Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.vor der erhabenen Dichterey. als sie wolle, brauche sie doch nicht ihren Na-men darunter zu setzen, daß sie ein Frauenzim- mer sey, es verrathe sich überall aus dem Styl. Sie sey nicht geschickt, einen Mann vorzustel- len; der Reifenrock gucke unter allen Gedichten hervor. Sie dichteten manchmal erhaben; aber die Frauenzimmer-Pantoffeln könne man auch sehen. Dagegen könne auch ein männlicher Dichter nicht so zärtliche und tendre Ausdrük- kungen aufs Tapet bringen, als ein poetisches Frauenzimmer. Günther habe ein großes Kunst- Stück in tendrer Beschreibung des ehelichen Beyschlafes abgeleget; aber wenn eine Mada- me von Steinwehr, die den Ehestand dreymal probirt, es poetisch beschreiben sollte, würde es noch dreymal tendrer geklungen haben. § 24. Durch obige Distinction also, die stens K 5
vor der erhabenen Dichterey. als ſie wolle, brauche ſie doch nicht ihren Na-men darunter zu ſetzen, daß ſie ein Frauenzim- mer ſey, es verrathe ſich uͤberall aus dem Styl. Sie ſey nicht geſchickt, einen Mann vorzuſtel- len; der Reifenrock gucke unter allen Gedichten hervor. Sie dichteten manchmal erhaben; aber die Frauenzimmer-Pantoffeln koͤnne man auch ſehen. Dagegen koͤnne auch ein maͤnnlicher Dichter nicht ſo zaͤrtliche und tendre Ausdruͤk- kungen aufs Tapet bringen, als ein poetiſches Frauenzimmer. Guͤnther habe ein großes Kunſt- Stuͤck in tendrer Beſchreibung des ehelichen Beyſchlafes abgeleget; aber wenn eine Mada- me von Steinwehr, die den Eheſtand dreymal probirt, es poetiſch beſchreiben ſollte, wuͤrde es noch dreymal tendrer geklungen haben. § 24. Durch obige Diſtinction alſo, die ſtens K 5
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vor der erhabenen Dichterey.
als ſie wolle, brauche ſie doch nicht ihren Na-
men darunter zu ſetzen, daß ſie ein Frauenzim-
mer ſey, es verrathe ſich uͤberall aus dem Styl.
Sie ſey nicht geſchickt, einen Mann vorzuſtel-
len; der Reifenrock gucke unter allen Gedichten
hervor. Sie dichteten manchmal erhaben; aber
die Frauenzimmer-Pantoffeln koͤnne man auch
ſehen. Dagegen koͤnne auch ein maͤnnlicher
Dichter nicht ſo zaͤrtliche und tendre Ausdruͤk-
kungen aufs Tapet bringen, als ein poetiſches
Frauenzimmer. Guͤnther habe ein großes Kunſt-
Stuͤck in tendrer Beſchreibung des ehelichen
Beyſchlafes abgeleget; aber wenn eine Mada-
me von Steinwehr, die den Eheſtand dreymal
probirt, es poetiſch beſchreiben ſollte, wuͤrde es
noch dreymal tendrer geklungen haben.
§ 24. Durch obige Diſtinction alſo, die
ich hier widerlege, und andere critiſche Gloſſen,
wird demnach der Saame der Zwietracht zwi-
ſchen dem maͤnnlichen und weiblichen Geſchlech-
te nur mehr ausgeſtreuet. Daher hat E. Loͤbl.
Froſchmaͤusler-Geſellſchaft, en faveur des
ſchoͤnen Geſchlechts, die Diſtinction unter der
maͤnnlichen und weiblichen Poeſie ganz unter
ihren Gliedern annulliret und aufgehaben. Es
mag dem Frauenzimmer eine Mannsperſon ein-
helfen oder nicht, es heiſſet ein ſchoͤnes Gedichte.
Wir ſagen auch von der Frauenzimmer Gedich-
ten, daß ſie wohl geſetzet, daß ein geſetztes We-
ſen darinn ſo gut ſtecke, als bey Gedichten von
Mannsperſonen. Denn ſie haben ſich wenig-
ſtens
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