Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 2. Wien, 1850.Weise, wie sie mit den Sterbenden verfahren, mancher Mord stattfindet; allein ihre Religion sagt, wenn der Arzt erklärt habe, daß keine Hülfe mehr sei, so müsse der Kranke sterben. Von den Sitten und Gebräuchen der Hindus lernte ich in Calcutta, außer den bereits beschriebenen, keine weiteren kennen; wohl aber sah ich einiges von den mahomedanischen Hochzeiten. Am Tage der Hochzeit wird das schön geschmückte Brautbett unter Sang und Klang nach der Wohnung des Bräutigams geschafft. Spät des Abends kömmt die Braut in einem festverschlossenen Palankine unter Musik und Fackelschein und großer Begleitung ebenfalls dahin. Viele der Verwandten tragen ganze Pyramiden von Lichtern, und auch das wunderschöne, hellblaue Feuer, bei uns unter dem Namen des "Bengalischen" bekannt, darf dabei nicht fehlen. Bei der Ankunft am Hause des Bräutigams wird nur dem Brautpaar der Eintritt gestattet; die Begleitung bleibt vor dem Hause und musizirt, schreit und singt oft bis zum hellen Morgen. Häufig hörte ich die Europäer sagen, daß sie den Zug mit dem Brautbette höchst unanständig fänden. Aber wie das Sprichwort sagt: "Der Mensch sieht den Splitter im Auge des Nächsten, während er den Balken im eigenen nicht gewahrt," -- so fand ich gerade, daß die Ehen unter den hier lebenden Europäern auf weit unanständigere Weise geschlossen werden. Bei den Engländern darf am Tage der Vermählung, die gegen Abend statt hat, der Bräutigam die Braut erst am Altare sehen, -- ein Verstoß dagegen wäre fürchterlich. -- Im Weise, wie sie mit den Sterbenden verfahren, mancher Mord stattfindet; allein ihre Religion sagt, wenn der Arzt erklärt habe, daß keine Hülfe mehr sei, so müsse der Kranke sterben. Von den Sitten und Gebräuchen der Hindus lernte ich in Calcutta, außer den bereits beschriebenen, keine weiteren kennen; wohl aber sah ich einiges von den mahomedanischen Hochzeiten. Am Tage der Hochzeit wird das schön geschmückte Brautbett unter Sang und Klang nach der Wohnung des Bräutigams geschafft. Spät des Abends kömmt die Braut in einem festverschlossenen Palankine unter Musik und Fackelschein und großer Begleitung ebenfalls dahin. Viele der Verwandten tragen ganze Pyramiden von Lichtern, und auch das wunderschöne, hellblaue Feuer, bei uns unter dem Namen des „Bengalischen“ bekannt, darf dabei nicht fehlen. Bei der Ankunft am Hause des Bräutigams wird nur dem Brautpaar der Eintritt gestattet; die Begleitung bleibt vor dem Hause und musizirt, schreit und singt oft bis zum hellen Morgen. Häufig hörte ich die Europäer sagen, daß sie den Zug mit dem Brautbette höchst unanständig fänden. Aber wie das Sprichwort sagt: „Der Mensch sieht den Splitter im Auge des Nächsten, während er den Balken im eigenen nicht gewahrt,“ — so fand ich gerade, daß die Ehen unter den hier lebenden Europäern auf weit unanständigere Weise geschlossen werden. Bei den Engländern darf am Tage der Vermählung, die gegen Abend statt hat, der Bräutigam die Braut erst am Altare sehen, — ein Verstoß dagegen wäre fürchterlich. — Im <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0151" n="144"/> Weise, wie sie mit den Sterbenden verfahren, mancher Mord stattfindet; allein ihre Religion sagt, wenn der Arzt erklärt habe, daß keine Hülfe mehr sei, so müsse der Kranke sterben.</p> <p>Von den Sitten und Gebräuchen der Hindus lernte ich in Calcutta, außer den bereits beschriebenen, keine weiteren kennen; wohl aber sah ich einiges von den mahomedanischen Hochzeiten. Am Tage der Hochzeit wird das schön geschmückte Brautbett unter Sang und Klang nach der Wohnung des Bräutigams geschafft. Spät des Abends kömmt die Braut in einem festverschlossenen Palankine unter Musik und Fackelschein und großer Begleitung ebenfalls dahin. Viele der Verwandten tragen ganze Pyramiden von Lichtern, und auch das wunderschöne, hellblaue Feuer, bei uns unter dem Namen des „Bengalischen“ bekannt, darf dabei nicht fehlen.</p> <p>Bei der Ankunft am Hause des Bräutigams wird nur dem Brautpaar der Eintritt gestattet; die Begleitung bleibt vor dem Hause und musizirt, schreit und singt oft bis zum hellen Morgen.</p> <p>Häufig hörte ich die Europäer sagen, daß sie den Zug mit dem Brautbette höchst unanständig fänden. Aber wie das Sprichwort sagt: „Der Mensch sieht den Splitter im Auge des Nächsten, während er den Balken im eigenen nicht gewahrt,“ — so fand ich gerade, daß die Ehen unter den hier lebenden Europäern auf weit unanständigere Weise geschlossen werden. Bei den Engländern darf am Tage der Vermählung, die gegen Abend statt hat, der Bräutigam die Braut erst am Altare sehen, — ein Verstoß dagegen wäre fürchterlich. — Im </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [144/0151]
Weise, wie sie mit den Sterbenden verfahren, mancher Mord stattfindet; allein ihre Religion sagt, wenn der Arzt erklärt habe, daß keine Hülfe mehr sei, so müsse der Kranke sterben.
Von den Sitten und Gebräuchen der Hindus lernte ich in Calcutta, außer den bereits beschriebenen, keine weiteren kennen; wohl aber sah ich einiges von den mahomedanischen Hochzeiten. Am Tage der Hochzeit wird das schön geschmückte Brautbett unter Sang und Klang nach der Wohnung des Bräutigams geschafft. Spät des Abends kömmt die Braut in einem festverschlossenen Palankine unter Musik und Fackelschein und großer Begleitung ebenfalls dahin. Viele der Verwandten tragen ganze Pyramiden von Lichtern, und auch das wunderschöne, hellblaue Feuer, bei uns unter dem Namen des „Bengalischen“ bekannt, darf dabei nicht fehlen.
Bei der Ankunft am Hause des Bräutigams wird nur dem Brautpaar der Eintritt gestattet; die Begleitung bleibt vor dem Hause und musizirt, schreit und singt oft bis zum hellen Morgen.
Häufig hörte ich die Europäer sagen, daß sie den Zug mit dem Brautbette höchst unanständig fänden. Aber wie das Sprichwort sagt: „Der Mensch sieht den Splitter im Auge des Nächsten, während er den Balken im eigenen nicht gewahrt,“ — so fand ich gerade, daß die Ehen unter den hier lebenden Europäern auf weit unanständigere Weise geschlossen werden. Bei den Engländern darf am Tage der Vermählung, die gegen Abend statt hat, der Bräutigam die Braut erst am Altare sehen, — ein Verstoß dagegen wäre fürchterlich. — Im
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