Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850.brachte Brot, Backwerk, Früchte u. s. w. als Opfer in die Kirche. Alle diese Opfer wurden in einem Winkel derselben aufgespeichert. Nach Beendigung des Gottesdienstes segnete sie der Priester ein, gab einige Brosamen davon an die ihn belagernden Bettler, ließ das übrige in Körbe packen und nach seiner Wohnung schaffen. In den Nachmittagsstunden wandelte fast die ganze Bevölkerung nach den Friedhöfen. Die gemeinen Leute nahmen auch dahin Lebensmittel mit, die ebenfalls vom Priester eingesegnet, aber von den Eigenthümern selbst mit Lust verzehrt wurden. Unter dem Volke sah ich nur wenige in russischer Kleidung. Die ächt russische Tracht besteht für Weiber und Männer aus langen, weiten, blauen Tuchröcken; die Männer tragen niedere Filzhüte mit breiten Krempen und haben die Haare gleichmäßig rund geschnitten; die Weiber binden kleine seidene Tücher um den Kopf. Bevor ich Kertsch verlasse, muß ich noch erwähnen, daß in der Nähe Naphta-Quellen sind, die ich aber nicht besuchte, da sie der Beschreibung nach, die man mir von ihnen machte, ganz jenen in Tiflis gleichen. Das nächste Ziel meiner Reise war Odessa. Ich hatte zwei Wege zu wählen, den Land- und den Seeweg. Ersterer soll viel des Schönen und Interessanten bieten; ich zog jedoch unbedingt den letztern vor, da ich erstens keine besondere Vorliebe für die russische Post fühlte, und zweitens mich herzlich sehnte, die Marken Rußland baldigst im Rücken zu haben. Am 27. September, Morgens acht Uhr, ging ich an Bord des russischen Dampfers Dargo, von hundert Pferdekraft. brachte Brot, Backwerk, Früchte u. s. w. als Opfer in die Kirche. Alle diese Opfer wurden in einem Winkel derselben aufgespeichert. Nach Beendigung des Gottesdienstes segnete sie der Priester ein, gab einige Brosamen davon an die ihn belagernden Bettler, ließ das übrige in Körbe packen und nach seiner Wohnung schaffen. In den Nachmittagsstunden wandelte fast die ganze Bevölkerung nach den Friedhöfen. Die gemeinen Leute nahmen auch dahin Lebensmittel mit, die ebenfalls vom Priester eingesegnet, aber von den Eigenthümern selbst mit Lust verzehrt wurden. Unter dem Volke sah ich nur wenige in russischer Kleidung. Die ächt russische Tracht besteht für Weiber und Männer aus langen, weiten, blauen Tuchröcken; die Männer tragen niedere Filzhüte mit breiten Krempen und haben die Haare gleichmäßig rund geschnitten; die Weiber binden kleine seidene Tücher um den Kopf. Bevor ich Kertsch verlasse, muß ich noch erwähnen, daß in der Nähe Naphta-Quellen sind, die ich aber nicht besuchte, da sie der Beschreibung nach, die man mir von ihnen machte, ganz jenen in Tiflis gleichen. Das nächste Ziel meiner Reise war Odessa. Ich hatte zwei Wege zu wählen, den Land- und den Seeweg. Ersterer soll viel des Schönen und Interessanten bieten; ich zog jedoch unbedingt den letztern vor, da ich erstens keine besondere Vorliebe für die russische Post fühlte, und zweitens mich herzlich sehnte, die Marken Rußland baldigst im Rücken zu haben. Am 27. September, Morgens acht Uhr, ging ich an Bord des russischen Dampfers Dargo, von hundert Pferdekraft. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0299" n="291"/> brachte Brot, Backwerk, Früchte u. s. w. als Opfer in die Kirche. Alle diese Opfer wurden in einem Winkel derselben aufgespeichert. Nach Beendigung des Gottesdienstes segnete sie der Priester ein, gab einige Brosamen davon an die ihn belagernden Bettler, ließ das übrige in Körbe packen und nach seiner Wohnung schaffen. In den Nachmittagsstunden wandelte fast die ganze Bevölkerung nach den Friedhöfen. Die gemeinen Leute nahmen auch dahin Lebensmittel mit, die ebenfalls vom Priester eingesegnet, aber von den Eigenthümern selbst mit Lust verzehrt wurden.</p> <p>Unter dem Volke sah ich nur wenige in russischer Kleidung. Die ächt russische Tracht besteht für Weiber und Männer aus langen, weiten, blauen Tuchröcken; die Männer tragen niedere Filzhüte mit breiten Krempen und haben die Haare gleichmäßig rund geschnitten; die Weiber binden kleine seidene Tücher um den Kopf.</p> <p>Bevor ich <hi rendition="#aq">Kertsch</hi> verlasse, muß ich noch erwähnen, daß in der Nähe Naphta-Quellen sind, die ich aber nicht besuchte, da sie der Beschreibung nach, die man mir von ihnen machte, ganz jenen in <hi rendition="#aq">Tiflis</hi> gleichen.</p> <p>Das nächste Ziel meiner Reise war <hi rendition="#aq">Odessa</hi>. Ich hatte zwei Wege zu wählen, den Land- und den Seeweg. Ersterer soll viel des Schönen und Interessanten bieten; ich zog jedoch unbedingt den letztern vor, da ich erstens keine besondere Vorliebe für die russische Post fühlte, und zweitens mich herzlich sehnte, die Marken Rußland baldigst im Rücken zu haben.</p> <p>Am 27. September, Morgens acht Uhr, ging ich an Bord des russischen Dampfers Dargo, von hundert Pferdekraft. </p> </div> </body> </text> </TEI> [291/0299]
brachte Brot, Backwerk, Früchte u. s. w. als Opfer in die Kirche. Alle diese Opfer wurden in einem Winkel derselben aufgespeichert. Nach Beendigung des Gottesdienstes segnete sie der Priester ein, gab einige Brosamen davon an die ihn belagernden Bettler, ließ das übrige in Körbe packen und nach seiner Wohnung schaffen. In den Nachmittagsstunden wandelte fast die ganze Bevölkerung nach den Friedhöfen. Die gemeinen Leute nahmen auch dahin Lebensmittel mit, die ebenfalls vom Priester eingesegnet, aber von den Eigenthümern selbst mit Lust verzehrt wurden.
Unter dem Volke sah ich nur wenige in russischer Kleidung. Die ächt russische Tracht besteht für Weiber und Männer aus langen, weiten, blauen Tuchröcken; die Männer tragen niedere Filzhüte mit breiten Krempen und haben die Haare gleichmäßig rund geschnitten; die Weiber binden kleine seidene Tücher um den Kopf.
Bevor ich Kertsch verlasse, muß ich noch erwähnen, daß in der Nähe Naphta-Quellen sind, die ich aber nicht besuchte, da sie der Beschreibung nach, die man mir von ihnen machte, ganz jenen in Tiflis gleichen.
Das nächste Ziel meiner Reise war Odessa. Ich hatte zwei Wege zu wählen, den Land- und den Seeweg. Ersterer soll viel des Schönen und Interessanten bieten; ich zog jedoch unbedingt den letztern vor, da ich erstens keine besondere Vorliebe für die russische Post fühlte, und zweitens mich herzlich sehnte, die Marken Rußland baldigst im Rücken zu haben.
Am 27. September, Morgens acht Uhr, ging ich an Bord des russischen Dampfers Dargo, von hundert Pferdekraft.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Sophie: A digital library of works by german-speaking women: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-06-28T07:11:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition
(2013-06-28T07:11:29Z)
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-06-28T07:11:29Z)
Weitere Informationen:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |