Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 2. Wien, 1850.

Bild:
<< vorherige Seite

ebenfalls besetzt. -- Ich bemerkte nicht, daß Mund und Nase der Sterbenden mit Gangesschlamm angestopft waren; dies mag vielleicht in andern Gegenden Sitte sein. Die Verwandten saßen um die Sterbenden herum und erwarteten still und ruhig deren letzte Athenzüge. Auf meine Frage, ob ihnen nichts gereicht werde, antwortete man mir, daß man ihnen, wenn sie nicht gleich sterben, von Zeit zu Zeit einen Schluck Gangeswasser gebe, aber immer weniger und in größeren Zwischenräumen, da sie, einmal hieher gebracht, schlechterdings sterben müßten.

Nach dem Tode, oft wenn sie kaum erkaltet sind, trägt man sie nach dem Verbrennungsorte, der von der Fahrstraße durch eine Mauer geschieden ist.

Dort sah ich einen Todten und einen Sterbenden liegen, und auf sechs Scheiterhaufen sechs Leichen, die von hochauflodernden Flammen verzehrt wurden. Vögel, größer als Truthühner, hier Philosophen *) genannt, kleine Geier und Raben saßen in großer Menge um die Scheiterhaufen herum, auf nahen Dächern und Bäumen und harrten begierig der halbverbrannten Leichen. Mich schauerte, -- ich eilte fort und konnte lange nicht den Eindruck dieses Bildes aus meinem Gedächtnisse bringen.

Bei Reichen kosten diese Verbrennungen oft über 1000 Rupien, da die theuersten Holzgattungen als Sandel-, Rosenholz u. a. dazu verwendet werden. Außerdem hat man zu den Ceremonien einen Braminen, Klageweiber und Musik nöthig.

Die Gebeine werden nach der Verbrennung gesammelt,

*) Hurgila, eine Art Storch, frißt Leichen und ist an Indiens Flüssen häufig zu sehen.

ebenfalls besetzt. — Ich bemerkte nicht, daß Mund und Nase der Sterbenden mit Gangesschlamm angestopft waren; dies mag vielleicht in andern Gegenden Sitte sein. Die Verwandten saßen um die Sterbenden herum und erwarteten still und ruhig deren letzte Athenzüge. Auf meine Frage, ob ihnen nichts gereicht werde, antwortete man mir, daß man ihnen, wenn sie nicht gleich sterben, von Zeit zu Zeit einen Schluck Gangeswasser gebe, aber immer weniger und in größeren Zwischenräumen, da sie, einmal hieher gebracht, schlechterdings sterben müßten.

Nach dem Tode, oft wenn sie kaum erkaltet sind, trägt man sie nach dem Verbrennungsorte, der von der Fahrstraße durch eine Mauer geschieden ist.

Dort sah ich einen Todten und einen Sterbenden liegen, und auf sechs Scheiterhaufen sechs Leichen, die von hochauflodernden Flammen verzehrt wurden. Vögel, größer als Truthühner, hier Philosophen *) genannt, kleine Geier und Raben saßen in großer Menge um die Scheiterhaufen herum, auf nahen Dächern und Bäumen und harrten begierig der halbverbrannten Leichen. Mich schauerte, — ich eilte fort und konnte lange nicht den Eindruck dieses Bildes aus meinem Gedächtnisse bringen.

Bei Reichen kosten diese Verbrennungen oft über 1000 Rupien, da die theuersten Holzgattungen als Sandel-, Rosenholz u. a. dazu verwendet werden. Außerdem hat man zu den Ceremonien einen Braminen, Klageweiber und Musik nöthig.

Die Gebeine werden nach der Verbrennung gesammelt,

*) Hurgila, eine Art Storch, frißt Leichen und ist an Indiens Flüssen häufig zu sehen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0149" n="142"/>
ebenfalls besetzt. &#x2014; Ich bemerkte nicht, daß Mund und Nase der Sterbenden mit Gangesschlamm angestopft waren; dies mag vielleicht in andern Gegenden Sitte sein. Die Verwandten saßen um die Sterbenden herum und erwarteten still und ruhig deren letzte Athenzüge. Auf meine Frage, ob ihnen nichts gereicht werde, antwortete man mir, daß man ihnen, wenn sie nicht gleich sterben, von Zeit zu Zeit einen Schluck Gangeswasser gebe, aber immer weniger und in größeren Zwischenräumen, da sie, einmal hieher gebracht, schlechterdings sterben müßten.</p>
          <p>Nach dem Tode, oft wenn sie kaum erkaltet sind, trägt man sie nach dem Verbrennungsorte, der von der Fahrstraße durch eine Mauer geschieden ist.</p>
          <p>Dort sah ich einen Todten und einen Sterbenden liegen, und auf sechs Scheiterhaufen sechs Leichen, die von hochauflodernden Flammen verzehrt wurden. Vögel, größer als Truthühner, hier Philosophen <note place="foot" n="*)">Hurgila, eine Art Storch, frißt Leichen und ist an Indiens Flüssen häufig zu sehen.</note> genannt, kleine Geier und Raben saßen in großer Menge um die Scheiterhaufen herum, auf nahen Dächern und Bäumen und harrten begierig der halbverbrannten Leichen. Mich schauerte, &#x2014; ich eilte fort und konnte lange nicht den Eindruck dieses Bildes aus meinem Gedächtnisse bringen.</p>
          <p>Bei Reichen kosten diese Verbrennungen oft über 1000 Rupien, da die theuersten Holzgattungen als Sandel-, Rosenholz u. a. dazu verwendet werden. Außerdem hat man zu den Ceremonien einen Braminen, Klageweiber und Musik nöthig.</p>
          <p>Die Gebeine werden nach der Verbrennung gesammelt,</p>
          <p>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[142/0149] ebenfalls besetzt. — Ich bemerkte nicht, daß Mund und Nase der Sterbenden mit Gangesschlamm angestopft waren; dies mag vielleicht in andern Gegenden Sitte sein. Die Verwandten saßen um die Sterbenden herum und erwarteten still und ruhig deren letzte Athenzüge. Auf meine Frage, ob ihnen nichts gereicht werde, antwortete man mir, daß man ihnen, wenn sie nicht gleich sterben, von Zeit zu Zeit einen Schluck Gangeswasser gebe, aber immer weniger und in größeren Zwischenräumen, da sie, einmal hieher gebracht, schlechterdings sterben müßten. Nach dem Tode, oft wenn sie kaum erkaltet sind, trägt man sie nach dem Verbrennungsorte, der von der Fahrstraße durch eine Mauer geschieden ist. Dort sah ich einen Todten und einen Sterbenden liegen, und auf sechs Scheiterhaufen sechs Leichen, die von hochauflodernden Flammen verzehrt wurden. Vögel, größer als Truthühner, hier Philosophen *) genannt, kleine Geier und Raben saßen in großer Menge um die Scheiterhaufen herum, auf nahen Dächern und Bäumen und harrten begierig der halbverbrannten Leichen. Mich schauerte, — ich eilte fort und konnte lange nicht den Eindruck dieses Bildes aus meinem Gedächtnisse bringen. Bei Reichen kosten diese Verbrennungen oft über 1000 Rupien, da die theuersten Holzgattungen als Sandel-, Rosenholz u. a. dazu verwendet werden. Außerdem hat man zu den Ceremonien einen Braminen, Klageweiber und Musik nöthig. Die Gebeine werden nach der Verbrennung gesammelt, *) Hurgila, eine Art Storch, frißt Leichen und ist an Indiens Flüssen häufig zu sehen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Sophie: A digital library of works by german-speaking women: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-06-28T07:11:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition (2013-06-28T07:11:29Z)
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-06-28T07:11:29Z)

Weitere Informationen:

  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.) sind nicht konsequent wie in der Vorlage gekennzeichnet



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt02_1850
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt02_1850/149
Zitationshilfe: Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 2. Wien, 1850, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt02_1850/149>, abgerufen am 24.11.2024.