Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.Dreyßig Fragestücke an; befand aber, daß solche in einer poetischenEntzückung lag, und eben in solcher ihres lie- ben Schooß-Kindes vergessen, ja solches ver- wünschet hatte. Wenn man die ehemalige Promotions-Gedichte des Leipziger Professors Ernesti aus dem Lateinischen in deutsche Verse übersetzte, wo er eines jeden Lebenslauf zugleich in die Ausführung eines moralischen Thematis mit hineinbrachte, würde man sehen, daß solche größtentheils in einem Enthusiasmo poetico geschrieben worden. Z. E. er gratulirte einem neugebackenen Magister, und wollte mit berüh- ren, daß er bey dem sel. D. Pfeiffer Collegia gehört; sein Haupt-Thema aber war, die vie- lerley Arten des Kreuzes in der Welt zu be- schreiben: So schmiedete er beydes also zusam- men: Pfeiffero magno dorsi incuruatio crux est. Dem großen Pfeiffer ist sein Puckel auch ein Kreuz. Hätte es ein anderer geschrieben, würde man es Die poetische Enthusiasterey ist von dem getrie-
Dreyßig Frageſtuͤcke an; befand aber, daß ſolche in einer poetiſchenEntzuͤckung lag, und eben in ſolcher ihres lie- ben Schooß-Kindes vergeſſen, ja ſolches ver- wuͤnſchet hatte. Wenn man die ehemalige Promotions-Gedichte des Leipziger Profeſſors Erneſti aus dem Lateiniſchen in deutſche Verſe uͤberſetzte, wo er eines jeden Lebenslauf zugleich in die Ausfuͤhrung eines moraliſchen Thematis mit hineinbrachte, wuͤrde man ſehen, daß ſolche groͤßtentheils in einem Enthuſiaſmo poëtico geſchrieben worden. Z. E. er gratulirte einem neugebackenen Magiſter, und wollte mit beruͤh- ren, daß er bey dem ſel. D. Pfeiffer Collegia gehoͤrt; ſein Haupt-Thema aber war, die vie- lerley Arten des Kreuzes in der Welt zu be- ſchreiben: So ſchmiedete er beydes alſo zuſam- men: Pfeiffero magno dorſi incuruatio crux eſt. Dem großen Pfeiffer iſt ſein Puckel auch ein Kreuz. Haͤtte es ein anderer geſchrieben, wuͤrde man es Die poetiſche Enthuſiaſterey iſt von dem getrie-
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Dreyßig Frageſtuͤcke
an; befand aber, daß ſolche in einer poetiſchen
Entzuͤckung lag, und eben in ſolcher ihres lie-
ben Schooß-Kindes vergeſſen, ja ſolches ver-
wuͤnſchet hatte. Wenn man die ehemalige
Promotions-Gedichte des Leipziger Profeſſors
Erneſti aus dem Lateiniſchen in deutſche Verſe
uͤberſetzte, wo er eines jeden Lebenslauf zugleich
in die Ausfuͤhrung eines moraliſchen Thematis
mit hineinbrachte, wuͤrde man ſehen, daß ſolche
groͤßtentheils in einem Enthuſiaſmo poëtico
geſchrieben worden. Z. E. er gratulirte einem
neugebackenen Magiſter, und wollte mit beruͤh-
ren, daß er bey dem ſel. D. Pfeiffer Collegia
gehoͤrt; ſein Haupt-Thema aber war, die vie-
lerley Arten des Kreuzes in der Welt zu be-
ſchreiben: So ſchmiedete er beydes alſo zuſam-
men:
Pfeiffero magno dorſi incuruatio crux eſt.
Dem großen Pfeiffer iſt ſein Puckel auch ein
Kreuz.
Haͤtte es ein anderer geſchrieben, wuͤrde man es
fuͤr eine Raillerie, daß der ehrliche Mann ſehr
klein und ſtark ausgewachſen geweſen, ange-
nommen haben; aber von dem Profeſſore poë-
ſeos wußte man ſchon, daß es ihm nur zu thun
war, es mit hinein zu bringen, daß der Candi-
dat bey D. Pfeiffern hauptſaͤchlich Collegia ge-
hoͤrt habe.
Die poetiſche Enthuſiaſterey iſt von dem
poetiſchen Koller eben ſo unterſchieden, als
zwey widerwaͤrtige Affecten. Laͤuft es auf hoͤchſt-
getrie-
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