Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.Dreyßig Fragestücke Kollers kann man auch den poetischen Kollerin drey Haupt-Classen eintheilen. Es giebt 1) sonnenstutzige Poeten, die in denen Hunds- tagen zu reimen am aufgelegtesten sind; 2) stök- kische, oder tuckmäuserische, die sich mit ihrer Poesie eher nicht herauswagen, bis sie den rech- ten Mann, der sie reizet, vor sich sehen. Zu andrer Zeit würden sie sich poetische Schnipgen schlagen lassen. Aber, wenn man ihr empfind- lich Pünktgen trifft, kriegen sie den Koller. 3) Die lichtscheuen Poeten heissen bey unsern Gegnern Pasquillanten, weil sie mit ihren mas- siven Auflagen so in den Tag hinein kollern, daß, wenn es nach der Zeit herausgekommen, mancher solcher kollernden Poeten auf den Ve- stungs-Bau, oder in ein Tollhaus, gebracht worden. Jch kenne einen guten Freund, der das Malheur hatte, fälschlich für einen melan- cholischen Kopf ausgeschryen, und ohne die geringste Untersuchung in ein dergleichen Haus gebracht zu werden. Es diente ihm aber dazu, daß er alldort viele kollernde Poeten kennen lernte, über deren kollrigte Einfälle er manch- mal herzlich lachen müssen. Unsere Gegner, die großen Dichter, gerathen manchmal in ein sol- ches poetisches Feuer, das vom poetischen Kol- ler nur ein Haar breit entfernet ist. Jch be- halte mir vor, mit der Zeit den andern Theil dieses ganzen Werkes herauszugeben, dessen Ti- tel seyn dürfte: Aehnlichkeit vieler Stellen in den größten Poeten voriger und jetziger Zeit
Dreyßig Frageſtuͤcke Kollers kann man auch den poetiſchen Kollerin drey Haupt-Claſſen eintheilen. Es giebt 1) ſonnenſtutzige Poeten, die in denen Hunds- tagen zu reimen am aufgelegteſten ſind; 2) ſtoͤk- kiſche, oder tuckmaͤuſeriſche, die ſich mit ihrer Poeſie eher nicht herauswagen, bis ſie den rech- ten Mann, der ſie reizet, vor ſich ſehen. Zu andrer Zeit wuͤrden ſie ſich poetiſche Schnipgen ſchlagen laſſen. Aber, wenn man ihr empfind- lich Puͤnktgen trifft, kriegen ſie den Koller. 3) Die lichtſcheuen Poeten heiſſen bey unſern Gegnern Pasquillanten, weil ſie mit ihren maſ- ſiven Auflagen ſo in den Tag hinein kollern, daß, wenn es nach der Zeit herausgekommen, mancher ſolcher kollernden Poeten auf den Ve- ſtungs-Bau, oder in ein Tollhaus, gebracht worden. Jch kenne einen guten Freund, der das Malheur hatte, faͤlſchlich fuͤr einen melan- choliſchen Kopf ausgeſchryen, und ohne die geringſte Unterſuchung in ein dergleichen Haus gebracht zu werden. Es diente ihm aber dazu, daß er alldort viele kollernde Poeten kennen lernte, uͤber deren kollrigte Einfaͤlle er manch- mal herzlich lachen muͤſſen. Unſere Gegner, die großen Dichter, gerathen manchmal in ein ſol- ches poetiſches Feuer, das vom poetiſchen Kol- ler nur ein Haar breit entfernet iſt. Jch be- halte mir vor, mit der Zeit den andern Theil dieſes ganzen Werkes herauszugeben, deſſen Ti- tel ſeyn duͤrfte: Aehnlichkeit vieler Stellen in den groͤßten Poeten voriger und jetziger Zeit
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0122" n="114"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Dreyßig Frageſtuͤcke</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">Kollers</hi> kann man auch den <hi rendition="#fr">poetiſchen Koller</hi><lb/> in <hi rendition="#fr">drey Haupt-Claſſen</hi> eintheilen. Es giebt<lb/> 1) <hi rendition="#fr">ſonnenſtutzige Poeten,</hi> die in denen Hunds-<lb/> tagen zu reimen am aufgelegteſten ſind; 2) <hi rendition="#fr">ſtoͤk-<lb/> kiſche,</hi> oder <hi rendition="#fr">tuckmaͤuſeriſche,</hi> die ſich mit ihrer<lb/> Poeſie eher nicht herauswagen, bis ſie den rech-<lb/> ten Mann, der ſie reizet, vor ſich ſehen. Zu<lb/> andrer Zeit wuͤrden ſie ſich <hi rendition="#fr">poetiſche Schnipgen</hi><lb/> ſchlagen laſſen. Aber, wenn man ihr <hi rendition="#fr">empfind-<lb/> lich Puͤnktgen</hi> trifft, kriegen ſie den <hi rendition="#fr">Koller.</hi><lb/> 3) Die <hi rendition="#fr">lichtſcheuen</hi> Poeten heiſſen bey unſern<lb/> Gegnern <hi rendition="#fr">Pasquillanten,</hi> weil ſie mit ihren maſ-<lb/> ſiven Auflagen ſo in den Tag hinein <hi rendition="#fr">kollern,</hi><lb/> daß, wenn es nach der Zeit herausgekommen,<lb/> mancher ſolcher <hi rendition="#fr">kollernden Poeten</hi> auf den <hi rendition="#fr">Ve-<lb/> ſtungs-Bau,</hi> oder in ein <hi rendition="#fr">Tollhaus,</hi> gebracht<lb/> worden. Jch kenne einen guten Freund, der<lb/> das Malheur hatte, faͤlſchlich fuͤr einen <hi rendition="#fr">melan-<lb/> choliſchen Kopf</hi> ausgeſchryen, und ohne die<lb/> geringſte Unterſuchung in ein dergleichen Haus<lb/> gebracht zu werden. Es diente ihm aber dazu,<lb/> daß er alldort viele <hi rendition="#fr">kollernde Poeten</hi> kennen<lb/> lernte, uͤber deren <hi rendition="#fr">kollrigte Einfaͤlle</hi> er manch-<lb/> mal herzlich lachen muͤſſen. Unſere <hi rendition="#fr">Gegner,</hi> die<lb/><hi rendition="#fr">großen Dichter,</hi> gerathen manchmal in ein ſol-<lb/> ches <hi rendition="#fr">poetiſches Feuer,</hi> das vom <hi rendition="#fr">poetiſchen Kol-<lb/> ler</hi> nur ein <hi rendition="#fr">Haar breit</hi> entfernet iſt. Jch be-<lb/> halte mir vor, mit der Zeit den <hi rendition="#fr">andern Theil</hi><lb/> dieſes ganzen Werkes herauszugeben, deſſen <hi rendition="#fr">Ti-<lb/> tel</hi> ſeyn duͤrfte: <hi rendition="#fr">Aehnlichkeit vieler Stellen<lb/> in den groͤßten Poeten voriger und jetziger</hi><lb/> <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">Zeit</hi></fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [114/0122]
Dreyßig Frageſtuͤcke
Kollers kann man auch den poetiſchen Koller
in drey Haupt-Claſſen eintheilen. Es giebt
1) ſonnenſtutzige Poeten, die in denen Hunds-
tagen zu reimen am aufgelegteſten ſind; 2) ſtoͤk-
kiſche, oder tuckmaͤuſeriſche, die ſich mit ihrer
Poeſie eher nicht herauswagen, bis ſie den rech-
ten Mann, der ſie reizet, vor ſich ſehen. Zu
andrer Zeit wuͤrden ſie ſich poetiſche Schnipgen
ſchlagen laſſen. Aber, wenn man ihr empfind-
lich Puͤnktgen trifft, kriegen ſie den Koller.
3) Die lichtſcheuen Poeten heiſſen bey unſern
Gegnern Pasquillanten, weil ſie mit ihren maſ-
ſiven Auflagen ſo in den Tag hinein kollern,
daß, wenn es nach der Zeit herausgekommen,
mancher ſolcher kollernden Poeten auf den Ve-
ſtungs-Bau, oder in ein Tollhaus, gebracht
worden. Jch kenne einen guten Freund, der
das Malheur hatte, faͤlſchlich fuͤr einen melan-
choliſchen Kopf ausgeſchryen, und ohne die
geringſte Unterſuchung in ein dergleichen Haus
gebracht zu werden. Es diente ihm aber dazu,
daß er alldort viele kollernde Poeten kennen
lernte, uͤber deren kollrigte Einfaͤlle er manch-
mal herzlich lachen muͤſſen. Unſere Gegner, die
großen Dichter, gerathen manchmal in ein ſol-
ches poetiſches Feuer, das vom poetiſchen Kol-
ler nur ein Haar breit entfernet iſt. Jch be-
halte mir vor, mit der Zeit den andern Theil
dieſes ganzen Werkes herauszugeben, deſſen Ti-
tel ſeyn duͤrfte: Aehnlichkeit vieler Stellen
in den groͤßten Poeten voriger und jetziger
Zeit
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |