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Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.

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Vorzug der kriechenden Poesie
würde lächerlich klingen, und höchstens nur
für eine Burlesque paßiren, wenn man auf
niedrige Vorwürfe ein erhaben Gedichte ma-
chen wollte. Die Sache muß in sich hoch und
erhaben seyn,
sonst lässet es, als wenn man ei-
nem Bauer wollte ein Staats-Kleid anlegen.
Da nun aber die Zahl der erhabenen Vorwür-
fe
gegen die Anzahl der gemeinen sehr geringe
ist: So kann also ein erhabener Poete sich mit
seiner Poesie kaum den tausenden Theil so weit
heraus wagen, als ein kriechender. Wie lä-
cherlich würde es klingen, wenn einer auf einen
Floh ein erhabenes Gedichte aufsetzte? Aber
ein kriechender Poete darf auf Ratten und
Mäuse Gedichte machen, wenn er was davon
hat. Ein erhabener Poete kann sich nicht an
einen tyrannischen Fürsten, unerfahrnen
Staats-Rath, unvorsichtigen Feld-Herrn,
pedantischen Gelehrten, schlechten Krämer
noch weiter herunter wagen. Denn alles dieses
fällt, seiner Natur nach, ins Niedrige. Denn
ein Tyranne ist die niedrigste Classe der Regen-
ten, und so weiter. Wenn nun der erhabene
Poete arm ist, wird er eine brodlose Kunst be-
sitzen, und mit solcher betteln gehen müssen.
Aber ein kriechender Poete und Reim-Schmied
hat das Recht, so weit in die Tiefe herabzustei-
gen, als er kann, und auf alles zu reimen, wor-
auf nur ein Reim erfindlich ist (Erstes Probe-
stück,
§ 1, 2, 3, 6). Daher kann sich dieser,
wo nicht manchen Ducaten, doch wenigstens

manchen

Vorzug der kriechenden Poeſie
wuͤrde laͤcherlich klingen, und hoͤchſtens nur
fuͤr eine Burlesque paßiren, wenn man auf
niedrige Vorwuͤrfe ein erhaben Gedichte ma-
chen wollte. Die Sache muß in ſich hoch und
erhaben ſeyn,
ſonſt laͤſſet es, als wenn man ei-
nem Bauer wollte ein Staats-Kleid anlegen.
Da nun aber die Zahl der erhabenen Vorwuͤr-
fe
gegen die Anzahl der gemeinen ſehr geringe
iſt: So kann alſo ein erhabener Poete ſich mit
ſeiner Poeſie kaum den tauſenden Theil ſo weit
heraus wagen, als ein kriechender. Wie laͤ-
cherlich wuͤrde es klingen, wenn einer auf einen
Floh ein erhabenes Gedichte aufſetzte? Aber
ein kriechender Poete darf auf Ratten und
Maͤuſe Gedichte machen, wenn er was davon
hat. Ein erhabener Poete kann ſich nicht an
einen tyranniſchen Fuͤrſten, unerfahrnen
Staats-Rath, unvorſichtigen Feld-Herrn,
pedantiſchen Gelehrten, ſchlechten Kraͤmer
noch weiter herunter wagen. Denn alles dieſes
faͤllt, ſeiner Natur nach, ins Niedrige. Denn
ein Tyranne iſt die niedrigſte Claſſe der Regen-
ten, und ſo weiter. Wenn nun der erhabene
Poete arm iſt, wird er eine brodloſe Kunſt be-
ſitzen, und mit ſolcher betteln gehen muͤſſen.
Aber ein kriechender Poete und Reim-Schmied
hat das Recht, ſo weit in die Tiefe herabzuſtei-
gen, als er kann, und auf alles zu reimen, wor-
auf nur ein Reim erfindlich iſt (Erſtes Probe-
ſtuͤck,
§ 1, 2, 3, 6). Daher kann ſich dieſer,
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[144/0152] Vorzug der kriechenden Poeſie wuͤrde laͤcherlich klingen, und hoͤchſtens nur fuͤr eine Burlesque paßiren, wenn man auf niedrige Vorwuͤrfe ein erhaben Gedichte ma- chen wollte. Die Sache muß in ſich hoch und erhaben ſeyn, ſonſt laͤſſet es, als wenn man ei- nem Bauer wollte ein Staats-Kleid anlegen. Da nun aber die Zahl der erhabenen Vorwuͤr- fe gegen die Anzahl der gemeinen ſehr geringe iſt: So kann alſo ein erhabener Poete ſich mit ſeiner Poeſie kaum den tauſenden Theil ſo weit heraus wagen, als ein kriechender. Wie laͤ- cherlich wuͤrde es klingen, wenn einer auf einen Floh ein erhabenes Gedichte aufſetzte? Aber ein kriechender Poete darf auf Ratten und Maͤuſe Gedichte machen, wenn er was davon hat. Ein erhabener Poete kann ſich nicht an einen tyranniſchen Fuͤrſten, unerfahrnen Staats-Rath, unvorſichtigen Feld-Herrn, pedantiſchen Gelehrten, ſchlechten Kraͤmer noch weiter herunter wagen. Denn alles dieſes faͤllt, ſeiner Natur nach, ins Niedrige. Denn ein Tyranne iſt die niedrigſte Claſſe der Regen- ten, und ſo weiter. Wenn nun der erhabene Poete arm iſt, wird er eine brodloſe Kunſt be- ſitzen, und mit ſolcher betteln gehen muͤſſen. Aber ein kriechender Poete und Reim-Schmied hat das Recht, ſo weit in die Tiefe herabzuſtei- gen, als er kann, und auf alles zu reimen, wor- auf nur ein Reim erfindlich iſt (Erſtes Probe- ſtuͤck, § 1, 2, 3, 6). Daher kann ſich dieſer, wo nicht manchen Ducaten, doch wenigſtens manchen

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Zitationshilfe: Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/152>, abgerufen am 22.11.2024.