Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite
bey der Froschmäusler-Gesellschaft.
39. Maxime.

Eine poetische Schnecke lässet sich gern seine
Gedichte voraus bezahlen, nimmt sich aber ge-
nug Zeit, solche auszuhecken. Setzet ihr von
ihm ab: So nimmt er sein poetisch Geräthe auf
den Rücken, und kriecht zu eurem Feinde hin-
über. Daher mancher Poete derjenigen Co-
mödianten-Bande,
welcher er noch etliche Jah-
re zuvor Schau-Spiele für schweres Geld ver-
fertiget, nach der Zeit heftig feind wird, und,
gleich der Schnecke, die Spuren seines verschüt-
teten Schaums, ich meyne versprützter Dinte
und Galle,
zurück lässet.

40. Maxime.

Ein poetisches Heuschreckgen hüpfet bald da
bald dorthin; und wenn es gleich keine Zähne
hat, scharf zu beissen: So gibt es doch gewands-
weise,
und an solchen Orten, wo mans gar
nicht vermuthen
sollte, seine Fußtapfen zu er-
kennen. Es schonet auch weder Freund noch
Feind, sondern hüpft auf des Nachbars Feld,
wie die Heuschrecke.

41. Maxime.

Ein poetischer Maulwurf weiß sich in seinen
eigenen Gedanken so tief zu vergraben und zu
verschanzen, daß ihr ihm schwerlich dahinter kom-
men könnet.

42. Maxime.

Hütet euch, daß ihr nicht in die Hände eines
poetischen Grob-Schmiedes verfallet; er wür-

de
F 2
bey der Froſchmaͤusler-Geſellſchaft.
39. Maxime.

Eine poetiſche Schnecke laͤſſet ſich gern ſeine
Gedichte voraus bezahlen, nimmt ſich aber ge-
nug Zeit, ſolche auszuhecken. Setzet ihr von
ihm ab: So nimmt er ſein poetiſch Geraͤthe auf
den Ruͤcken, und kriecht zu eurem Feinde hin-
uͤber. Daher mancher Poete derjenigen Co-
moͤdianten-Bande,
welcher er noch etliche Jah-
re zuvor Schau-Spiele fuͤr ſchweres Geld ver-
fertiget, nach der Zeit heftig feind wird, und,
gleich der Schnecke, die Spuren ſeines verſchuͤt-
teten Schaums, ich meyne verſpruͤtzter Dinte
und Galle,
zuruͤck laͤſſet.

40. Maxime.

Ein poetiſches Heuſchreckgen huͤpfet bald da
bald dorthin; und wenn es gleich keine Zaͤhne
hat, ſcharf zu beiſſen: So gibt es doch gewands-
weiſe,
und an ſolchen Orten, wo mans gar
nicht vermuthen
ſollte, ſeine Fußtapfen zu er-
kennen. Es ſchonet auch weder Freund noch
Feind, ſondern huͤpft auf des Nachbars Feld,
wie die Heuſchrecke.

41. Maxime.

Ein poetiſcher Maulwurf weiß ſich in ſeinen
eigenen Gedanken ſo tief zu vergraben und zu
verſchanzen, daß ihr ihm ſchwerlich dahinter kom-
men koͤnnet.

42. Maxime.

Huͤtet euch, daß ihr nicht in die Haͤnde eines
poetiſchen Grob-Schmiedes verfallet; er wuͤr-

de
F 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0091" n="83"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">bey der Fro&#x017F;chma&#x0364;usler-Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft.</hi> </fw><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">39. Maxime.</hi> </head><lb/>
          <p>Eine <hi rendition="#fr">poeti&#x017F;che Schnecke</hi> la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et &#x017F;ich gern &#x017F;eine<lb/>
Gedichte voraus bezahlen, nimmt &#x017F;ich aber ge-<lb/>
nug Zeit, &#x017F;olche auszuhecken. Setzet ihr von<lb/>
ihm ab: So nimmt er &#x017F;ein poeti&#x017F;ch Gera&#x0364;the auf<lb/>
den Ru&#x0364;cken, und kriecht zu eurem Feinde hin-<lb/>
u&#x0364;ber. Daher mancher Poete derjenigen <hi rendition="#fr">Co-<lb/>
mo&#x0364;dianten-Bande,</hi> welcher er noch etliche Jah-<lb/>
re zuvor <hi rendition="#fr">Schau-Spiele fu&#x0364;r &#x017F;chweres Geld</hi> ver-<lb/>
fertiget, nach der Zeit heftig feind wird, und,<lb/>
gleich der Schnecke, die Spuren &#x017F;eines ver&#x017F;chu&#x0364;t-<lb/>
teten Schaums, ich meyne <hi rendition="#fr">ver&#x017F;pru&#x0364;tzter Dinte<lb/>
und Galle,</hi> zuru&#x0364;ck la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">40. Maxime.</hi> </head><lb/>
          <p>Ein <hi rendition="#fr">poeti&#x017F;ches Heu&#x017F;chreckgen</hi> hu&#x0364;pfet bald da<lb/>
bald dorthin; und wenn es gleich keine Za&#x0364;hne<lb/>
hat, &#x017F;charf zu bei&#x017F;&#x017F;en: So gibt es doch <hi rendition="#fr">gewands-<lb/>
wei&#x017F;e,</hi> und an <hi rendition="#fr">&#x017F;olchen Orten,</hi> wo mans <hi rendition="#fr">gar<lb/>
nicht vermuthen</hi> &#x017F;ollte, &#x017F;eine Fußtapfen zu er-<lb/>
kennen. Es &#x017F;chonet auch weder Freund noch<lb/>
Feind, &#x017F;ondern hu&#x0364;pft auf des Nachbars Feld,<lb/>
wie die Heu&#x017F;chrecke.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">41. Maxime.</hi> </head><lb/>
          <p>Ein <hi rendition="#fr">poeti&#x017F;cher Maulwurf</hi> weiß &#x017F;ich in &#x017F;einen<lb/>
eigenen Gedanken &#x017F;o tief zu vergraben und zu<lb/>
ver&#x017F;chanzen, daß ihr ihm &#x017F;chwerlich dahinter kom-<lb/>
men ko&#x0364;nnet.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">42. Maxime.</hi> </head><lb/>
          <p>Hu&#x0364;tet euch, daß ihr nicht in die Ha&#x0364;nde eines<lb/><hi rendition="#fr">poeti&#x017F;chen Grob-Schmiedes</hi> verfallet; er wu&#x0364;r-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">F 2</fw><fw place="bottom" type="catch">de</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[83/0091] bey der Froſchmaͤusler-Geſellſchaft. 39. Maxime. Eine poetiſche Schnecke laͤſſet ſich gern ſeine Gedichte voraus bezahlen, nimmt ſich aber ge- nug Zeit, ſolche auszuhecken. Setzet ihr von ihm ab: So nimmt er ſein poetiſch Geraͤthe auf den Ruͤcken, und kriecht zu eurem Feinde hin- uͤber. Daher mancher Poete derjenigen Co- moͤdianten-Bande, welcher er noch etliche Jah- re zuvor Schau-Spiele fuͤr ſchweres Geld ver- fertiget, nach der Zeit heftig feind wird, und, gleich der Schnecke, die Spuren ſeines verſchuͤt- teten Schaums, ich meyne verſpruͤtzter Dinte und Galle, zuruͤck laͤſſet. 40. Maxime. Ein poetiſches Heuſchreckgen huͤpfet bald da bald dorthin; und wenn es gleich keine Zaͤhne hat, ſcharf zu beiſſen: So gibt es doch gewands- weiſe, und an ſolchen Orten, wo mans gar nicht vermuthen ſollte, ſeine Fußtapfen zu er- kennen. Es ſchonet auch weder Freund noch Feind, ſondern huͤpft auf des Nachbars Feld, wie die Heuſchrecke. 41. Maxime. Ein poetiſcher Maulwurf weiß ſich in ſeinen eigenen Gedanken ſo tief zu vergraben und zu verſchanzen, daß ihr ihm ſchwerlich dahinter kom- men koͤnnet. 42. Maxime. Huͤtet euch, daß ihr nicht in die Haͤnde eines poetiſchen Grob-Schmiedes verfallet; er wuͤr- de F 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/91
Zitationshilfe: Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/91>, abgerufen am 23.11.2024.