworte -- und ich muß dir sagen, lieber Nachbar, man thut dem Volk, wenn man in der Ahndungsart solcher Worte nicht auf den Unterschied siehet, woher sie kommen, und einen jeden, dem etwan ein solcher Ausdruck an einem unrechten Ort oder zur Unzeit entrinnt, leicht alzuhart straft, unrecht. --
Die gemeinen Leute brauchen diese Ausdrücke unter sich selber alle Tage und ungescheut gegen einander, die brävsten wie die schlechtesten: Es ist ihre Sprache, sie haben keine andere, und es kann nicht anderst seyn, es muß ihnen hier und da auch ein solches Wort entrinnen, wo es nicht sollte.
Sie brauchen dergleichen tausende, so bald sie allein sind, und allein mit einander reden. --
Doch nein ich irre; -- man strafe sie immerhin dafür -- es wäre unharmonisch mit ihrer übrigen Führung -- und wider ihren wahren Vortheil, wenn man es nicht thun würde. --
Der Mensch, der das Gefühl der Rechten sei- ner Natur in sich selber ersticken muß -- muß auch
und Ausdruͤcke verſagt ſind, die Menſchen nach unſerm Buͤchermodell, und nach unſern Allgemein- heiten zu ſchildern, ſo ſind dergleichen Ausdruͤcke in ſeinem Munde nicht vollends das gleiche, was ſie in unſerm waͤren — Pasquillen und Laͤſterworte — und ich muß dir ſagen, lieber Nachbar, man thut dem Volk, wenn man in der Ahndungsart ſolcher Worte nicht auf den Unterſchied ſiehet, woher ſie kommen, und einen jeden, dem etwan ein ſolcher Ausdruck an einem unrechten Ort oder zur Unzeit entrinnt, leicht alzuhart ſtraft, unrecht. —
Die gemeinen Leute brauchen dieſe Ausdruͤcke unter ſich ſelber alle Tage und ungeſcheut gegen einander, die braͤvſten wie die ſchlechteſten: Es iſt ihre Sprache, ſie haben keine andere, und es kann nicht anderſt ſeyn, es muß ihnen hier und da auch ein ſolches Wort entrinnen, wo es nicht ſollte.
Sie brauchen dergleichen tauſende, ſo bald ſie allein ſind, und allein mit einander reden. —
Doch nein ich irre; — man ſtrafe ſie immerhin dafuͤr — es waͤre unharmoniſch mit ihrer uͤbrigen Fuͤhrung — und wider ihren wahren Vortheil, wenn man es nicht thun wuͤrde. —
Der Menſch, der das Gefuͤhl der Rechten ſei- ner Natur in ſich ſelber erſticken muß — muß auch
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0092"n="74"/>
und Ausdruͤcke verſagt ſind, die Menſchen nach<lb/>
unſerm Buͤchermodell, und nach unſern Allgemein-<lb/>
heiten zu ſchildern, ſo ſind dergleichen Ausdruͤcke<lb/>
in ſeinem Munde nicht vollends das gleiche, was ſie<lb/>
in unſerm waͤren — Pasquillen und Laͤſterworte —<lb/>
und ich muß dir ſagen, lieber Nachbar, man thut<lb/>
dem Volk, wenn man in der Ahndungsart ſolcher<lb/>
Worte nicht auf den Unterſchied ſiehet, woher ſie<lb/>
kommen, und einen jeden, dem etwan ein ſolcher<lb/>
Ausdruck an einem unrechten Ort oder zur Unzeit<lb/>
entrinnt, leicht alzuhart ſtraft, unrecht. —</p><lb/><p>Die gemeinen Leute brauchen dieſe Ausdruͤcke<lb/>
unter ſich ſelber alle Tage und ungeſcheut gegen<lb/>
einander, die braͤvſten wie die ſchlechteſten: Es iſt<lb/>
ihre Sprache, ſie haben keine andere, und es kann<lb/>
nicht anderſt ſeyn, es muß ihnen hier und da auch<lb/>
ein ſolches Wort entrinnen, wo es nicht ſollte.</p><lb/><p>Sie brauchen dergleichen tauſende, ſo bald ſie<lb/>
allein ſind, und allein mit einander reden. —</p><lb/><p>Doch nein ich irre; — man ſtrafe ſie immerhin<lb/>
dafuͤr — es waͤre unharmoniſch mit ihrer uͤbrigen<lb/>
Fuͤhrung — und wider ihren wahren Vortheil,<lb/>
wenn man es nicht thun wuͤrde. —</p><lb/><p>Der Menſch, der das Gefuͤhl der Rechten ſei-<lb/>
ner Natur in ſich ſelber erſticken muß — muß auch<lb/></p></div></body></text></TEI>
[74/0092]
und Ausdruͤcke verſagt ſind, die Menſchen nach
unſerm Buͤchermodell, und nach unſern Allgemein-
heiten zu ſchildern, ſo ſind dergleichen Ausdruͤcke
in ſeinem Munde nicht vollends das gleiche, was ſie
in unſerm waͤren — Pasquillen und Laͤſterworte —
und ich muß dir ſagen, lieber Nachbar, man thut
dem Volk, wenn man in der Ahndungsart ſolcher
Worte nicht auf den Unterſchied ſiehet, woher ſie
kommen, und einen jeden, dem etwan ein ſolcher
Ausdruck an einem unrechten Ort oder zur Unzeit
entrinnt, leicht alzuhart ſtraft, unrecht. —
Die gemeinen Leute brauchen dieſe Ausdruͤcke
unter ſich ſelber alle Tage und ungeſcheut gegen
einander, die braͤvſten wie die ſchlechteſten: Es iſt
ihre Sprache, ſie haben keine andere, und es kann
nicht anderſt ſeyn, es muß ihnen hier und da auch
ein ſolches Wort entrinnen, wo es nicht ſollte.
Sie brauchen dergleichen tauſende, ſo bald ſie
allein ſind, und allein mit einander reden. —
Doch nein ich irre; — man ſtrafe ſie immerhin
dafuͤr — es waͤre unharmoniſch mit ihrer uͤbrigen
Fuͤhrung — und wider ihren wahren Vortheil,
wenn man es nicht thun wuͤrde. —
Der Menſch, der das Gefuͤhl der Rechten ſei-
ner Natur in ſich ſelber erſticken muß — muß auch
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/92>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.