Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850.

Bild:
<< vorherige Seite

Gleich in der ersten Zeit meiner Ankunft ging ich eines Morgens auf die Esplanaden der Stadt, um, wie ich gelesen hatte, die große Menge von Parsi (man rechnet im Ganzen nur 6000 Parsi auf der Insel Bombay) zu sehen, die sich daselbst versammeln, dem ersten Sonnenstrahle entgegenharren, sich bei seinem Erscheinen, wie auf ein gegebenes Zeichen zur Erde stürzen und ein lautes Freudengeschrei erheben. Ich sah wohl mehrere Parsi, aber nicht in Gruppen, sondern einzeln hin und wieder stehen, aus einem Buche still lesend oder vor sich hin ein Gebet murmelnd. Auch kamen sie nicht zu gleicher Zeit, -- noch um neun Uhr erschienen manche.

Ebenso erging es mir mit den Leichen, die auf den Dächern, den Raubvögeln zur Beute, ausgestellt sein sollten, -- ich sah keine einzige. In Calcutta hatte mir ein Herr V..., der erst kürzlich aus Bombay gekommen war, versichert, deren selbst viele gesehen zu haben. Ich konnte mir nicht denken, daß die englische Regierung eine solche barbarische, der Gesundheit schädliche Verfahrungsweise erlauben sollte; allein ich mußte es vor der Hand glauben. Meine erste Frage, als ich Herrn Manuckjee kennen lernte, war, auf welche Art die Parsi ihre Todten begraben. Er führte mich auf einen Hügel außerhalb der Stadt und zeigte mir eine vierundzwanzig Fuß hohe Mauer, die einen runden Raum von ungefähr sechzig Fuß im Durchmesser umschloß. Innerhalb dieser Mauer, sagte er, sei eine Bahre mit drei Abtheilungen aufgemauert und daneben eine große Grube ausgegraben. Die Körper der Verstorbenen werden auf die Bahre gelegt, und zwar die Männer auf die erste, die Weiber auf

Gleich in der ersten Zeit meiner Ankunft ging ich eines Morgens auf die Esplanaden der Stadt, um, wie ich gelesen hatte, die große Menge von Parsi (man rechnet im Ganzen nur 6000 Parsi auf der Insel Bombay) zu sehen, die sich daselbst versammeln, dem ersten Sonnenstrahle entgegenharren, sich bei seinem Erscheinen, wie auf ein gegebenes Zeichen zur Erde stürzen und ein lautes Freudengeschrei erheben. Ich sah wohl mehrere Parsi, aber nicht in Gruppen, sondern einzeln hin und wieder stehen, aus einem Buche still lesend oder vor sich hin ein Gebet murmelnd. Auch kamen sie nicht zu gleicher Zeit, — noch um neun Uhr erschienen manche.

Ebenso erging es mir mit den Leichen, die auf den Dächern, den Raubvögeln zur Beute, ausgestellt sein sollten, — ich sah keine einzige. In Calcutta hatte mir ein Herr V..., der erst kürzlich aus Bombay gekommen war, versichert, deren selbst viele gesehen zu haben. Ich konnte mir nicht denken, daß die englische Regierung eine solche barbarische, der Gesundheit schädliche Verfahrungsweise erlauben sollte; allein ich mußte es vor der Hand glauben. Meine erste Frage, als ich Herrn Manuckjee kennen lernte, war, auf welche Art die Parsi ihre Todten begraben. Er führte mich auf einen Hügel außerhalb der Stadt und zeigte mir eine vierundzwanzig Fuß hohe Mauer, die einen runden Raum von ungefähr sechzig Fuß im Durchmesser umschloß. Innerhalb dieser Mauer, sagte er, sei eine Bahre mit drei Abtheilungen aufgemauert und daneben eine große Grube ausgegraben. Die Körper der Verstorbenen werden auf die Bahre gelegt, und zwar die Männer auf die erste, die Weiber auf

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0085" n="77"/>
        <p>Gleich in der ersten Zeit meiner Ankunft ging ich eines Morgens auf die Esplanaden der Stadt, um, wie ich gelesen hatte, die große Menge von Parsi (man rechnet im Ganzen nur 6000 Parsi auf der Insel <hi rendition="#aq">Bombay</hi>) zu sehen, die sich daselbst versammeln, dem ersten Sonnenstrahle entgegenharren, sich bei seinem Erscheinen, wie auf ein gegebenes Zeichen zur Erde stürzen und ein lautes Freudengeschrei erheben. Ich sah wohl mehrere Parsi, aber nicht in Gruppen, sondern einzeln hin und wieder stehen, aus einem Buche still lesend oder vor sich hin ein Gebet murmelnd. Auch kamen sie nicht zu gleicher Zeit, &#x2014; noch um neun Uhr erschienen manche.</p>
        <p>Ebenso erging es mir mit den Leichen, die auf den Dächern, den Raubvögeln zur Beute, ausgestellt sein sollten, &#x2014; ich sah keine einzige. In <hi rendition="#aq">Calcutta</hi> hatte mir ein Herr V..., der erst kürzlich aus <hi rendition="#aq">Bombay</hi> gekommen war, versichert, deren selbst viele gesehen zu haben. Ich konnte mir nicht denken, daß die englische Regierung eine solche barbarische, der Gesundheit schädliche Verfahrungsweise erlauben sollte; allein ich mußte es vor der Hand glauben. Meine erste Frage, als ich Herrn Manuckjee kennen lernte, war, auf welche Art die Parsi ihre Todten begraben. Er führte mich auf einen Hügel außerhalb der Stadt und zeigte mir eine vierundzwanzig Fuß hohe Mauer, die einen runden Raum von ungefähr sechzig Fuß im Durchmesser umschloß. Innerhalb dieser Mauer, sagte er, sei eine Bahre mit drei Abtheilungen aufgemauert und daneben eine große Grube ausgegraben. Die Körper der Verstorbenen werden auf die Bahre gelegt, und zwar die Männer auf die erste, die Weiber auf
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[77/0085] Gleich in der ersten Zeit meiner Ankunft ging ich eines Morgens auf die Esplanaden der Stadt, um, wie ich gelesen hatte, die große Menge von Parsi (man rechnet im Ganzen nur 6000 Parsi auf der Insel Bombay) zu sehen, die sich daselbst versammeln, dem ersten Sonnenstrahle entgegenharren, sich bei seinem Erscheinen, wie auf ein gegebenes Zeichen zur Erde stürzen und ein lautes Freudengeschrei erheben. Ich sah wohl mehrere Parsi, aber nicht in Gruppen, sondern einzeln hin und wieder stehen, aus einem Buche still lesend oder vor sich hin ein Gebet murmelnd. Auch kamen sie nicht zu gleicher Zeit, — noch um neun Uhr erschienen manche. Ebenso erging es mir mit den Leichen, die auf den Dächern, den Raubvögeln zur Beute, ausgestellt sein sollten, — ich sah keine einzige. In Calcutta hatte mir ein Herr V..., der erst kürzlich aus Bombay gekommen war, versichert, deren selbst viele gesehen zu haben. Ich konnte mir nicht denken, daß die englische Regierung eine solche barbarische, der Gesundheit schädliche Verfahrungsweise erlauben sollte; allein ich mußte es vor der Hand glauben. Meine erste Frage, als ich Herrn Manuckjee kennen lernte, war, auf welche Art die Parsi ihre Todten begraben. Er führte mich auf einen Hügel außerhalb der Stadt und zeigte mir eine vierundzwanzig Fuß hohe Mauer, die einen runden Raum von ungefähr sechzig Fuß im Durchmesser umschloß. Innerhalb dieser Mauer, sagte er, sei eine Bahre mit drei Abtheilungen aufgemauert und daneben eine große Grube ausgegraben. Die Körper der Verstorbenen werden auf die Bahre gelegt, und zwar die Männer auf die erste, die Weiber auf

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Sophie: A digital library of works by german-speaking women: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-06-28T07:11:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition (2013-06-28T07:11:29Z)
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-06-28T07:11:29Z)

Weitere Informationen:

  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.) sind nicht konsequent wie in der Vorlage gekennzeichnet



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt03_1850
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt03_1850/85
Zitationshilfe: Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt03_1850/85>, abgerufen am 21.11.2024.