Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.XVIII. Ein Kalbes-Kopf. heim führt. Es muß dis dem Autor nur sogeträumt haben; sonst würde er einen Unter- scheid zwischen dem heimlichen davon schlei- chen und gewaltthätigen Entführen machen. Gnade ihm der Himmel, daß er nicht so eine Fatalität erlebe; er würde gewiß ohne Schiff- bruch seines Verstandes nicht acht Tage dort aushalten; da Philippi die waldheimischen Narren-Comödien ganzer zwey Jahre gelas- sen mit angesehen, und die seinetwegen gehal- tene Acta gnüglich darlegen, daß auch große Leute sich im Decretiren übereilen, und ei- nen, der manchem was hätte von seinem Ver- stande abzugeben vermogt, auf böser Leute Verleumdung und unterlassene Erkundigung der Sache, für höchstmelancholisch halten können, weil in dem Rescript gestanden: den D. P. genau zu verwahren, daß er sich oder andern am Leben keinen Schaden thäte; welches aber die waldheimischen Offician- ten alsofort für so überflüßig gehalten, daß sie ihn gar nicht genau verwahrt, sondern zu einem Magister und Obrist-Lieutenant flugs auf die Stube gethan, auch der Medi- cus attestirt hat, daß dem D. P. die ganze Zeit seines Daseyns nichts am Verstande gefehlet, ausser, daß er einsmals eine große Ohnmacht gehabt. Bey welchem Zufall seine damalige Cameraden in der Angst ihm ein ganz Glas opische Tropfen eingefüllet, davon er etliche Tage
XVIII. Ein Kalbes-Kopf. heim fuͤhrt. Es muß dis dem Autor nur ſogetraͤumt haben; ſonſt wuͤrde er einen Unter- ſcheid zwiſchen dem heimlichen davon ſchlei- chen und gewaltthaͤtigen Entfuͤhren machen. Gnade ihm der Himmel, daß er nicht ſo eine Fatalitaͤt erlebe; er wuͤrde gewiß ohne Schiff- bruch ſeines Verſtandes nicht acht Tage dort aushalten; da Philippi die waldheimiſchen Narren-Comoͤdien ganzer zwey Jahre gelaſ- ſen mit angeſehen, und die ſeinetwegen gehal- tene Acta gnuͤglich darlegen, daß auch große Leute ſich im Decretiren uͤbereilen, und ei- nen, der manchem was haͤtte von ſeinem Ver- ſtande abzugeben vermogt, auf boͤſer Leute Verleumdung und unterlaſſene Erkundigung der Sache, fuͤr hoͤchſtmelancholiſch halten koͤnnen, weil in dem Reſcript geſtanden: den D. P. genau zu verwahren, daß er ſich oder andern am Leben keinen Schaden thaͤte; welches aber die waldheimiſchen Offician- ten alſofort fuͤr ſo uͤberfluͤßig gehalten, daß ſie ihn gar nicht genau verwahrt, ſondern zu einem Magiſter und Obriſt-Lieutenant flugs auf die Stube gethan, auch der Medi- cus atteſtirt hat, daß dem D. P. die ganze Zeit ſeines Daſeyns nichts am Verſtande gefehlet, auſſer, daß er einsmals eine große Ohnmacht gehabt. Bey welchem Zufall ſeine damalige Cameraden in der Angſt ihm ein ganz Glas opiſche Tropfen eingefuͤllet, davon er etliche Tage
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0304" n="296"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">XVIII.</hi> Ein Kalbes-Kopf.</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">heim</hi> fuͤhrt. Es muß dis dem Autor nur ſo<lb/><hi rendition="#fr">getraͤumt</hi> haben; ſonſt wuͤrde er einen <hi rendition="#fr">Unter-<lb/> ſcheid</hi> zwiſchen dem <hi rendition="#fr">heimlichen davon ſchlei-<lb/> chen</hi> und <hi rendition="#fr">gewaltthaͤtigen Entfuͤhren</hi> machen.<lb/> Gnade ihm der Himmel, daß er nicht ſo eine<lb/> Fatalitaͤt erlebe; er wuͤrde gewiß ohne <hi rendition="#fr">Schiff-<lb/> bruch ſeines Verſtandes</hi> nicht acht Tage dort<lb/> aushalten; da <hi rendition="#fr">Philippi</hi> die waldheimiſchen<lb/><hi rendition="#fr">Narren-Comoͤdien</hi> ganzer <hi rendition="#fr">zwey Jahre</hi> gelaſ-<lb/> ſen mit angeſehen, und die ſeinetwegen gehal-<lb/> tene <hi rendition="#aq">Acta</hi> gnuͤglich darlegen, daß auch <hi rendition="#fr">große<lb/> Leute</hi> ſich im Decretiren <hi rendition="#fr">uͤbereilen,</hi> und ei-<lb/> nen, der manchem was haͤtte von ſeinem Ver-<lb/> ſtande abzugeben vermogt, auf <hi rendition="#fr">boͤſer Leute<lb/> Verleumdung</hi> und <hi rendition="#fr">unterlaſſene Erkundigung<lb/> der Sache,</hi> fuͤr <hi rendition="#fr">hoͤchſtmelancholiſch</hi> halten<lb/> koͤnnen, weil in dem Reſcript geſtanden: den<lb/><hi rendition="#aq">D. P.</hi> genau zu <hi rendition="#fr">verwahren,</hi> daß er <hi rendition="#fr">ſich</hi> oder<lb/><hi rendition="#fr">andern am Leben keinen Schaden</hi> thaͤte;<lb/> welches aber die waldheimiſchen <hi rendition="#fr">Offician-<lb/> ten</hi> alſofort fuͤr ſo <hi rendition="#fr">uͤberfluͤßig</hi> gehalten, daß<lb/> ſie ihn gar nicht genau verwahrt, ſondern<lb/> zu einem <hi rendition="#fr">Magiſter</hi> und <hi rendition="#fr">Obriſt-Lieutenant</hi><lb/> flugs auf die Stube gethan, auch der <hi rendition="#aq">Medi-<lb/> cus</hi> atteſtirt hat, daß dem <hi rendition="#aq">D. P.</hi> die <hi rendition="#fr">ganze Zeit<lb/> ſeines Daſeyns</hi> nichts am Verſtande gefehlet,<lb/> auſſer, daß er einsmals eine <hi rendition="#fr">große Ohnmacht</hi><lb/> gehabt. Bey welchem Zufall ſeine damalige<lb/> Cameraden in der Angſt ihm ein <hi rendition="#fr">ganz Glas<lb/> opiſche Tropfen</hi> eingefuͤllet, davon er etliche<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Tage</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [296/0304]
XVIII. Ein Kalbes-Kopf.
heim fuͤhrt. Es muß dis dem Autor nur ſo
getraͤumt haben; ſonſt wuͤrde er einen Unter-
ſcheid zwiſchen dem heimlichen davon ſchlei-
chen und gewaltthaͤtigen Entfuͤhren machen.
Gnade ihm der Himmel, daß er nicht ſo eine
Fatalitaͤt erlebe; er wuͤrde gewiß ohne Schiff-
bruch ſeines Verſtandes nicht acht Tage dort
aushalten; da Philippi die waldheimiſchen
Narren-Comoͤdien ganzer zwey Jahre gelaſ-
ſen mit angeſehen, und die ſeinetwegen gehal-
tene Acta gnuͤglich darlegen, daß auch große
Leute ſich im Decretiren uͤbereilen, und ei-
nen, der manchem was haͤtte von ſeinem Ver-
ſtande abzugeben vermogt, auf boͤſer Leute
Verleumdung und unterlaſſene Erkundigung
der Sache, fuͤr hoͤchſtmelancholiſch halten
koͤnnen, weil in dem Reſcript geſtanden: den
D. P. genau zu verwahren, daß er ſich oder
andern am Leben keinen Schaden thaͤte;
welches aber die waldheimiſchen Offician-
ten alſofort fuͤr ſo uͤberfluͤßig gehalten, daß
ſie ihn gar nicht genau verwahrt, ſondern
zu einem Magiſter und Obriſt-Lieutenant
flugs auf die Stube gethan, auch der Medi-
cus atteſtirt hat, daß dem D. P. die ganze Zeit
ſeines Daſeyns nichts am Verſtande gefehlet,
auſſer, daß er einsmals eine große Ohnmacht
gehabt. Bey welchem Zufall ſeine damalige
Cameraden in der Angſt ihm ein ganz Glas
opiſche Tropfen eingefuͤllet, davon er etliche
Tage
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |