Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850.Neste mit einer halbverfallenen Citadelle. Kaum war unser Lager aufgeschlagen, so erschien ein halb Dutzend stark bewaffneter Soldaten unter Anführung eines Offiziers. Eine Zeitlang sprachen sie mit Ali, endlich stellte sich mir der Offizier vor, nahm Platz an meiner Seite, wies mir ein beschriebenes Papier und machte mir verschiedene Zeichen. Ich verstand bald so viel, daß ich nun auf persischem Grund und Boden sei, und daß man meinen Paß sehen wolle. Ich aber wollte ihn im Angesichte der ganzen Dorfgemeinde, die sich bereits um mich gesammelt hatte, nicht aus meinem Kofferchen herausnehmen, und erklärte daher dem Offizier ebenfalls durch Zeichen, daß ich ihn nicht verstände. Bei dieser Behauptung blieb ich, und der Mann ließ mich in Ruhe, indem er zu Ali sagte: Was soll ich mit ihr thun, sie versteht mich nicht, sie mag weiter ziehen*). -- Ich möchte wissen, in welchem europäischen Staate man so gelinde mit mir verfahren wäre! Beinahe in jedem Dorfe hatte ich alsbald einen großen Theil des Volkes um mich versammelt; man kann sich vorstellen, welcher Schwarm erst während dieser Verhandlung zusammen gelaufen kam. Dieses ewige Angaffen gehörte wahrlich zu den größeren Leiden meiner Reise. Wenn sich Weiber und Kinder völlig an mich andrängten und Kopf und Kleider zu betasten begannen, verging mir doch manchmal die Geduld. Ich nahm, obwohl ganz *) Ich hatte bereits auf der Straße, von Mossul bis hieher so viel Worte der Sprache aufgefaßt, um einiges zu verstehen.
Neste mit einer halbverfallenen Citadelle. Kaum war unser Lager aufgeschlagen, so erschien ein halb Dutzend stark bewaffneter Soldaten unter Anführung eines Offiziers. Eine Zeitlang sprachen sie mit Ali, endlich stellte sich mir der Offizier vor, nahm Platz an meiner Seite, wies mir ein beschriebenes Papier und machte mir verschiedene Zeichen. Ich verstand bald so viel, daß ich nun auf persischem Grund und Boden sei, und daß man meinen Paß sehen wolle. Ich aber wollte ihn im Angesichte der ganzen Dorfgemeinde, die sich bereits um mich gesammelt hatte, nicht aus meinem Kofferchen herausnehmen, und erklärte daher dem Offizier ebenfalls durch Zeichen, daß ich ihn nicht verstände. Bei dieser Behauptung blieb ich, und der Mann ließ mich in Ruhe, indem er zu Ali sagte: Was soll ich mit ihr thun, sie versteht mich nicht, sie mag weiter ziehen*). — Ich möchte wissen, in welchem europäischen Staate man so gelinde mit mir verfahren wäre! Beinahe in jedem Dorfe hatte ich alsbald einen großen Theil des Volkes um mich versammelt; man kann sich vorstellen, welcher Schwarm erst während dieser Verhandlung zusammen gelaufen kam. Dieses ewige Angaffen gehörte wahrlich zu den größeren Leiden meiner Reise. Wenn sich Weiber und Kinder völlig an mich andrängten und Kopf und Kleider zu betasten begannen, verging mir doch manchmal die Geduld. Ich nahm, obwohl ganz *) Ich hatte bereits auf der Straße, von Mossul bis hieher so viel Worte der Sprache aufgefaßt, um einiges zu verstehen.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0200" n="192"/> Neste mit einer halbverfallenen Citadelle. Kaum war unser Lager aufgeschlagen, so erschien ein halb Dutzend stark bewaffneter Soldaten unter Anführung eines Offiziers. Eine Zeitlang sprachen sie mit Ali, endlich stellte sich mir der Offizier vor, nahm Platz an meiner Seite, wies mir ein beschriebenes Papier und machte mir verschiedene Zeichen. Ich verstand bald so viel, daß ich nun auf persischem Grund und Boden sei, und daß man meinen Paß sehen wolle. Ich aber wollte ihn im Angesichte der ganzen Dorfgemeinde, die sich bereits um mich gesammelt hatte, nicht aus meinem Kofferchen herausnehmen, und erklärte daher dem Offizier ebenfalls durch Zeichen, daß ich ihn nicht verstände. Bei dieser Behauptung blieb ich, und der Mann ließ mich in Ruhe, indem er zu Ali sagte: Was soll ich mit ihr thun, sie versteht mich nicht, sie mag weiter ziehen<note place="foot" n="*)">Ich hatte bereits auf der Straße, von <hi rendition="#aq">Mossul</hi> bis hieher so viel Worte der Sprache aufgefaßt, um einiges zu verstehen.</note>. — Ich möchte wissen, in welchem europäischen Staate man so gelinde mit mir verfahren wäre!</p> <p>Beinahe in jedem Dorfe hatte ich alsbald einen großen Theil des Volkes um mich versammelt; man kann sich vorstellen, welcher Schwarm erst während dieser Verhandlung zusammen gelaufen kam. Dieses ewige Angaffen gehörte wahrlich zu den größeren Leiden meiner Reise. Wenn sich Weiber und Kinder völlig an mich andrängten und Kopf und Kleider zu betasten begannen, verging mir doch manchmal die Geduld. Ich nahm, obwohl <hi rendition="#aq">ganz </hi></p> </div> </body> </text> </TEI> [192/0200]
Neste mit einer halbverfallenen Citadelle. Kaum war unser Lager aufgeschlagen, so erschien ein halb Dutzend stark bewaffneter Soldaten unter Anführung eines Offiziers. Eine Zeitlang sprachen sie mit Ali, endlich stellte sich mir der Offizier vor, nahm Platz an meiner Seite, wies mir ein beschriebenes Papier und machte mir verschiedene Zeichen. Ich verstand bald so viel, daß ich nun auf persischem Grund und Boden sei, und daß man meinen Paß sehen wolle. Ich aber wollte ihn im Angesichte der ganzen Dorfgemeinde, die sich bereits um mich gesammelt hatte, nicht aus meinem Kofferchen herausnehmen, und erklärte daher dem Offizier ebenfalls durch Zeichen, daß ich ihn nicht verstände. Bei dieser Behauptung blieb ich, und der Mann ließ mich in Ruhe, indem er zu Ali sagte: Was soll ich mit ihr thun, sie versteht mich nicht, sie mag weiter ziehen *). — Ich möchte wissen, in welchem europäischen Staate man so gelinde mit mir verfahren wäre!
Beinahe in jedem Dorfe hatte ich alsbald einen großen Theil des Volkes um mich versammelt; man kann sich vorstellen, welcher Schwarm erst während dieser Verhandlung zusammen gelaufen kam. Dieses ewige Angaffen gehörte wahrlich zu den größeren Leiden meiner Reise. Wenn sich Weiber und Kinder völlig an mich andrängten und Kopf und Kleider zu betasten begannen, verging mir doch manchmal die Geduld. Ich nahm, obwohl ganz
*) Ich hatte bereits auf der Straße, von Mossul bis hieher so viel Worte der Sprache aufgefaßt, um einiges zu verstehen.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Sophie: A digital library of works by german-speaking women: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-06-28T07:11:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition
(2013-06-28T07:11:29Z)
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-06-28T07:11:29Z)
Weitere Informationen:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |