Pfleiderer, Edmund: Kosmopolitismus und Patriotismus. Berlin, 1874.in der Scholle, dem Fluß, dem Berg ihr Vaterland erkennen, Allen Respekt vor Entwickelung und Fortschritt, dieser Ehre Lassen wir uns zuerst von der Geschichte belehren, wo sich in der Scholle, dem Fluß, dem Berg ihr Vaterland erkennen, Allen Reſpekt vor Entwickelung und Fortſchritt, dieſer Ehre Laſſen wir uns zuerſt von der Geſchichte belehren, wo ſich <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0021" n="11"/> in der Scholle, dem Fluß, dem Berg ihr Vaterland erkennen,<lb/> Bürger des geſunkenen Staates bleiben; ſie behalten, was ſie<lb/> wollten und was ſie beglückt. Der ſonnenverwandte Geiſt wird<lb/> unwiderſtehlich angezogen werden und ſich hinwenden, wo Licht iſt<lb/> und Recht. Und in dieſem Weltbürgerſinn können wir dann über<lb/> die Handlungen und Schickſale der Staaten uns beruhigen für<lb/> uns ſelbſt und unſere Nachkommen bis ans Ende der Tage.“</p><lb/> <p>Allen Reſpekt vor Entwickelung und Fortſchritt, dieſer Ehre<lb/> der ſtrebenden Menſchheit, vor den Errungenſchaften der Wiſſen¬<lb/> ſchaft und Technik, welche als Pionniere des Geiſtes das Ferne<lb/> uns nahe rücken, das Fremde bekannt und beinahe heimiſch machen.<lb/> Alle Achtung namentlich auch vor einem ſolchen offenen Geiſtesblick,<lb/> der das Weiteſte umſpannt und nicht etwa trägen Sinnes ſich<lb/> eine voreilige Grenze als Ruheplatz ſetzt, indem er ſeine Beſchränkt¬<lb/> heit für Tugend und Wahrheit ausgibt! Aber jene überſchwängliche<lb/> Werthſchätzung des Zugs in die Ferne, jene einſeitige und aus¬<lb/> ſchließliche Betonung des Allgemeinen und Ganzen — ob ſie nicht<lb/> vielleicht mindeſtens ebenſo bedenklich iſt, als das bornirte Kleben<lb/> am Nächſten und Einzelnen; ob eine derartige kühne Verlegung<lb/> des Standpunkts für Gefühl und Intereſſe, für ruhende oder thä¬<lb/> tige Sympathie in Freud' und Leid, eine Verlegung weg vom<lb/> feſten Boden und hinein ins Blaue, nicht im innerſten Grund<lb/> trotz aller ſchönen Redensarten Schwindel iſt und Schwindel pro¬<lb/> duzirt, im ſtolzen Wahn der hohen Bildung doch nur eine krank¬<lb/> hafte Ueber- und Verbildung der geſunden Natur?</p><lb/> <p>Laſſen wir uns zuerſt von der <hi rendition="#g">Geſchichte</hi> belehren, wo ſich<lb/> in ihr der Kosmopolitismus vornehmlich zeigt. Derſelbe iſt ein<lb/> geborener großer Phraſeur und hat uns bis jetzt nur ſeine Licht¬<lb/> ſeiten gewieſen. Aber wir müſſen doch auch einmal den Revers<lb/> beſchauen und ihm hinter die Kuliſſen ſehen, ob ſein Glanz nicht<lb/> am Ende eitel Flittergold und Theaterherrlichkeit iſt!</p><lb/> </body> </text> </TEI> [11/0021]
in der Scholle, dem Fluß, dem Berg ihr Vaterland erkennen,
Bürger des geſunkenen Staates bleiben; ſie behalten, was ſie
wollten und was ſie beglückt. Der ſonnenverwandte Geiſt wird
unwiderſtehlich angezogen werden und ſich hinwenden, wo Licht iſt
und Recht. Und in dieſem Weltbürgerſinn können wir dann über
die Handlungen und Schickſale der Staaten uns beruhigen für
uns ſelbſt und unſere Nachkommen bis ans Ende der Tage.“
Allen Reſpekt vor Entwickelung und Fortſchritt, dieſer Ehre
der ſtrebenden Menſchheit, vor den Errungenſchaften der Wiſſen¬
ſchaft und Technik, welche als Pionniere des Geiſtes das Ferne
uns nahe rücken, das Fremde bekannt und beinahe heimiſch machen.
Alle Achtung namentlich auch vor einem ſolchen offenen Geiſtesblick,
der das Weiteſte umſpannt und nicht etwa trägen Sinnes ſich
eine voreilige Grenze als Ruheplatz ſetzt, indem er ſeine Beſchränkt¬
heit für Tugend und Wahrheit ausgibt! Aber jene überſchwängliche
Werthſchätzung des Zugs in die Ferne, jene einſeitige und aus¬
ſchließliche Betonung des Allgemeinen und Ganzen — ob ſie nicht
vielleicht mindeſtens ebenſo bedenklich iſt, als das bornirte Kleben
am Nächſten und Einzelnen; ob eine derartige kühne Verlegung
des Standpunkts für Gefühl und Intereſſe, für ruhende oder thä¬
tige Sympathie in Freud' und Leid, eine Verlegung weg vom
feſten Boden und hinein ins Blaue, nicht im innerſten Grund
trotz aller ſchönen Redensarten Schwindel iſt und Schwindel pro¬
duzirt, im ſtolzen Wahn der hohen Bildung doch nur eine krank¬
hafte Ueber- und Verbildung der geſunden Natur?
Laſſen wir uns zuerſt von der Geſchichte belehren, wo ſich
in ihr der Kosmopolitismus vornehmlich zeigt. Derſelbe iſt ein
geborener großer Phraſeur und hat uns bis jetzt nur ſeine Licht¬
ſeiten gewieſen. Aber wir müſſen doch auch einmal den Revers
beſchauen und ihm hinter die Kuliſſen ſehen, ob ſein Glanz nicht
am Ende eitel Flittergold und Theaterherrlichkeit iſt!
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