Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.mit den Reim-Schmieden. brauchen nicht nur ihren poetischen Schmelz-Tiegel, um anderer Poeten Schlacken zu un- tersuchen, sondern besitzen auch die Kunst, das gediegenste poetische Gold mit Zusatz zu verfäl- schen, und es für marklöthigt Gold auszugeben. Auch wissen sie so viele glückliche Einfälle ande- rer Poeten ins Gretz zu werfen, daß solche als unnütz angesehen werden. Aber unsere poeti- schen Markscheider gehen dies Gretz genau durch, werfen es nochmals in den Schmelz-Tie- gel, daß durch diese Veränderung sie die Gestalt des reinsten Silbers gewinnen, dafür es auch auf den Messen in denen Buchläden öffentlich verkauft wird, und merkt niemand, daß eben die guten Einfälle, die sie bey andern niedergeschla- gen, ihnen erst auf die Sprünge geholfen haben. § 23. Ein Nagel- oder Hufen-Schmied als
mit den Reim-Schmieden. brauchen nicht nur ihren poetiſchen Schmelz-Tiegel, um anderer Poeten Schlacken zu un- terſuchen, ſondern beſitzen auch die Kunſt, das gediegenſte poetiſche Gold mit Zuſatz zu verfaͤl- ſchen, und es fuͤr markloͤthigt Gold auszugeben. Auch wiſſen ſie ſo viele gluͤckliche Einfaͤlle ande- rer Poeten ins Gretz zu werfen, daß ſolche als unnuͤtz angeſehen werden. Aber unſere poeti- ſchen Markſcheider gehen dies Gretz genau durch, werfen es nochmals in den Schmelz-Tie- gel, daß durch dieſe Veraͤnderung ſie die Geſtalt des reinſten Silbers gewinnen, dafuͤr es auch auf den Meſſen in denen Buchlaͤden oͤffentlich verkauft wird, und merkt niemand, daß eben die guten Einfaͤlle, die ſie bey andern niedergeſchla- gen, ihnen erſt auf die Spruͤnge geholfen haben. § 23. Ein Nagel- oder Hufen-Schmied als
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mit den Reim-Schmieden.
brauchen nicht nur ihren poetiſchen Schmelz-
Tiegel, um anderer Poeten Schlacken zu un-
terſuchen, ſondern beſitzen auch die Kunſt, das
gediegenſte poetiſche Gold mit Zuſatz zu verfaͤl-
ſchen, und es fuͤr markloͤthigt Gold auszugeben.
Auch wiſſen ſie ſo viele gluͤckliche Einfaͤlle ande-
rer Poeten ins Gretz zu werfen, daß ſolche als
unnuͤtz angeſehen werden. Aber unſere poeti-
ſchen Markſcheider gehen dies Gretz genau
durch, werfen es nochmals in den Schmelz-Tie-
gel, daß durch dieſe Veraͤnderung ſie die Geſtalt
des reinſten Silbers gewinnen, dafuͤr es auch
auf den Meſſen in denen Buchlaͤden oͤffentlich
verkauft wird, und merkt niemand, daß eben die
guten Einfaͤlle, die ſie bey andern niedergeſchla-
gen, ihnen erſt auf die Spruͤnge geholfen haben.
§ 23. Ein Nagel- oder Hufen-Schmied
iſt bey der Reimſchmiederey eine unentbehrliche
Zunft. Denn unſere poetiſchen Huf-Schmie-
de ſchlagen nicht nur manchem ein Huf-Eiſen
auf den Fuß, daß er Verſen-Geld geben und zum
Thore wandern muß; ſondern wiſſen auch ſogar
anderer Leute Naſen ein Huf-Eiſen kuͤnſtlich
aufzuſetzen. So ſaget man, wenn einer ſich
hat ein Maͤhrgen weißmachen laſſen: Dem iſt
ein rechter Huf aufgeſetzet. Die poetiſchen Na-
gel-Schmiede koͤnnen ihren Gegnern ſolche Naͤ-
gel in die Lenden anbringen, daß ſie daruͤber
ohnmaͤchtig werden moͤgten. Ja manchem
ſchlagen ſie einen Nagel vor den Kopf, daß man
auch im Spruͤchwort ſaget: Der ſiehet aus,
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