Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.vor der erhabenen Dichterey. mals als ein Hällischer Redner im Munde ge-habt, ist nun auf unsere Seite getreten, und hat solche Distinction an unsre Froschmäusler- Gesellschaft freywillig abgetreten; folglich könn- ten eher wir uns derselben bedienen. Weil wir sie aber als eine Novität in das Archiv unse- rer Gesellschaft geleget, bis mit der Zeit eine Antiquität und edle Reliquie daraus werde: So gehen also unsere Gegner in unser Gehege, wenn sie sich dieser Benennung bedienen, und ihre Dichtkunst eine natürliche, männliche und erhabene benamsen. § 4. Jch will einen Versuch thun, ob ich nehmen
vor der erhabenen Dichterey. mals als ein Haͤlliſcher Redner im Munde ge-habt, iſt nun auf unſere Seite getreten, und hat ſolche Diſtinction an unſre Froſchmaͤusler- Geſellſchaft freywillig abgetreten; folglich koͤnn- ten eher wir uns derſelben bedienen. Weil wir ſie aber als eine Novitaͤt in das Archiv unſe- rer Geſellſchaft geleget, bis mit der Zeit eine Antiquitaͤt und edle Reliquie daraus werde: So gehen alſo unſere Gegner in unſer Gehege, wenn ſie ſich dieſer Benennung bedienen, und ihre Dichtkunſt eine natuͤrliche, maͤnnliche und erhabene benamſen. § 4. Jch will einen Verſuch thun, ob ich nehmen
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vor der erhabenen Dichterey.
mals als ein Haͤlliſcher Redner im Munde ge-
habt, iſt nun auf unſere Seite getreten, und
hat ſolche Diſtinction an unſre Froſchmaͤusler-
Geſellſchaft freywillig abgetreten; folglich koͤnn-
ten eher wir uns derſelben bedienen. Weil wir
ſie aber als eine Novitaͤt in das Archiv unſe-
rer Geſellſchaft geleget, bis mit der Zeit eine
Antiquitaͤt und edle Reliquie daraus werde:
So gehen alſo unſere Gegner in unſer Gehege,
wenn ſie ſich dieſer Benennung bedienen, und
ihre Dichtkunſt eine natuͤrliche, maͤnnliche und
erhabene benamſen.
§ 4. Jch will einen Verſuch thun, ob ich
hinter die Geheimniſſe kommen koͤnne, was die
neuern Poeten durch eine natuͤrliche, maͤnnliche
und erhabene Poeſie verſtehen. So viel die er-
habene Dichterey betrifft, iſt es ſchon aus den
Worten klar, daß ſolche unſerer kriechenden
Poeſie ſchnurgerade entgegen geſetzet ſey. Denn
kriechen ſchickt ſich nicht zu dem, was erhaben
iſt; und dasjenige, was wirklich in die Hoͤhe
ſteiget, das ſtehet nicht in der Tiefe. Alſo ſind
hier zwey Extremitaͤten, die einander aufheben.
Ein erhabener Poete kann kein kriechender
Dichter, und ein kriechender Dichter kann kein
erhabener Poete ſeyn. Es ſind incompatibilia,
oder Dinge, die ſich mit einander nicht vertra-
gen, noch zuſammen verbinden laſſen. Noch
mehr, es iſt eine ſolche natuͤrliche Antipathie
und Feindſchaft zwiſchen erhabenen und krie-
chenden Poeten, daß der kriechende ſich inacht
nehmen
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