Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.Dreyßig Fragestücke sich auf einen Vers gefaßt halten muß; ist esgut, daß man zum voraus auf einige Reime stu- dire, weil sie einem sonst nicht flugs einfallen mögten. Die neuen Poeten aber verlangen, daß man aus dem Stegereif reimen, und wol noch dazu in der Jnwention, darinn der Nach- bar angefangen, die Gesundheit weiter fortbrin- gen solle. Aber da mögte es bey manchem ha- pern, daß er sich lange besinnen müßte. Dar- um reime er, so gut er kann, als: 1 Jch darfs nicht vor den andern wagen, Sonst wollt ich dir, mein Kind, was sagen. 2 Jch liebe eine Brunette, Ausgenommen eine Coquette. 3 Wofern der Tod mein Weib hinrafft, Kauf ich mir eine Jungferschaft. 4 Von Küssen eil ich gern aufs Kissen, Jch halte nichts von tauben Nüssen. 5 Ein jung Weib und ein treuer Freund, Nebst Geld und Gut, mir lieblich scheint. 6 Es lebe der Wirth mit seinem Gemahl, Jch schmause drauf los, weil ich nichts bezahl. 25. Frage. Können nicht auch die Studenten- und an- dere Chemper-Liedgen auf gut froschmäus- lerisch eingerichtet werden? Antwort. Ach ja! die meisten Chemper-Lieder sind mit Das ist ein brav Student, Der alles recht erkennt, Was eitel, was eitel; Hat er kein Geld im Beutel: So
Dreyßig Frageſtuͤcke ſich auf einen Vers gefaßt halten muß; iſt esgut, daß man zum voraus auf einige Reime ſtu- dire, weil ſie einem ſonſt nicht flugs einfallen moͤgten. Die neuen Poeten aber verlangen, daß man aus dem Stegereif reimen, und wol noch dazu in der Jnwention, darinn der Nach- bar angefangen, die Geſundheit weiter fortbrin- gen ſolle. Aber da moͤgte es bey manchem ha- pern, daß er ſich lange beſinnen muͤßte. Dar- um reime er, ſo gut er kann, als: 1 Jch darfs nicht vor den andern wagen, Sonſt wollt ich dir, mein Kind, was ſagen. 2 Jch liebe eine Brunette, Ausgenommen eine Coquette. 3 Wofern der Tod mein Weib hinrafft, Kauf ich mir eine Jungferſchaft. 4 Von Kuͤſſen eil ich gern aufs Kiſſen, Jch halte nichts von tauben Nuͤſſen. 5 Ein jung Weib und ein treuer Freund, Nebſt Geld und Gut, mir lieblich ſcheint. 6 Es lebe der Wirth mit ſeinem Gemahl, Jch ſchmauſe drauf los, weil ich nichts bezahl. 25. Frage. Koͤnnen nicht auch die Studenten- und an- dere Chemper-Liedgen auf gut froſchmaͤus- leriſch eingerichtet werden? Antwort. Ach ja! die meiſten Chemper-Lieder ſind mit Das iſt ein brav Student, Der alles recht erkennt, Was eitel, was eitel; Hat er kein Geld im Beutel: So
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Dreyßig Frageſtuͤcke
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gut, daß man zum voraus auf einige Reime ſtu-
dire, weil ſie einem ſonſt nicht flugs einfallen
moͤgten. Die neuen Poeten aber verlangen,
daß man aus dem Stegereif reimen, und wol
noch dazu in der Jnwention, darinn der Nach-
bar angefangen, die Geſundheit weiter fortbrin-
gen ſolle. Aber da moͤgte es bey manchem ha-
pern, daß er ſich lange beſinnen muͤßte. Dar-
um reime er, ſo gut er kann, als:
1 Jch darfs nicht vor den andern wagen,
Sonſt wollt ich dir, mein Kind, was ſagen.
2 Jch liebe eine Brunette,
Ausgenommen eine Coquette.
3 Wofern der Tod mein Weib hinrafft,
Kauf ich mir eine Jungferſchaft.
4 Von Kuͤſſen eil ich gern aufs Kiſſen,
Jch halte nichts von tauben Nuͤſſen.
5 Ein jung Weib und ein treuer Freund,
Nebſt Geld und Gut, mir lieblich ſcheint.
6 Es lebe der Wirth mit ſeinem Gemahl,
Jch ſchmauſe drauf los, weil ich nichts bezahl.
25. Frage.
Koͤnnen nicht auch die Studenten- und an-
dere Chemper-Liedgen auf gut froſchmaͤus-
leriſch eingerichtet werden?
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Ach ja! die meiſten Chemper-Lieder ſind mit
Hans-Sachſen-Reimen und kriechenden Ein-
faͤllen ausgeſpickt, z. E. das Studenten-Liedgen:
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Zitationshilfe: | Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/118>, abgerufen am 16.02.2025. |