Pfleiderer, Edmund: Kosmopolitismus und Patriotismus. Berlin, 1874.auf die verschiedenen Kirchen paßt, soweit sie eben gleichfalls zeit¬ auf die verſchiedenen Kirchen paßt, ſoweit ſie eben gleichfalls zeit¬ <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0046" n="36"/> auf die verſchiedenen Kirchen paßt, ſoweit ſie eben gleichfalls zeit¬<lb/> lich-menſchliche Darſtellungsverſuche einer Idee ſind. In Anbe¬<lb/> tracht deſſen iſt es gewiß der Religion und Kirche wenigſtens recht<lb/> wohl möglich, die Klippe eines antinationalen oder doch ſtaats¬<lb/> fremden Kosmopolitismus zu vermeiden. Gedenkend an das de¬<lb/> müthig-hohe Wort des Apoſtels Paulus: „Wir tragen einen himm¬<lb/> liſchen Schatz in irdiſchen Gefäſſen“, wird der nüchtern beſonnene<lb/> Fromme bei aller Einſicht in die Nothwendigkeit der empiriſchen<lb/> Formen (da Nichts in der Erſcheinungswelt ſchaal- und formlos<lb/> exiſtirt) ſich doch von deren Ueberſchätzung frei halten und dadurch<lb/> Herz und Blick offen bewahren auch für die Anerkennung anderer<lb/> Organiſationen weltlicher wie kirchlicher Art. In gefundem Idea¬<lb/> lismus wird er den Staat nicht bloß als Rechts- oder Polizei¬<lb/> anſtalt, geſchweige denn als Centralorgan für Gewerbe und Han¬<lb/> del, ſondern vielmehr als gleichfalls göttlich verordneten Träger<lb/> ſittlicher Kulturideen betrachten, mit welchem er und die Kirche<lb/> ſich auf dem Mittelgebiet der Moral unlösbar berühren und ver¬<lb/> knüpfen. Der Gedanke, daß jedes Volk eine ihm eigenthümliche<lb/> „Miſſion“ in der Geſchichte habe, ſtatt ſich nur atomiſtiſch verloren<lb/> herumzutreiben, wird ihm Anlaß werden können, auch die Natio¬<lb/> nalitätsidee <hi rendition="#aq">sub specie aeternitatis</hi> anzuſehen, wie Spinoza redet,<lb/> d. h. religiösethiſch zu weihen und zu verklären. — Unter dieſem<lb/> Geſichtspunkt ſind ſogar Nationalkirchen als das naturgemäßeſte<lb/> und geſündeſte Gebilde ſelbſt innerhalb einer identiſchen Hauptre¬<lb/> ligion zu bezeichnen. Denn das, was eben die Kirche zur äußer¬<lb/> lich organiſirten Kirche im Unterſchied von der innerlichen Fröm¬<lb/> migkeit macht, iſt durchaus von äußeren, alſo namentlich auch volks¬<lb/> thümlichen Momenten mitbeſtimmt und ſoll auf dieſe wieder zu¬<lb/> rückwirken. Wenn aber ſchon die Nationen profan betrachtet ein¬<lb/> ander als freundliche Ergänzung fordern, ſo noch vielmehr die<lb/> Nationalkirchen, um damit ihrem einheitlich univerſalen Objekt<lb/> gerecht zu werden. Gewiß, ſtatt irrenden Sinnes die Brandfackel<lb/></p> </body> </text> </TEI> [36/0046]
auf die verſchiedenen Kirchen paßt, ſoweit ſie eben gleichfalls zeit¬
lich-menſchliche Darſtellungsverſuche einer Idee ſind. In Anbe¬
tracht deſſen iſt es gewiß der Religion und Kirche wenigſtens recht
wohl möglich, die Klippe eines antinationalen oder doch ſtaats¬
fremden Kosmopolitismus zu vermeiden. Gedenkend an das de¬
müthig-hohe Wort des Apoſtels Paulus: „Wir tragen einen himm¬
liſchen Schatz in irdiſchen Gefäſſen“, wird der nüchtern beſonnene
Fromme bei aller Einſicht in die Nothwendigkeit der empiriſchen
Formen (da Nichts in der Erſcheinungswelt ſchaal- und formlos
exiſtirt) ſich doch von deren Ueberſchätzung frei halten und dadurch
Herz und Blick offen bewahren auch für die Anerkennung anderer
Organiſationen weltlicher wie kirchlicher Art. In gefundem Idea¬
lismus wird er den Staat nicht bloß als Rechts- oder Polizei¬
anſtalt, geſchweige denn als Centralorgan für Gewerbe und Han¬
del, ſondern vielmehr als gleichfalls göttlich verordneten Träger
ſittlicher Kulturideen betrachten, mit welchem er und die Kirche
ſich auf dem Mittelgebiet der Moral unlösbar berühren und ver¬
knüpfen. Der Gedanke, daß jedes Volk eine ihm eigenthümliche
„Miſſion“ in der Geſchichte habe, ſtatt ſich nur atomiſtiſch verloren
herumzutreiben, wird ihm Anlaß werden können, auch die Natio¬
nalitätsidee sub specie aeternitatis anzuſehen, wie Spinoza redet,
d. h. religiösethiſch zu weihen und zu verklären. — Unter dieſem
Geſichtspunkt ſind ſogar Nationalkirchen als das naturgemäßeſte
und geſündeſte Gebilde ſelbſt innerhalb einer identiſchen Hauptre¬
ligion zu bezeichnen. Denn das, was eben die Kirche zur äußer¬
lich organiſirten Kirche im Unterſchied von der innerlichen Fröm¬
migkeit macht, iſt durchaus von äußeren, alſo namentlich auch volks¬
thümlichen Momenten mitbeſtimmt und ſoll auf dieſe wieder zu¬
rückwirken. Wenn aber ſchon die Nationen profan betrachtet ein¬
ander als freundliche Ergänzung fordern, ſo noch vielmehr die
Nationalkirchen, um damit ihrem einheitlich univerſalen Objekt
gerecht zu werden. Gewiß, ſtatt irrenden Sinnes die Brandfackel
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |