Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850.Abends landeten wir an dem ersehnten Ziele. Der erste Besuch galt der Gesundheitswache, die unsere, von der Quarantaine mitgebrachten Zeugnisse mit gebührender Langsamkeit durchstudierte. Es fand sich leider niemand unter uns, der ihr Studium durch Spendung einiger Drachmen leichter verständlich gemacht hätte. Die Polizei durfte natürlich auch nicht übergangen werden, war aber schon geschlossen, in Folge dessen wir das Städtchen nicht verlassen durften. Ich ging in ein großes, schön aussehendes Kaffehhaus (diese sind zugleich Gasthäuser), um ein Nachtquartier zu suchen. Man führte mich in ein Zimmer, in welchem die Hälfte der Fensterscheiben zerbrochen war. Der Aufwärter meinte, das hätte nichts zu sagen, man brauche nur die Läden zu schließen. Im übrigen sah das Zimmer nicht ganz schlecht aus; kaum hatte ich aber vom Bette Besitz genommen, so zwangen mich gewisse Thiere die Flucht zu ergreifen. Ich begab mich auf das Kanapee, wo es mir nicht besser erging, endlich auf einen Stuhl, auf welchem ich die Nacht gerade nicht in der bequemsten Stellung verbrachte. Schon zu Aegina hatte man mir von der großen Unsauberkeit und dem vielen Ungeziefer der piräischen Gasthöfe gesprochen und mich gewarnt, da eine Nacht zuzubringen; was war aber zu thun, da wir die Stadt nicht ohne polizeiliche Erlaubniß verlassen durften? 22. October. Von dem Hafenorte Piräus nach der Stadt Athen sind dreizehn Stadien oder sechs engl. Meilen. Die Straße führt zwischen kahlen Hügeln und Oelpflanzungen durch; die Akropolis hat man stets vor sich, die Abends landeten wir an dem ersehnten Ziele. Der erste Besuch galt der Gesundheitswache, die unsere, von der Quarantaine mitgebrachten Zeugnisse mit gebührender Langsamkeit durchstudierte. Es fand sich leider niemand unter uns, der ihr Studium durch Spendung einiger Drachmen leichter verständlich gemacht hätte. Die Polizei durfte natürlich auch nicht übergangen werden, war aber schon geschlossen, in Folge dessen wir das Städtchen nicht verlassen durften. Ich ging in ein großes, schön aussehendes Kaffehhaus (diese sind zugleich Gasthäuser), um ein Nachtquartier zu suchen. Man führte mich in ein Zimmer, in welchem die Hälfte der Fensterscheiben zerbrochen war. Der Aufwärter meinte, das hätte nichts zu sagen, man brauche nur die Läden zu schließen. Im übrigen sah das Zimmer nicht ganz schlecht aus; kaum hatte ich aber vom Bette Besitz genommen, so zwangen mich gewisse Thiere die Flucht zu ergreifen. Ich begab mich auf das Kanapee, wo es mir nicht besser erging, endlich auf einen Stuhl, auf welchem ich die Nacht gerade nicht in der bequemsten Stellung verbrachte. Schon zu Aegina hatte man mir von der großen Unsauberkeit und dem vielen Ungeziefer der piräischen Gasthöfe gesprochen und mich gewarnt, da eine Nacht zuzubringen; was war aber zu thun, da wir die Stadt nicht ohne polizeiliche Erlaubniß verlassen durften? 22. October. Von dem Hafenorte Piräus nach der Stadt Athen sind dreizehn Stadien oder sechs engl. Meilen. Die Straße führt zwischen kahlen Hügeln und Oelpflanzungen durch; die Akropolis hat man stets vor sich, die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0320" n="312"/> Abends landeten wir an dem ersehnten Ziele. Der erste Besuch galt der Gesundheitswache, die unsere, von der Quarantaine mitgebrachten Zeugnisse mit gebührender Langsamkeit durchstudierte. Es fand sich leider niemand unter uns, der ihr Studium durch Spendung einiger Drachmen leichter verständlich gemacht hätte. Die Polizei durfte natürlich auch nicht übergangen werden, war aber schon geschlossen, in Folge dessen wir das Städtchen nicht verlassen durften. Ich ging in ein großes, schön aussehendes Kaffehhaus (diese sind zugleich Gasthäuser), um ein Nachtquartier zu suchen. Man führte mich in ein Zimmer, in welchem die Hälfte der Fensterscheiben zerbrochen war. Der Aufwärter meinte, das hätte nichts zu sagen, man brauche nur die Läden zu schließen. Im übrigen sah das Zimmer nicht ganz schlecht aus; kaum hatte ich aber vom Bette Besitz genommen, so zwangen mich gewisse Thiere die Flucht zu ergreifen. Ich begab mich auf das Kanapee, wo es mir nicht besser erging, endlich auf einen Stuhl, auf welchem ich die Nacht gerade nicht in der bequemsten Stellung verbrachte.</p> <p>Schon zu <hi rendition="#aq">Aegina</hi> hatte man mir von der großen Unsauberkeit und dem vielen Ungeziefer der piräischen Gasthöfe gesprochen und mich gewarnt, da eine Nacht zuzubringen; was war aber zu thun, da wir die Stadt nicht ohne polizeiliche Erlaubniß verlassen durften?</p> <p>22. October. Von dem Hafenorte <hi rendition="#aq">Piräus</hi> nach der Stadt <hi rendition="#aq">Athen</hi> sind dreizehn Stadien oder sechs engl. Meilen. Die Straße führt zwischen kahlen Hügeln und Oelpflanzungen durch; die <hi rendition="#aq">Akropolis</hi> hat man stets vor sich, die </p> </div> </body> </text> </TEI> [312/0320]
Abends landeten wir an dem ersehnten Ziele. Der erste Besuch galt der Gesundheitswache, die unsere, von der Quarantaine mitgebrachten Zeugnisse mit gebührender Langsamkeit durchstudierte. Es fand sich leider niemand unter uns, der ihr Studium durch Spendung einiger Drachmen leichter verständlich gemacht hätte. Die Polizei durfte natürlich auch nicht übergangen werden, war aber schon geschlossen, in Folge dessen wir das Städtchen nicht verlassen durften. Ich ging in ein großes, schön aussehendes Kaffehhaus (diese sind zugleich Gasthäuser), um ein Nachtquartier zu suchen. Man führte mich in ein Zimmer, in welchem die Hälfte der Fensterscheiben zerbrochen war. Der Aufwärter meinte, das hätte nichts zu sagen, man brauche nur die Läden zu schließen. Im übrigen sah das Zimmer nicht ganz schlecht aus; kaum hatte ich aber vom Bette Besitz genommen, so zwangen mich gewisse Thiere die Flucht zu ergreifen. Ich begab mich auf das Kanapee, wo es mir nicht besser erging, endlich auf einen Stuhl, auf welchem ich die Nacht gerade nicht in der bequemsten Stellung verbrachte.
Schon zu Aegina hatte man mir von der großen Unsauberkeit und dem vielen Ungeziefer der piräischen Gasthöfe gesprochen und mich gewarnt, da eine Nacht zuzubringen; was war aber zu thun, da wir die Stadt nicht ohne polizeiliche Erlaubniß verlassen durften?
22. October. Von dem Hafenorte Piräus nach der Stadt Athen sind dreizehn Stadien oder sechs engl. Meilen. Die Straße führt zwischen kahlen Hügeln und Oelpflanzungen durch; die Akropolis hat man stets vor sich, die
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Zitationshilfe: | Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt03_1850/320>, abgerufen am 18.07.2024. |