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Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.

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X. Gebratener Reh-Rücken.
und andern, welche anzuführen er gar wohl
hätte überhoben seyn können. Es läßt eben
so, als wenn ich den Gästen wollte stinkend
Fleisch aufsetzen,
und sagen: Dis schmeckt
übel; also werden die Herren aus dem Ge-
gensatze
abnehmen, was gut schmecke. Jch
halte aber, meine Herren Gäste würden als-
denn zu mir sagen: Narr, eben darum,
weil es übel schmeckt und anstinkt, mußt du
es nicht aufsetzen, und uns den guten Ge-
schmack
verderben!

Zehendes Couvert.
Gebratener Reh-Rücken.

Armselige Köche, die sich nicht ganze Stücke
von Wildpret zulegen können, tragen doch
zuweilen ein paar Portionen gut Wildpret
auf, die sie entweder von denen Silber-Wä-
schern
bey großer Herren Tafeln, weil es
Auf hub oder Ueberbleibsel gewesen, erkaufet,
oder zu einem andern ansehnlichen Traiteur
erst selber geschickt, und etliche Portionen ho-
len lassen, damit sie an ihre Speise-Tafeln
setzen können: Reh-Rückeu, Fasanen, Schwein-
Widpret etc.
Gerade eben so hat es der neu-
aufgekommene Koch
in dem Tempel des gu-
ten Geschmacks
gemacht. Er hat etliche sehr
schöne Gedanken
sowol in seinem zerhackten
Gedichte,
als eingeflickten Prosa. Aber er
hat portionenweise bey andern geholet, und
ich will ihm keine Röthe abjagen, diejenigen

zu

X. Gebratener Reh-Ruͤcken.
und andern, welche anzufuͤhren er gar wohl
haͤtte uͤberhoben ſeyn koͤnnen. Es laͤßt eben
ſo, als wenn ich den Gaͤſten wollte ſtinkend
Fleiſch aufſetzen,
und ſagen: Dis ſchmeckt
uͤbel; alſo werden die Herren aus dem Ge-
genſatze
abnehmen, was gut ſchmecke. Jch
halte aber, meine Herren Gaͤſte wuͤrden als-
denn zu mir ſagen: Narr, eben darum,
weil es uͤbel ſchmeckt und anſtinkt, mußt du
es nicht aufſetzen, und uns den guten Ge-
ſchmack
verderben!

Zehendes Couvert.
Gebratener Reh-Ruͤcken.

Armſelige Koͤche, die ſich nicht ganze Stuͤcke
von Wildpret zulegen koͤnnen, tragen doch
zuweilen ein paar Portionen gut Wildpret
auf, die ſie entweder von denen Silber-Waͤ-
ſchern
bey großer Herren Tafeln, weil es
Auf hub oder Ueberbleibſel geweſen, erkaufet,
oder zu einem andern anſehnlichen Traiteur
erſt ſelber geſchickt, und etliche Portionen ho-
len laſſen, damit ſie an ihre Speiſe-Tafeln
ſetzen koͤnnen: Reh-Ruͤckeu, Faſanen, Schwein-
Widpret ꝛc.
Gerade eben ſo hat es der neu-
aufgekommene Koch
in dem Tempel des gu-
ten Geſchmacks
gemacht. Er hat etliche ſehr
ſchoͤne Gedanken
ſowol in ſeinem zerhackten
Gedichte,
als eingeflickten Proſa. Aber er
hat portionenweiſe bey andern geholet, und
ich will ihm keine Roͤthe abjagen, diejenigen

zu
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[274/0282] X. Gebratener Reh-Ruͤcken. und andern, welche anzufuͤhren er gar wohl haͤtte uͤberhoben ſeyn koͤnnen. Es laͤßt eben ſo, als wenn ich den Gaͤſten wollte ſtinkend Fleiſch aufſetzen, und ſagen: Dis ſchmeckt uͤbel; alſo werden die Herren aus dem Ge- genſatze abnehmen, was gut ſchmecke. Jch halte aber, meine Herren Gaͤſte wuͤrden als- denn zu mir ſagen: Narr, eben darum, weil es uͤbel ſchmeckt und anſtinkt, mußt du es nicht aufſetzen, und uns den guten Ge- ſchmack verderben! Zehendes Couvert. Gebratener Reh-Ruͤcken. Armſelige Koͤche, die ſich nicht ganze Stuͤcke von Wildpret zulegen koͤnnen, tragen doch zuweilen ein paar Portionen gut Wildpret auf, die ſie entweder von denen Silber-Waͤ- ſchern bey großer Herren Tafeln, weil es Auf hub oder Ueberbleibſel geweſen, erkaufet, oder zu einem andern anſehnlichen Traiteur erſt ſelber geſchickt, und etliche Portionen ho- len laſſen, damit ſie an ihre Speiſe-Tafeln ſetzen koͤnnen: Reh-Ruͤckeu, Faſanen, Schwein- Widpret ꝛc. Gerade eben ſo hat es der neu- aufgekommene Koch in dem Tempel des gu- ten Geſchmacks gemacht. Er hat etliche ſehr ſchoͤne Gedanken ſowol in ſeinem zerhackten Gedichte, als eingeflickten Proſa. Aber er hat portionenweiſe bey andern geholet, und ich will ihm keine Roͤthe abjagen, diejenigen zu

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Zitationshilfe: Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/282>, abgerufen am 24.11.2024.