Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite

bey der Froschmäusler-Gesellschaft.
ren Namen ihm wie Böhmische Dörfer vor-
kommen. Zuweilen geht er auch mitten im
Gedichte von seinem Patron ab, und thut eine
Streiferey nach Osten und Westen; da denn
der Patron so lange passen muß, bis es dem
Poeten, nach einem langen Umschweife, gefällt,
seinen Patron zu Ende des Gedichtes wieder
anzusprechen, auch sich wol gar auszubitten, daß
er ihn, als ein geringes Würmlein, nicht zertre-
ten solle.

24. Maxime.

Jn Condolenz-Gedichten weiß ein kriechen-
der
Poete die Affecten der Traurigkeit also zu
unterdrücken und bey seinem Patron niederzu-
schlagen, daß er sich in die Zunge beissen muß,
um nicht überlaut zu lachen. Die Schlendri-
ans-Poeten
gehen von ihrer alten Leyer so we-
nig ab, als die, Jahr aus Jahr ein, hinter ein-
ander Lehre, Ermahnung, Strafe und Trost
in unverrückter Ordnung der Gemeine vorpre-
digen. Der verstorbene Anverwandte des Pa-
trons wird himmelhoch erhoben, wenn er gleich
kaum ein Füllsteingen in der Republic gewesen.
Neugebackene Edelleute werden als Helden be-
schrieben, in denen das hochadliche Blut ihrer
Urahnen
walle. Alte abgelebte Matronen wer-
den mit der Venus; abgefeimte Coquetten mit
der Lucretia; schwarzbraune Gesichter mit der
Morgenröthe; rothharigte Köpfe der Frauen-
zimmer mit der Abendröthe sehr artlich vergli-
chen, etc.

25. Ma-

bey der Froſchmaͤusler-Geſellſchaft.
ren Namen ihm wie Boͤhmiſche Doͤrfer vor-
kommen. Zuweilen geht er auch mitten im
Gedichte von ſeinem Patron ab, und thut eine
Streiferey nach Oſten und Weſten; da denn
der Patron ſo lange paſſen muß, bis es dem
Poeten, nach einem langen Umſchweife, gefaͤllt,
ſeinen Patron zu Ende des Gedichtes wieder
anzuſprechen, auch ſich wol gar auszubitten, daß
er ihn, als ein geringes Wuͤrmlein, nicht zertre-
ten ſolle.

24. Maxime.

Jn Condolenz-Gedichten weiß ein kriechen-
der
Poete die Affecten der Traurigkeit alſo zu
unterdruͤcken und bey ſeinem Patron niederzu-
ſchlagen, daß er ſich in die Zunge beiſſen muß,
um nicht uͤberlaut zu lachen. Die Schlendri-
ans-Poeten
gehen von ihrer alten Leyer ſo we-
nig ab, als die, Jahr aus Jahr ein, hinter ein-
ander Lehre, Ermahnung, Strafe und Troſt
in unverruͤckter Ordnung der Gemeine vorpre-
digen. Der verſtorbene Anverwandte des Pa-
trons wird himmelhoch erhoben, wenn er gleich
kaum ein Fuͤllſteingen in der Republic geweſen.
Neugebackene Edelleute werden als Helden be-
ſchrieben, in denen das hochadliche Blut ihrer
Urahnen
walle. Alte abgelebte Matronen wer-
den mit der Venus; abgefeimte Coquetten mit
der Lucretia; ſchwarzbraune Geſichter mit der
Morgenroͤthe; rothharigte Koͤpfe der Frauen-
zimmer mit der Abendroͤthe ſehr artlich vergli-
chen, ꝛc.

25. Ma-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0083" n="75"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">bey der Fro&#x017F;chma&#x0364;usler-Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft.</hi></fw><lb/>
ren Namen ihm wie Bo&#x0364;hmi&#x017F;che Do&#x0364;rfer vor-<lb/>
kommen. Zuweilen geht er auch mitten im<lb/>
Gedichte von &#x017F;einem Patron ab, und thut eine<lb/><hi rendition="#fr">Streiferey</hi> nach O&#x017F;ten und We&#x017F;ten; da denn<lb/>
der Patron &#x017F;o lange <hi rendition="#fr">pa&#x017F;&#x017F;en</hi> muß, bis es dem<lb/>
Poeten, nach einem langen Um&#x017F;chweife, gefa&#x0364;llt,<lb/>
&#x017F;einen Patron zu Ende des Gedichtes wieder<lb/>
anzu&#x017F;prechen, auch &#x017F;ich wol gar auszubitten, daß<lb/>
er ihn, als ein geringes Wu&#x0364;rmlein, nicht zertre-<lb/>
ten &#x017F;olle.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">24. Maxime.</hi> </head><lb/>
          <p>Jn <hi rendition="#fr">Condolenz-Gedichten</hi> weiß ein <hi rendition="#fr">kriechen-<lb/>
der</hi> Poete die Affecten der Traurigkeit al&#x017F;o zu<lb/>
unterdru&#x0364;cken und bey &#x017F;einem Patron niederzu-<lb/>
&#x017F;chlagen, daß er &#x017F;ich in die Zunge bei&#x017F;&#x017F;en muß,<lb/>
um nicht u&#x0364;berlaut zu lachen. Die <hi rendition="#fr">Schlendri-<lb/>
ans-Poeten</hi> gehen von ihrer alten Leyer &#x017F;o we-<lb/>
nig ab, als die, Jahr aus Jahr ein, hinter ein-<lb/>
ander <hi rendition="#fr">Lehre, Ermahnung, Strafe und Tro&#x017F;t</hi><lb/>
in unverru&#x0364;ckter Ordnung der Gemeine vorpre-<lb/>
digen. Der ver&#x017F;torbene Anverwandte des Pa-<lb/>
trons wird himmelhoch erhoben, wenn er gleich<lb/>
kaum ein <hi rendition="#fr">Fu&#x0364;ll&#x017F;teingen</hi> in der Republic gewe&#x017F;en.<lb/>
Neugebackene Edelleute werden als Helden be-<lb/>
&#x017F;chrieben, in denen das <hi rendition="#fr">hochadliche Blut ihrer<lb/>
Urahnen</hi> walle. Alte abgelebte Matronen wer-<lb/>
den mit der <hi rendition="#fr">Venus;</hi> abgefeimte Coquetten mit<lb/>
der <hi rendition="#fr">Lucretia;</hi> &#x017F;chwarzbraune Ge&#x017F;ichter mit der<lb/><hi rendition="#fr">Morgenro&#x0364;the;</hi> rothharigte Ko&#x0364;pfe der Frauen-<lb/>
zimmer mit der <hi rendition="#fr">Abendro&#x0364;the</hi> &#x017F;ehr artlich vergli-<lb/>
chen, &#xA75B;c.</p>
        </div><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">25. Ma-</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[75/0083] bey der Froſchmaͤusler-Geſellſchaft. ren Namen ihm wie Boͤhmiſche Doͤrfer vor- kommen. Zuweilen geht er auch mitten im Gedichte von ſeinem Patron ab, und thut eine Streiferey nach Oſten und Weſten; da denn der Patron ſo lange paſſen muß, bis es dem Poeten, nach einem langen Umſchweife, gefaͤllt, ſeinen Patron zu Ende des Gedichtes wieder anzuſprechen, auch ſich wol gar auszubitten, daß er ihn, als ein geringes Wuͤrmlein, nicht zertre- ten ſolle. 24. Maxime. Jn Condolenz-Gedichten weiß ein kriechen- der Poete die Affecten der Traurigkeit alſo zu unterdruͤcken und bey ſeinem Patron niederzu- ſchlagen, daß er ſich in die Zunge beiſſen muß, um nicht uͤberlaut zu lachen. Die Schlendri- ans-Poeten gehen von ihrer alten Leyer ſo we- nig ab, als die, Jahr aus Jahr ein, hinter ein- ander Lehre, Ermahnung, Strafe und Troſt in unverruͤckter Ordnung der Gemeine vorpre- digen. Der verſtorbene Anverwandte des Pa- trons wird himmelhoch erhoben, wenn er gleich kaum ein Fuͤllſteingen in der Republic geweſen. Neugebackene Edelleute werden als Helden be- ſchrieben, in denen das hochadliche Blut ihrer Urahnen walle. Alte abgelebte Matronen wer- den mit der Venus; abgefeimte Coquetten mit der Lucretia; ſchwarzbraune Geſichter mit der Morgenroͤthe; rothharigte Koͤpfe der Frauen- zimmer mit der Abendroͤthe ſehr artlich vergli- chen, ꝛc. 25. Ma-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/83
Zitationshilfe: Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/83>, abgerufen am 23.11.2024.