Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850.Vorschein. Ganze Reihen niedriger und höherer Erdhügel, die sich über die unermeßliche Ebene am linken Ufer des Tigris ausbreiten und in der unbegrenzten Ferne sich verlieren, decken, wie man nun mit Gewißheit angeben kann, die Ueberreste dieser Stadt. Im Jahre 1846 sandte die Gesellschaft des britischen Museums den ausgezeichneten Gelehrten, Herrn Layard, hieher, um Nachgrabungen zu unternehmen. Es waren die ersten Versuche, die je gemacht wurden, und sie gelangen sehr gut. Man grub hier bei Nebi-junus verschiedene Gänge in die Hügel und stieß bald auf große, herrliche Gemächer, deren Wände dicke Marmorplatten überkleideten, in welchen von oben bis unten Reliefs ausgehauen waren. Man sah da Könige mit Kronen und Schmuck, Göttergestalten mit großen Schwingen, Krieger mit Waffen und Schildern, Erstürmungen von Festungswerken, Triumph- und Jagd-Züge u. s. w. Leider fehlten daran richtige Zeichnung, edle Haltung, Augenmaß und Perspektive. Die Hügel sammt den darauf befindlichen Festungen waren kaum dreimal so hoch als die Erstürmer, -- die Felder reichten bis an die Wolken, die Bäume und die Lotosblumen kannte man kaum aus einander, und die Köpfe von Menschen und Thieren waren alle aus einem Model und nur in Prosil*). An vielen Wänden fand man jene keilförmigen Zeichen oder Buchstaben, welche die sogenannte *) Die Gesichtszüge waren jedoch edel und richtig gehalten, und verriethen viel mehr Kunstsinn als alle übrigen Zeichnungen.
Vorschein. Ganze Reihen niedriger und höherer Erdhügel, die sich über die unermeßliche Ebene am linken Ufer des Tigris ausbreiten und in der unbegrenzten Ferne sich verlieren, decken, wie man nun mit Gewißheit angeben kann, die Ueberreste dieser Stadt. Im Jahre 1846 sandte die Gesellschaft des britischen Museums den ausgezeichneten Gelehrten, Herrn Layard, hieher, um Nachgrabungen zu unternehmen. Es waren die ersten Versuche, die je gemacht wurden, und sie gelangen sehr gut. Man grub hier bei Nebi-junus verschiedene Gänge in die Hügel und stieß bald auf große, herrliche Gemächer, deren Wände dicke Marmorplatten überkleideten, in welchen von oben bis unten Reliefs ausgehauen waren. Man sah da Könige mit Kronen und Schmuck, Göttergestalten mit großen Schwingen, Krieger mit Waffen und Schildern, Erstürmungen von Festungswerken, Triumph- und Jagd-Züge u. s. w. Leider fehlten daran richtige Zeichnung, edle Haltung, Augenmaß und Perspektive. Die Hügel sammt den darauf befindlichen Festungen waren kaum dreimal so hoch als die Erstürmer, — die Felder reichten bis an die Wolken, die Bäume und die Lotosblumen kannte man kaum aus einander, und die Köpfe von Menschen und Thieren waren alle aus einem Model und nur in Prosil*). An vielen Wänden fand man jene keilförmigen Zeichen oder Buchstaben, welche die sogenannte *) Die Gesichtszüge waren jedoch edel und richtig gehalten, und verriethen viel mehr Kunstsinn als alle übrigen Zeichnungen.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0175" n="167"/> Vorschein. Ganze Reihen niedriger und höherer Erdhügel, die sich über die unermeßliche Ebene am linken Ufer des Tigris ausbreiten und in der unbegrenzten Ferne sich verlieren, decken, wie man nun mit Gewißheit angeben kann, die Ueberreste dieser Stadt.</p> <p>Im Jahre 1846 sandte die Gesellschaft des britischen Museums den ausgezeichneten Gelehrten, Herrn Layard, hieher, um Nachgrabungen zu unternehmen. Es waren die ersten Versuche, die je gemacht wurden, und sie gelangen sehr gut.</p> <p>Man grub hier bei <hi rendition="#aq">Nebi-junus</hi> verschiedene Gänge in die Hügel und stieß bald auf große, herrliche Gemächer, deren Wände dicke Marmorplatten überkleideten, in welchen von oben bis unten Reliefs ausgehauen waren. Man sah da Könige mit Kronen und Schmuck, Göttergestalten mit großen Schwingen, Krieger mit Waffen und Schildern, Erstürmungen von Festungswerken, Triumph- und Jagd-Züge u. s. w. Leider fehlten daran richtige Zeichnung, edle Haltung, Augenmaß und Perspektive. Die Hügel sammt den darauf befindlichen Festungen waren kaum dreimal so hoch als die Erstürmer, — die Felder reichten bis an die Wolken, die Bäume und die Lotosblumen kannte man kaum aus einander, und die Köpfe von Menschen und Thieren waren alle aus einem Model und nur in Prosil<note place="foot" n="*)">Die Gesichtszüge waren jedoch edel und richtig gehalten, und verriethen viel mehr Kunstsinn als alle übrigen Zeichnungen.</note>. An vielen Wänden fand man jene keilförmigen Zeichen oder Buchstaben, welche die sogenannte </p> </div> </body> </text> </TEI> [167/0175]
Vorschein. Ganze Reihen niedriger und höherer Erdhügel, die sich über die unermeßliche Ebene am linken Ufer des Tigris ausbreiten und in der unbegrenzten Ferne sich verlieren, decken, wie man nun mit Gewißheit angeben kann, die Ueberreste dieser Stadt.
Im Jahre 1846 sandte die Gesellschaft des britischen Museums den ausgezeichneten Gelehrten, Herrn Layard, hieher, um Nachgrabungen zu unternehmen. Es waren die ersten Versuche, die je gemacht wurden, und sie gelangen sehr gut.
Man grub hier bei Nebi-junus verschiedene Gänge in die Hügel und stieß bald auf große, herrliche Gemächer, deren Wände dicke Marmorplatten überkleideten, in welchen von oben bis unten Reliefs ausgehauen waren. Man sah da Könige mit Kronen und Schmuck, Göttergestalten mit großen Schwingen, Krieger mit Waffen und Schildern, Erstürmungen von Festungswerken, Triumph- und Jagd-Züge u. s. w. Leider fehlten daran richtige Zeichnung, edle Haltung, Augenmaß und Perspektive. Die Hügel sammt den darauf befindlichen Festungen waren kaum dreimal so hoch als die Erstürmer, — die Felder reichten bis an die Wolken, die Bäume und die Lotosblumen kannte man kaum aus einander, und die Köpfe von Menschen und Thieren waren alle aus einem Model und nur in Prosil *). An vielen Wänden fand man jene keilförmigen Zeichen oder Buchstaben, welche die sogenannte
*) Die Gesichtszüge waren jedoch edel und richtig gehalten, und verriethen viel mehr Kunstsinn als alle übrigen Zeichnungen.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Sophie: A digital library of works by german-speaking women: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-06-28T07:11:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition
(2013-06-28T07:11:29Z)
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-06-28T07:11:29Z)
Weitere Informationen:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |