Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850.üppiger Fülle. Die Häuser sind nett und zierlich, die grün lakirten Kirchenthürme und Kasernen sehen gar freundlich dazwischen heraus. Der bedeutende Fluß Ribon*) trennt die Stadt von der großen Citadelle, die einen reizenden Hügel höchst malerisch einnimmt. Die Kleidertracht des Volkes ist eben so verschiedenartig als um Tiflis; wahrhaft komisch sieht die Kopfbedeckung der mingrelischen Bauern aus. Diese tragen nämlich runde, schwarze, tellerartige Filzplatten, die mit einer Schnur unter dem Kinne festgebunden werden. Die Weiber tragen häufig die tartarische Shauba, worüber sie einen Schleier werfen, der aber zurückgeschlagen wird, so daß man das ganze Gesicht sieht. Die Männer tragen des Morgens und bei Regenwetter große, schwarze Schafs- oder Filz-Krägen (Burki), die bis über die Kniee reichen. -- Ich muß nebenbei erwähnen, daß man die berühmten georgischen Schönheiten ja nicht unter dem gemeinen Volke suchen darf. Dieses fand ich im Durchschnitt eben nicht am reizendsten. Merkwürdig sind die Wagen, deren sich die Bauern bedienen; der Vordertheil ruht auf Kufen oder Schleifen, der Hintertheil auf zwei kleinen plumpen Holzscheiben. Mein Aufenthalt in Kutais war durch den Mangel an Pferden veranlaßt worden; erst Nachmittags zwei Uhr konnte ich meine Reise fortsetzten. Ich hatte zwei Stationen *) Der Fluß Ribon, auch Rione genannt, wird für einen der vier Flüsse des Paradieses gehalten, und war unter dem Namen Pisoa bekannt. Sein Wasser hielt man auch einst für heilig. Er ist, der vielen Baumstämme wegen, für große Schiffe nicht fahrbar.
üppiger Fülle. Die Häuser sind nett und zierlich, die grün lakirten Kirchenthürme und Kasernen sehen gar freundlich dazwischen heraus. Der bedeutende Fluß Ribon*) trennt die Stadt von der großen Citadelle, die einen reizenden Hügel höchst malerisch einnimmt. Die Kleidertracht des Volkes ist eben so verschiedenartig als um Tiflis; wahrhaft komisch sieht die Kopfbedeckung der mingrelischen Bauern aus. Diese tragen nämlich runde, schwarze, tellerartige Filzplatten, die mit einer Schnur unter dem Kinne festgebunden werden. Die Weiber tragen häufig die tartarische Shauba, worüber sie einen Schleier werfen, der aber zurückgeschlagen wird, so daß man das ganze Gesicht sieht. Die Männer tragen des Morgens und bei Regenwetter große, schwarze Schafs- oder Filz-Krägen (Burki), die bis über die Kniee reichen. — Ich muß nebenbei erwähnen, daß man die berühmten georgischen Schönheiten ja nicht unter dem gemeinen Volke suchen darf. Dieses fand ich im Durchschnitt eben nicht am reizendsten. Merkwürdig sind die Wagen, deren sich die Bauern bedienen; der Vordertheil ruht auf Kufen oder Schleifen, der Hintertheil auf zwei kleinen plumpen Holzscheiben. Mein Aufenthalt in Kutais war durch den Mangel an Pferden veranlaßt worden; erst Nachmittags zwei Uhr konnte ich meine Reise fortsetzten. Ich hatte zwei Stationen *) Der Fluß Ribon, auch Rione genannt, wird für einen der vier Flüsse des Paradieses gehalten, und war unter dem Namen Pisoa bekannt. Sein Wasser hielt man auch einst für heilig. Er ist, der vielen Baumstämme wegen, für große Schiffe nicht fahrbar.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0280" n="272"/> üppiger Fülle. Die Häuser sind nett und zierlich, die grün lakirten Kirchenthürme und Kasernen sehen gar freundlich dazwischen heraus. Der bedeutende Fluß Ribon<note place="foot" n="*)">Der Fluß Ribon, auch Rione genannt, wird für einen der vier Flüsse des Paradieses gehalten, und war unter dem Namen Pisoa bekannt. Sein Wasser hielt man auch einst für heilig. Er ist, der vielen Baumstämme wegen, für große Schiffe nicht fahrbar.</note> trennt die Stadt von der großen Citadelle, die einen reizenden Hügel höchst malerisch einnimmt.</p> <p>Die Kleidertracht des Volkes ist eben so verschiedenartig als um <hi rendition="#aq">Tiflis</hi>; wahrhaft komisch sieht die Kopfbedeckung der mingrelischen Bauern aus. Diese tragen nämlich runde, schwarze, tellerartige Filzplatten, die mit einer Schnur unter dem Kinne festgebunden werden. Die Weiber tragen häufig die tartarische Shauba, worüber sie einen Schleier werfen, der aber zurückgeschlagen wird, so daß man das ganze Gesicht sieht. Die Männer tragen des Morgens und bei Regenwetter große, schwarze Schafs- oder Filz-Krägen (Burki), die bis über die Kniee reichen. — Ich muß nebenbei erwähnen, daß man die berühmten georgischen Schönheiten ja nicht unter dem gemeinen Volke suchen darf. Dieses fand ich im Durchschnitt eben nicht am reizendsten.</p> <p>Merkwürdig sind die Wagen, deren sich die Bauern bedienen; der Vordertheil ruht auf Kufen oder Schleifen, der Hintertheil auf zwei kleinen plumpen Holzscheiben.</p> <p>Mein Aufenthalt in <hi rendition="#aq">Kutais</hi> war durch den Mangel an Pferden veranlaßt worden; erst Nachmittags zwei Uhr konnte ich meine Reise fortsetzten. Ich hatte zwei Stationen </p> </div> </body> </text> </TEI> [272/0280]
üppiger Fülle. Die Häuser sind nett und zierlich, die grün lakirten Kirchenthürme und Kasernen sehen gar freundlich dazwischen heraus. Der bedeutende Fluß Ribon *) trennt die Stadt von der großen Citadelle, die einen reizenden Hügel höchst malerisch einnimmt.
Die Kleidertracht des Volkes ist eben so verschiedenartig als um Tiflis; wahrhaft komisch sieht die Kopfbedeckung der mingrelischen Bauern aus. Diese tragen nämlich runde, schwarze, tellerartige Filzplatten, die mit einer Schnur unter dem Kinne festgebunden werden. Die Weiber tragen häufig die tartarische Shauba, worüber sie einen Schleier werfen, der aber zurückgeschlagen wird, so daß man das ganze Gesicht sieht. Die Männer tragen des Morgens und bei Regenwetter große, schwarze Schafs- oder Filz-Krägen (Burki), die bis über die Kniee reichen. — Ich muß nebenbei erwähnen, daß man die berühmten georgischen Schönheiten ja nicht unter dem gemeinen Volke suchen darf. Dieses fand ich im Durchschnitt eben nicht am reizendsten.
Merkwürdig sind die Wagen, deren sich die Bauern bedienen; der Vordertheil ruht auf Kufen oder Schleifen, der Hintertheil auf zwei kleinen plumpen Holzscheiben.
Mein Aufenthalt in Kutais war durch den Mangel an Pferden veranlaßt worden; erst Nachmittags zwei Uhr konnte ich meine Reise fortsetzten. Ich hatte zwei Stationen
*) Der Fluß Ribon, auch Rione genannt, wird für einen der vier Flüsse des Paradieses gehalten, und war unter dem Namen Pisoa bekannt. Sein Wasser hielt man auch einst für heilig. Er ist, der vielen Baumstämme wegen, für große Schiffe nicht fahrbar.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Sophie: A digital library of works by german-speaking women: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-06-28T07:11:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition
(2013-06-28T07:11:29Z)
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-06-28T07:11:29Z)
Weitere Informationen:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |