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Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.

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24 unschmackhafte Reden
16. Von dem ein Witzling jetzt mit Fleisse
sich entfernet.
pag. 6: Was fantasiret der
Tempel-Bauer? Was ist denn Witzling vor
ein Ding? Jst es etwa ein Witzher? wie
jene Jungfer gerne wissen wolte, was ein
Witzher sey, weil ihr Schulmeister ihr gesagt:
Penis heisse ein Witzher. Jst es auch in rei-
ner Poesie
vergönnt, die Construction zu ver-
werfen, und, anstatt zu sagen: Von dem
sich ein Klügling mit Fleiß entfernet,
auch
noch dazu mit Einflickung eines Füllwört-
gens jetzt, also die Worte zu versetzen: Von
dem ein Witzling jetzt mit Fleisse sich entfer-
net.
Gewiß, wenn Opitz sich keinen ge-
scheidtern Lehrpurschen, dem er seine Ge-
schmacks-Tempel-Risse
vorlegen können, aus-
zusuchen gewußt, als den Verfasser, dem ers
im Traume soll beygebracht haben, wird Opitz
wenig Credit
mehr behalten. Aber zu gutem
Glück
hats ihm nur so geträumet; Opitz hin-
gegen schläft so sanfte und [b]este, daß es ein
Pseudo-Opitz muß gewesen seyn, der dem
Tempel-Baumeister erschienen.
17. Jch sahe, die ein atque durch ein et,
modo Minellii,
zum Trost der Christenheit
recht freudenreich erklärten.
Was sind das
nicht vor abgeschmackte Scherz-Reden? Und
wie jämmerlich muß sich der vorhergegangene
Reim: Schweiß und Müh, durch den dar-
auf folgenden: modo Minellii, verhunzen, stu-
priren,
und, nach den Regeln der Reim-
schmie-
24 unſchmackhafte Reden
16. Von dem ein Witzling jetzt mit Fleiſſe
ſich entfernet.
pag. 6: Was fantaſiret der
Tempel-Bauer? Was iſt denn Witzling vor
ein Ding? Jſt es etwa ein Witzher? wie
jene Jungfer gerne wiſſen wolte, was ein
Witzher ſey, weil ihr Schulmeiſter ihr geſagt:
Penis heiſſe ein Witzher. Jſt es auch in rei-
ner Poeſie
vergoͤnnt, die Conſtruction zu ver-
werfen, und, anſtatt zu ſagen: Von dem
ſich ein Kluͤgling mit Fleiß entfernet,
auch
noch dazu mit Einflickung eines Fuͤllwoͤrt-
gens jetzt, alſo die Worte zu verſetzen: Von
dem ein Witzling jetzt mit Fleiſſe ſich entfer-
net.
Gewiß, wenn Opitz ſich keinen ge-
ſcheidtern Lehrpurſchen, dem er ſeine Ge-
ſchmacks-Tempel-Riſſe
vorlegen koͤnnen, aus-
zuſuchen gewußt, als den Verfaſſer, dem ers
im Traume ſoll beygebracht haben, wird Opitz
wenig Credit
mehr behalten. Aber zu gutem
Gluͤck
hats ihm nur ſo getraͤumet; Opitz hin-
gegen ſchlaͤft ſo ſanfte und [b]eſte, daß es ein
Pſeudo-Opitz muß geweſen ſeyn, der dem
Tempel-Baumeiſter erſchienen.
17. Jch ſahe, die ein atque durch ein et,
modo Minellii,
zum Troſt der Chriſtenheit
recht freudenreich erklaͤrten.
Was ſind das
nicht vor abgeſchmackte Scherz-Reden? Und
wie jaͤmmerlich muß ſich der vorhergegangene
Reim: Schweiß und Muͤh, durch den dar-
auf folgenden: modo Minellii, verhunzen, ſtu-
priren,
und, nach den Regeln der Reim-
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[284/0292] 24 unſchmackhafte Reden 16. Von dem ein Witzling jetzt mit Fleiſſe ſich entfernet. pag. 6: Was fantaſiret der Tempel-Bauer? Was iſt denn Witzling vor ein Ding? Jſt es etwa ein Witzher? wie jene Jungfer gerne wiſſen wolte, was ein Witzher ſey, weil ihr Schulmeiſter ihr geſagt: Penis heiſſe ein Witzher. Jſt es auch in rei- ner Poeſie vergoͤnnt, die Conſtruction zu ver- werfen, und, anſtatt zu ſagen: Von dem ſich ein Kluͤgling mit Fleiß entfernet, auch noch dazu mit Einflickung eines Fuͤllwoͤrt- gens jetzt, alſo die Worte zu verſetzen: Von dem ein Witzling jetzt mit Fleiſſe ſich entfer- net. Gewiß, wenn Opitz ſich keinen ge- ſcheidtern Lehrpurſchen, dem er ſeine Ge- ſchmacks-Tempel-Riſſe vorlegen koͤnnen, aus- zuſuchen gewußt, als den Verfaſſer, dem ers im Traume ſoll beygebracht haben, wird Opitz wenig Credit mehr behalten. Aber zu gutem Gluͤck hats ihm nur ſo getraͤumet; Opitz hin- gegen ſchlaͤft ſo ſanfte und beſte, daß es ein Pſeudo-Opitz muß geweſen ſeyn, der dem Tempel-Baumeiſter erſchienen. 17. Jch ſahe, die ein atque durch ein et, modo Minellii, zum Troſt der Chriſtenheit recht freudenreich erklaͤrten. Was ſind das nicht vor abgeſchmackte Scherz-Reden? Und wie jaͤmmerlich muß ſich der vorhergegangene Reim: Schweiß und Muͤh, durch den dar- auf folgenden: modo Minellii, verhunzen, ſtu- priren, und, nach den Regeln der Reim- ſchmie-

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Zitationshilfe: Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/292>, abgerufen am 24.11.2024.