Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 1. Wien, 1850.

Bild:
<< vorherige Seite

den 2. trug er aber schon als "Sturm" in's Logbuch*). Die starke Briese kostete uns ein Segel, der Sturm zwei. Die See ging fortwährend so hoch, daß uns das Essen die größte Mühe kostete. Mit einer Hand mußte man den Teller und zugleich sich selbst am Tische festhalten, während man mit der andern die Speisen dem Munde höchst mühsam zuführte. Des Nachts mußte ich mich in der Coje mit Mantel und Kleidern fest stauen (packen), um meinen Körper vor blauen Flecken zu schützen.

Am Morgen des 13. war ich schon mit Tagesanbruch auf dem Decke. Der Steuermann führte mich an die Schiffswand und hieß mir, den Kopf darüber hinaus zu halten und die Luft einzuathmen; ich sog den herrlichsten Blüthenduft ein. Ueberrascht blickte ich umher und meinte das Land sehen zu müssen. Es lag jedoch noch weit entfernt, und nur der Sturm wehte den zarten Duft vom Lande her. Sonderbar war es, daß er innerhalb des Schiffes ganz verloren ging.

Das Meer selbst war bedeckt mit unzähligen Leichen armer Schmetterlinge und Nachtfalter, die ebenfalls der Sturm in's Meer getragen. Auf einer der Schiffsraaen ruhten zwei niedliche Vögelchen, noch ganz matt und erschöpft von dem ungewohnten weiten Fluge.

Für uns, die wir 21/2 Monate lang nichts als Himmel und Wasser gesehn hatten, waren all' diese Erscheinungen

*) Das Logbuch ist das Tagebuch des Schiffers. Alle 4 Stunden wird darin genau verzeichnet, welche Winde man hatte, wie viele Meilen man gesegelt u. s. w., kurz alle Begebenheiten. Mit diesem Buche muß sich der Kapitän beim Schiffseigenthümer ausweisen.

den 2. trug er aber schon als „Sturm“ in’s Logbuch*). Die starke Briese kostete uns ein Segel, der Sturm zwei. Die See ging fortwährend so hoch, daß uns das Essen die größte Mühe kostete. Mit einer Hand mußte man den Teller und zugleich sich selbst am Tische festhalten, während man mit der andern die Speisen dem Munde höchst mühsam zuführte. Des Nachts mußte ich mich in der Coje mit Mantel und Kleidern fest stauen (packen), um meinen Körper vor blauen Flecken zu schützen.

Am Morgen des 13. war ich schon mit Tagesanbruch auf dem Decke. Der Steuermann führte mich an die Schiffswand und hieß mir, den Kopf darüber hinaus zu halten und die Luft einzuathmen; ich sog den herrlichsten Blüthenduft ein. Ueberrascht blickte ich umher und meinte das Land sehen zu müssen. Es lag jedoch noch weit entfernt, und nur der Sturm wehte den zarten Duft vom Lande her. Sonderbar war es, daß er innerhalb des Schiffes ganz verloren ging.

Das Meer selbst war bedeckt mit unzähligen Leichen armer Schmetterlinge und Nachtfalter, die ebenfalls der Sturm in’s Meer getragen. Auf einer der Schiffsraaen ruhten zwei niedliche Vögelchen, noch ganz matt und erschöpft von dem ungewohnten weiten Fluge.

Für uns, die wir 2½ Monate lang nichts als Himmel und Wasser gesehn hatten, waren all’ diese Erscheinungen

*) Das Logbuch ist das Tagebuch des Schiffers. Alle 4 Stunden wird darin genau verzeichnet, welche Winde man hatte, wie viele Meilen man gesegelt u. s. w., kurz alle Begebenheiten. Mit diesem Buche muß sich der Kapitän beim Schiffseigenthümer ausweisen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0030" n="23"/>
den 2. trug er aber schon als &#x201E;Sturm&#x201C; in&#x2019;s Logbuch<note place="foot" n="*)">Das Logbuch ist das Tagebuch des Schiffers. Alle 4 Stunden wird darin genau verzeichnet, welche Winde man hatte, wie viele Meilen man gesegelt u. s. w., kurz alle Begebenheiten. Mit diesem Buche muß sich der Kapitän beim Schiffseigenthümer ausweisen.</note>. Die starke Briese kostete uns ein Segel, der Sturm zwei. Die See ging fortwährend so hoch, daß uns das Essen die größte Mühe kostete. Mit einer Hand mußte man den Teller und zugleich sich selbst am Tische festhalten, während man mit der andern die Speisen dem Munde höchst mühsam zuführte. Des Nachts mußte ich mich in der Coje mit Mantel und Kleidern fest stauen (packen), um meinen Körper vor blauen Flecken zu schützen.</p>
        <p>   Am Morgen des 13. war ich schon mit Tagesanbruch auf dem Decke. Der Steuermann führte mich an die Schiffswand und hieß mir, den Kopf darüber hinaus zu halten und die Luft einzuathmen; ich sog den herrlichsten Blüthenduft ein. Ueberrascht blickte ich umher und meinte das Land sehen zu müssen. Es lag jedoch noch weit entfernt, und nur der Sturm wehte den zarten Duft vom Lande her. Sonderbar war es, daß er innerhalb des Schiffes ganz verloren ging.</p>
        <p>   Das Meer selbst war bedeckt mit unzähligen Leichen armer Schmetterlinge und Nachtfalter, die ebenfalls der Sturm in&#x2019;s Meer getragen. Auf einer der Schiffsraaen ruhten zwei niedliche Vögelchen, noch ganz matt und erschöpft von dem ungewohnten weiten Fluge.</p>
        <p>   Für uns, die wir 2½ Monate lang nichts als Himmel und Wasser gesehn hatten, waren all&#x2019; diese Erscheinungen
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[23/0030] den 2. trug er aber schon als „Sturm“ in’s Logbuch *). Die starke Briese kostete uns ein Segel, der Sturm zwei. Die See ging fortwährend so hoch, daß uns das Essen die größte Mühe kostete. Mit einer Hand mußte man den Teller und zugleich sich selbst am Tische festhalten, während man mit der andern die Speisen dem Munde höchst mühsam zuführte. Des Nachts mußte ich mich in der Coje mit Mantel und Kleidern fest stauen (packen), um meinen Körper vor blauen Flecken zu schützen. Am Morgen des 13. war ich schon mit Tagesanbruch auf dem Decke. Der Steuermann führte mich an die Schiffswand und hieß mir, den Kopf darüber hinaus zu halten und die Luft einzuathmen; ich sog den herrlichsten Blüthenduft ein. Ueberrascht blickte ich umher und meinte das Land sehen zu müssen. Es lag jedoch noch weit entfernt, und nur der Sturm wehte den zarten Duft vom Lande her. Sonderbar war es, daß er innerhalb des Schiffes ganz verloren ging. Das Meer selbst war bedeckt mit unzähligen Leichen armer Schmetterlinge und Nachtfalter, die ebenfalls der Sturm in’s Meer getragen. Auf einer der Schiffsraaen ruhten zwei niedliche Vögelchen, noch ganz matt und erschöpft von dem ungewohnten weiten Fluge. Für uns, die wir 2½ Monate lang nichts als Himmel und Wasser gesehn hatten, waren all’ diese Erscheinungen *) Das Logbuch ist das Tagebuch des Schiffers. Alle 4 Stunden wird darin genau verzeichnet, welche Winde man hatte, wie viele Meilen man gesegelt u. s. w., kurz alle Begebenheiten. Mit diesem Buche muß sich der Kapitän beim Schiffseigenthümer ausweisen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Sophie: A digital library of works by german-speaking women: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-06-28T07:11:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition (2013-06-28T07:11:29Z)
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-06-28T07:11:29Z)

Weitere Informationen:

  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.) sind nicht konsequent wie in der Vorlage gekennzeichnet



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt01_1850
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt01_1850/30
Zitationshilfe: Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 1. Wien, 1850, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt01_1850/30>, abgerufen am 23.11.2024.