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Pflüger, Eduard Friedrich Wilhelm: Die sensorischen Functionen des Rückenmarks der Wirbelthiere. Berlin, 1853.

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dem durchgreifenden anatomischen Gesetze von der Continuität
des Nervensystems." (Cruveilhier, Anatomie pathologique.
fasc. III.)

Die Untersuchungen von Flourens arbeiteten vor für die
gründliche und ausschliessliche Verbreitung dieser Lehren. Er
behauptet:

"In der That, man hat durch meine Experimente gesehen,
dass nicht allein das kleine Gehirn, die Vierhügel etc. nicht der
Ausübung der Intelligenz vorstehen, sondern dass die Hemi¬
sphären ausschliesslich dieses thun, während alle übrigen Theile
nicht vorhanden zu sein brauchen für die Acte der Intelligenz."
(Flourens, Recherches experimentales sur les fonctions et les
proprietes du systeme nerveux chez les animaux vertebres.
p. 263. u. Preface p. XI. u. XIII.)

Umsonst hat sich Cuvier gegen die Kritiklosigkeit und
Verwirrtheit der Ansichten dieser Autoren erhoben. Denn er
drückt sich in seinem Berichte über die Flourens'schen Unter¬
suchungen folgendermassen aus:

"Der Autor zieht den Schluss, dass Empfindung und Con¬
traction dem Rückenmarke nicht mehr als den Nerven angehö¬
ren; und dieser Schluss ist für die ganzen Thiere sicher. Es
wäre eine grosse Frage, zu wissen, ob es sich auch so verhält
bei den Thieren, welche ihr Gehirn verloren haben, und welche
in gewissen Classen weit entfernt zu sein scheinen, ihre ani¬
malen Functionen auf der Stelle zu verlieren; das ist aber eine
Frage, auf welche wir zurückzukommen Gelegenheit in der Folge
dieses Berichtes haben werden, selbst in Bezug der warmblü¬
tigen Thiere." (Flourens a. a. O. p. 70.)

In der Folge aber sagt Cuvier:

"In Wahrheit, ein so verstümmeltes Thier nimmt ein Aus¬
sehen von Betäubtheit an, es hat keinen Willen mehr aus sich
selbst und entwickelt keine spontane Bewegung; wenn man es
aber stösst, wenn man es sticht, so zeigt es das Benehmen eines
erwachenden Thieres. Bringt man es in eine andere Lage, so
sucht es das Gleichgewicht, legt man es auf den Rücken, so

dem durchgreifenden anatomischen Gesetze von der Continuität
des Nervensystems.“ (Cruveilhier, Anatomie pathologique.
fasc. III.)

Die Untersuchungen von Flourens arbeiteten vor für die
gründliche und ausschliessliche Verbreitung dieser Lehren. Er
behauptet:

„In der That, man hat durch meine Experimente gesehen,
dass nicht allein das kleine Gehirn, die Vierhügel etc. nicht der
Ausübung der Intelligenz vorstehen, sondern dass die Hemi¬
sphären ausschliesslich dieses thun, während alle übrigen Theile
nicht vorhanden zu sein brauchen für die Acte der Intelligenz.“
(Flourens, Recherches expérimentales sur les fonctions et les
propriétés du système nerveux chez les animaux vertebrés.
p. 263. u. Préface p. XI. u. XIII.)

Umsonst hat sich Cuvier gegen die Kritiklosigkeit und
Verwirrtheit der Ansichten dieser Autoren erhoben. Denn er
drückt sich in seinem Berichte über die Flourens'schen Unter¬
suchungen folgendermassen aus:

„Der Autor zieht den Schluss, dass Empfindung und Con¬
traction dem Rückenmarke nicht mehr als den Nerven angehö¬
ren; und dieser Schluss ist für die ganzen Thiere sicher. Es
wäre eine grosse Frage, zu wissen, ob es sich auch so verhält
bei den Thieren, welche ihr Gehirn verloren haben, und welche
in gewissen Classen weit entfernt zu sein scheinen, ihre ani¬
malen Functionen auf der Stelle zu verlieren; das ist aber eine
Frage, auf welche wir zurückzukommen Gelegenheit in der Folge
dieses Berichtes haben werden, selbst in Bezug der warmblü¬
tigen Thiere.“ (Flourens a. a. O. p. 70.)

In der Folge aber sagt Cuvier:

„In Wahrheit, ein so verstümmeltes Thier nimmt ein Aus¬
sehen von Betäubtheit an, es hat keinen Willen mehr aus sich
selbst und entwickelt keine spontane Bewegung; wenn man es
aber stösst, wenn man es sticht, so zeigt es das Benehmen eines
erwachenden Thieres. Bringt man es in eine andere Lage, so
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[11/0033] dem durchgreifenden anatomischen Gesetze von der Continuität des Nervensystems.“ (Cruveilhier, Anatomie pathologique. fasc. III.) Die Untersuchungen von Flourens arbeiteten vor für die gründliche und ausschliessliche Verbreitung dieser Lehren. Er behauptet: „In der That, man hat durch meine Experimente gesehen, dass nicht allein das kleine Gehirn, die Vierhügel etc. nicht der Ausübung der Intelligenz vorstehen, sondern dass die Hemi¬ sphären ausschliesslich dieses thun, während alle übrigen Theile nicht vorhanden zu sein brauchen für die Acte der Intelligenz.“ (Flourens, Recherches expérimentales sur les fonctions et les propriétés du système nerveux chez les animaux vertebrés. p. 263. u. Préface p. XI. u. XIII.) Umsonst hat sich Cuvier gegen die Kritiklosigkeit und Verwirrtheit der Ansichten dieser Autoren erhoben. Denn er drückt sich in seinem Berichte über die Flourens'schen Unter¬ suchungen folgendermassen aus: „Der Autor zieht den Schluss, dass Empfindung und Con¬ traction dem Rückenmarke nicht mehr als den Nerven angehö¬ ren; und dieser Schluss ist für die ganzen Thiere sicher. Es wäre eine grosse Frage, zu wissen, ob es sich auch so verhält bei den Thieren, welche ihr Gehirn verloren haben, und welche in gewissen Classen weit entfernt zu sein scheinen, ihre ani¬ malen Functionen auf der Stelle zu verlieren; das ist aber eine Frage, auf welche wir zurückzukommen Gelegenheit in der Folge dieses Berichtes haben werden, selbst in Bezug der warmblü¬ tigen Thiere.“ (Flourens a. a. O. p. 70.) In der Folge aber sagt Cuvier: „In Wahrheit, ein so verstümmeltes Thier nimmt ein Aus¬ sehen von Betäubtheit an, es hat keinen Willen mehr aus sich selbst und entwickelt keine spontane Bewegung; wenn man es aber stösst, wenn man es sticht, so zeigt es das Benehmen eines erwachenden Thieres. Bringt man es in eine andere Lage, so sucht es das Gleichgewicht, legt man es auf den Rücken, so

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Zitationshilfe: Pflüger, Eduard Friedrich Wilhelm: Die sensorischen Functionen des Rückenmarks der Wirbelthiere. Berlin, 1853, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pflueger_rueckenmark_1853/33>, abgerufen am 23.11.2024.