Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pflüger, Eduard Friedrich Wilhelm: Die sensorischen Functionen des Rückenmarks der Wirbelthiere. Berlin, 1853.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Behauptung Valentin's endlich, dass mit dem Weg¬
fallen des Cerebraleinflusses das antagonistische Gleichgewicht
zwischen Extensoren und Flexoren in der Weise gestört werde,
dass letztere die Ueberhand bekommen, ist eine aus der Luft
gegriffene Behauptung, da sie das propter hoc vom post hoc
nicht unterscheidet.

Mit alle Dem will ich indessen nicht mehr, aber auch unter
keiner Bedingung weniger bewiesen haben, als dass Niemand
berechtigt gewesen ist, diese Bewegung für eine nicht "spon¬
tane" zu erklären, d. h. das Dogma aufzustellen, dieselbe sei
nicht durch eine sensorische Action erzeugt.

An die soeben betrachtete Bewegung schliesst sich eine
andere, welche ebenfalls "spontan" erscheint, und von Valen¬
tin
beschrieben ist.

"Serpentis decapitati corpus vel partem corporis continuo
moveri experimento a Marshall Hall facto notissimum est, quam¬
vis eo quod truncus res vicinas semper tangat, experimentum
ex parte tantummodo referendum huc sit. Motus vero caudae
lacertae, qui post eius a cetero corpore sejunctionem observan¬
tur, haud dubie (?) huc pertinent. Nam volutiones non solum
continuantur, si caudae fragmentum in tabula ponitur, sed etiam
si altero fine libere tenetur, ut nulla res externa, quam movendo
tangit, adsit. Ibi aut unius lateris flexio cum flexione alterius
lateris alternat aut flexio uno aut utroque latere cum adductione
majori minorive (nec tamen semper tanta, quanta flexio est)
conjungitur." (Valentin, de functionibus nervorum cerebralium
et nervi sympathici libri quattuor. 1839. p. 97.)

Auch Kürschner erwähnt und erklärt diese Bewegungen
a. a. O. p. 132:

"Hält man eine geköpfte Schlange oder den abgetretenen
Schwanz einer Eidechse schwebend in die Höhe: so zeigte sich
nicht eine einzelne Bewegung, sondern die Theile winden sich
eine längere Zeit, zeigen also eine Reihe von Bewegungen. Die
Untersuchung der Muskeln und der beweglichen Theile, auf
welche sie wirken, giebt, wofern ich nicht sehr irre, eine voll¬

Die Behauptung Valentin's endlich, dass mit dem Weg¬
fallen des Cerebraleinflusses das antagonistische Gleichgewicht
zwischen Extensoren und Flexoren in der Weise gestört werde,
dass letztere die Ueberhand bekommen, ist eine aus der Luft
gegriffene Behauptung, da sie das propter hoc vom post hoc
nicht unterscheidet.

Mit alle Dem will ich indessen nicht mehr, aber auch unter
keiner Bedingung weniger bewiesen haben, als dass Niemand
berechtigt gewesen ist, diese Bewegung für eine nicht „spon¬
tane“ zu erklären, d. h. das Dogma aufzustellen, dieselbe sei
nicht durch eine sensorische Action erzeugt.

An die soeben betrachtete Bewegung schliesst sich eine
andere, welche ebenfalls „spontan“ erscheint, und von Valen¬
tin
beschrieben ist.

„Serpentis decapitati corpus vel partem corporis continuo
moveri experimento a Marshall Hall facto notissimum est, quam¬
vis eo quod truncus res vicinas semper tangat, experimentum
ex parte tantummodo referendum huc sit. Motus vero caudae
lacertae, qui post eius a cetero corpore sejunctionem observan¬
tur, haud dubie (?) huc pertinent. Nam volutiones non solum
continuantur, si caudae fragmentum in tabula ponitur, sed etiam
si altero fine libere tenetur, ut nulla res externa, quam movendo
tangit, adsit. Ibi aut unius lateris flexio cum flexione alterius
lateris alternat aut flexio uno aut utroque latere cum adductione
majori minorive (nec tamen semper tanta, quanta flexio est)
conjungitur.“ (Valentin, de functionibus nervorum cerebralium
et nervi sympathici libri quattuor. 1839. p. 97.)

Auch Kürschner erwähnt und erklärt diese Bewegungen
a. a. O. p. 132:

„Hält man eine geköpfte Schlange oder den abgetretenen
Schwanz einer Eidechse schwebend in die Höhe: so zeigte sich
nicht eine einzelne Bewegung, sondern die Theile winden sich
eine längere Zeit, zeigen also eine Reihe von Bewegungen. Die
Untersuchung der Muskeln und der beweglichen Theile, auf
welche sie wirken, giebt, wofern ich nicht sehr irre, eine voll¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0062" n="40"/>
        <p>Die Behauptung <hi rendition="#g">Valentin's</hi> endlich, dass mit dem Weg¬<lb/>
fallen des Cerebraleinflusses das antagonistische Gleichgewicht<lb/>
zwischen Extensoren und Flexoren in der Weise gestört werde,<lb/>
dass letztere die Ueberhand bekommen, ist eine aus der Luft<lb/>
gegriffene Behauptung, da sie das propter hoc vom post hoc<lb/>
nicht unterscheidet.</p><lb/>
        <p>Mit alle Dem will ich indessen nicht mehr, aber auch unter<lb/>
keiner Bedingung weniger bewiesen haben, als dass Niemand<lb/>
berechtigt gewesen ist, diese Bewegung für eine <hi rendition="#g">nicht</hi> &#x201E;spon¬<lb/>
tane&#x201C; zu erklären, d. h. das Dogma aufzustellen, dieselbe sei<lb/><hi rendition="#g">nicht</hi> durch eine <hi rendition="#g">sensorische</hi> Action erzeugt.</p><lb/>
        <p>An die soeben betrachtete Bewegung schliesst sich eine<lb/>
andere, welche ebenfalls &#x201E;spontan&#x201C; erscheint, und von <hi rendition="#g">Valen¬<lb/>
tin</hi> beschrieben ist.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Serpentis decapitati corpus vel partem corporis continuo<lb/>
moveri experimento a Marshall Hall facto notissimum est, quam¬<lb/>
vis eo quod truncus res vicinas semper tangat, experimentum<lb/>
ex parte tantummodo referendum huc sit. Motus vero caudae<lb/>
lacertae, qui post eius a cetero corpore sejunctionem observan¬<lb/>
tur, haud dubie (?) huc pertinent. Nam volutiones non solum<lb/>
continuantur, si caudae fragmentum in tabula ponitur, sed etiam<lb/>
si altero fine libere tenetur, ut nulla res externa, quam movendo<lb/>
tangit, adsit. Ibi aut unius lateris flexio cum flexione alterius<lb/>
lateris alternat aut flexio uno aut utroque latere cum adductione<lb/>
majori minorive (nec tamen semper tanta, quanta flexio est)<lb/>
conjungitur.&#x201C; (<hi rendition="#g">Valentin</hi>, de functionibus nervorum cerebralium<lb/>
et nervi sympathici libri quattuor. 1839. p. 97.)</p><lb/>
        <p>Auch <hi rendition="#g">Kürschner</hi> erwähnt und erklärt diese Bewegungen<lb/>
a. a. O. p. 132:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Hält man eine geköpfte Schlange oder den abgetretenen<lb/>
Schwanz einer Eidechse schwebend in die Höhe: so zeigte sich<lb/>
nicht eine einzelne Bewegung, sondern die Theile winden sich<lb/>
eine längere Zeit, zeigen also eine Reihe von Bewegungen. Die<lb/>
Untersuchung der Muskeln und der beweglichen Theile, auf<lb/>
welche sie wirken, giebt, wofern ich nicht sehr irre, eine voll¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[40/0062] Die Behauptung Valentin's endlich, dass mit dem Weg¬ fallen des Cerebraleinflusses das antagonistische Gleichgewicht zwischen Extensoren und Flexoren in der Weise gestört werde, dass letztere die Ueberhand bekommen, ist eine aus der Luft gegriffene Behauptung, da sie das propter hoc vom post hoc nicht unterscheidet. Mit alle Dem will ich indessen nicht mehr, aber auch unter keiner Bedingung weniger bewiesen haben, als dass Niemand berechtigt gewesen ist, diese Bewegung für eine nicht „spon¬ tane“ zu erklären, d. h. das Dogma aufzustellen, dieselbe sei nicht durch eine sensorische Action erzeugt. An die soeben betrachtete Bewegung schliesst sich eine andere, welche ebenfalls „spontan“ erscheint, und von Valen¬ tin beschrieben ist. „Serpentis decapitati corpus vel partem corporis continuo moveri experimento a Marshall Hall facto notissimum est, quam¬ vis eo quod truncus res vicinas semper tangat, experimentum ex parte tantummodo referendum huc sit. Motus vero caudae lacertae, qui post eius a cetero corpore sejunctionem observan¬ tur, haud dubie (?) huc pertinent. Nam volutiones non solum continuantur, si caudae fragmentum in tabula ponitur, sed etiam si altero fine libere tenetur, ut nulla res externa, quam movendo tangit, adsit. Ibi aut unius lateris flexio cum flexione alterius lateris alternat aut flexio uno aut utroque latere cum adductione majori minorive (nec tamen semper tanta, quanta flexio est) conjungitur.“ (Valentin, de functionibus nervorum cerebralium et nervi sympathici libri quattuor. 1839. p. 97.) Auch Kürschner erwähnt und erklärt diese Bewegungen a. a. O. p. 132: „Hält man eine geköpfte Schlange oder den abgetretenen Schwanz einer Eidechse schwebend in die Höhe: so zeigte sich nicht eine einzelne Bewegung, sondern die Theile winden sich eine längere Zeit, zeigen also eine Reihe von Bewegungen. Die Untersuchung der Muskeln und der beweglichen Theile, auf welche sie wirken, giebt, wofern ich nicht sehr irre, eine voll¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pflueger_rueckenmark_1853
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pflueger_rueckenmark_1853/62
Zitationshilfe: Pflüger, Eduard Friedrich Wilhelm: Die sensorischen Functionen des Rückenmarks der Wirbelthiere. Berlin, 1853, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pflueger_rueckenmark_1853/62>, abgerufen am 21.11.2024.