Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 2. Wien, 1850.man mir, den dritten Platz zu nehmen und eine Cabine von einem Maschinisten oder Unteroffiziere zu miethen. Ich war ganz beglückt durch diesen Rath und eilte ihn auszuführen. Man denke sich mein Erstaunen, als ich kein Billet für den dritten Platz erhielt. Es wurde mir bemerkt, daß da schlechte Gesellschaft, daß der Mond des Nachts den Passagieren des dritten Platzes, die auf dem Decke schlafen müssen, höchst gefährlich wäre, u. s. w. Vergebens wandte ich ein, zu wissen, was ich thue und wolle. Das half alles nicht; ich war, wenn ich nicht zurückbleiben wollte, gezwungen, den zweiten Platz zu nehmen. Ich konnte nicht umhin, von der englischen Willensfreiheit einen ganz sonderbaren Begriff zu bekommen. Am 25. August Mittags 1 Uhr begab ich mich an Bord. Als ich auf dem Schiffe ankam, fand sich auf dem zweiten Platze keinen Diener, und ich mußte einen Matrosen ansprechen, mein Gepäck in die Kajütte zu schaffen. In dieser sah es nicht im geringsten confortable aus; die Möbel waren höchst einfach, der Tisch voll Flecken und Schmutz und die Unordnung sehr groß. Ich sah nach der Schlafcabine und fand für Herren und Frauen nur ein Gemach. Doch sagte man mir, ich solle mich an einen der Vorgesetzten wenden, der würde mir gewiß einen andern Platz zum schlafen anweisen. Ich that es und erhielt auch eine niedliche Cabine. Der Steward *) war so gefällig, mir anzutragen, mit seiner Frau zu speisen. -- Dies *) Der Steward hat den Rang eines Unteroffiziers; er besorgt die Einkäufe der Lebensmittel und Getränke.
man mir, den dritten Platz zu nehmen und eine Cabine von einem Maschinisten oder Unteroffiziere zu miethen. Ich war ganz beglückt durch diesen Rath und eilte ihn auszuführen. Man denke sich mein Erstaunen, als ich kein Billet für den dritten Platz erhielt. Es wurde mir bemerkt, daß da schlechte Gesellschaft, daß der Mond des Nachts den Passagieren des dritten Platzes, die auf dem Decke schlafen müssen, höchst gefährlich wäre, u. s. w. Vergebens wandte ich ein, zu wissen, was ich thue und wolle. Das half alles nicht; ich war, wenn ich nicht zurückbleiben wollte, gezwungen, den zweiten Platz zu nehmen. Ich konnte nicht umhin, von der englischen Willensfreiheit einen ganz sonderbaren Begriff zu bekommen. Am 25. August Mittags 1 Uhr begab ich mich an Bord. Als ich auf dem Schiffe ankam, fand sich auf dem zweiten Platze keinen Diener, und ich mußte einen Matrosen ansprechen, mein Gepäck in die Kajütte zu schaffen. In dieser sah es nicht im geringsten confortable aus; die Möbel waren höchst einfach, der Tisch voll Flecken und Schmutz und die Unordnung sehr groß. Ich sah nach der Schlafcabine und fand für Herren und Frauen nur ein Gemach. Doch sagte man mir, ich solle mich an einen der Vorgesetzten wenden, der würde mir gewiß einen andern Platz zum schlafen anweisen. Ich that es und erhielt auch eine niedliche Cabine. Der Steward *) war so gefällig, mir anzutragen, mit seiner Frau zu speisen. — Dies *) Der Steward hat den Rang eines Unteroffiziers; er besorgt die Einkäufe der Lebensmittel und Getränke.
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man mir, den dritten Platz zu nehmen und eine Cabine von einem Maschinisten oder Unteroffiziere zu miethen. Ich war ganz beglückt durch diesen Rath und eilte ihn auszuführen. Man denke sich mein Erstaunen, als ich kein Billet für den dritten Platz erhielt. Es wurde mir bemerkt, daß da schlechte Gesellschaft, daß der Mond des Nachts den Passagieren des dritten Platzes, die auf dem Decke schlafen müssen, höchst gefährlich wäre, u. s. w. Vergebens wandte ich ein, zu wissen, was ich thue und wolle. Das half alles nicht; ich war, wenn ich nicht zurückbleiben wollte, gezwungen, den zweiten Platz zu nehmen. Ich konnte nicht umhin, von der englischen Willensfreiheit einen ganz sonderbaren Begriff zu bekommen.
Am 25. August Mittags 1 Uhr begab ich mich an Bord.
Als ich auf dem Schiffe ankam, fand sich auf dem zweiten Platze keinen Diener, und ich mußte einen Matrosen ansprechen, mein Gepäck in die Kajütte zu schaffen. In dieser sah es nicht im geringsten confortable aus; die Möbel waren höchst einfach, der Tisch voll Flecken und Schmutz und die Unordnung sehr groß. Ich sah nach der Schlafcabine und fand für Herren und Frauen nur ein Gemach. Doch sagte man mir, ich solle mich an einen der Vorgesetzten wenden, der würde mir gewiß einen andern Platz zum schlafen anweisen. Ich that es und erhielt auch eine niedliche Cabine. Der Steward *) war so gefällig, mir anzutragen, mit seiner Frau zu speisen. — Dies
*) Der Steward hat den Rang eines Unteroffiziers; er besorgt die Einkäufe der Lebensmittel und Getränke.
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