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Pichler, Adolf: Der Flüchtling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–318. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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neben der Kirche. Da war der Tanzsaal gesteckt voll, es rührte jedoch keiner von den Burschen, welche sich hier oft lustig getummelt, einen Fuß, sondern sie starrten in banger Erwartung auf den Tisch, hinter welchem ein leerer Stuhl stand. -- Der Gemeindevorsteher trat ein, sein betrübtes Gesicht verkündete nichts Gutes, hinter ihm trottete der Schullehrer mit einem Bündel Acten unter dem Arme. Jener hustete und begann dann seine Rede: Warum ihr da seid, wißt ihr; jetzt werd' ich die, welche da sein sollen, verlesen, und wenn sie da sind, schreit Jeder: hier! wie in der Schule. Er verlas das Verzeichniß -- Hier! -- hier! -- hier! Keiner fehlte.

Es ist zwar eine wüste Geschichte, fing er von Neuem an, nachdem er sich mit dem Rockärmel den Schweiß von der Stirne gewischt, aber weil es halt eine wüste Geschichte ist, so müssen wir, hat der Aschbacher beim Zoll gesagt, folgen, sonst wird es noch wüster. Richtet euch halt, die's trifft, auf den 30. Oktober, das ist der St. Wolfgangstag, her, und kommt hier zusammen, die Gemeinde läßt euch auf Leiterwagen bis Schwaz führen, und dort müßt ihr loosen. So will's der Napoleon, aber wart' nur! Im Frühjahr wollen wir dem Saggeraschwanz schon helfen. Jetzt geht und sagt Niemand etwas.

Diese Rede verfehlte ihren Eindruck nicht. Ja helfen wollen wir dem Saggeraschwanz! klang es im wilden Wirrwarr der Stimmen, als die Bursche zur Thür hinausschoben.

neben der Kirche. Da war der Tanzsaal gesteckt voll, es rührte jedoch keiner von den Burschen, welche sich hier oft lustig getummelt, einen Fuß, sondern sie starrten in banger Erwartung auf den Tisch, hinter welchem ein leerer Stuhl stand. — Der Gemeindevorsteher trat ein, sein betrübtes Gesicht verkündete nichts Gutes, hinter ihm trottete der Schullehrer mit einem Bündel Acten unter dem Arme. Jener hustete und begann dann seine Rede: Warum ihr da seid, wißt ihr; jetzt werd' ich die, welche da sein sollen, verlesen, und wenn sie da sind, schreit Jeder: hier! wie in der Schule. Er verlas das Verzeichniß — Hier! — hier! — hier! Keiner fehlte.

Es ist zwar eine wüste Geschichte, fing er von Neuem an, nachdem er sich mit dem Rockärmel den Schweiß von der Stirne gewischt, aber weil es halt eine wüste Geschichte ist, so müssen wir, hat der Aschbacher beim Zoll gesagt, folgen, sonst wird es noch wüster. Richtet euch halt, die's trifft, auf den 30. Oktober, das ist der St. Wolfgangstag, her, und kommt hier zusammen, die Gemeinde läßt euch auf Leiterwagen bis Schwaz führen, und dort müßt ihr loosen. So will's der Napoleon, aber wart' nur! Im Frühjahr wollen wir dem Saggeraschwanz schon helfen. Jetzt geht und sagt Niemand etwas.

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[0029] neben der Kirche. Da war der Tanzsaal gesteckt voll, es rührte jedoch keiner von den Burschen, welche sich hier oft lustig getummelt, einen Fuß, sondern sie starrten in banger Erwartung auf den Tisch, hinter welchem ein leerer Stuhl stand. — Der Gemeindevorsteher trat ein, sein betrübtes Gesicht verkündete nichts Gutes, hinter ihm trottete der Schullehrer mit einem Bündel Acten unter dem Arme. Jener hustete und begann dann seine Rede: Warum ihr da seid, wißt ihr; jetzt werd' ich die, welche da sein sollen, verlesen, und wenn sie da sind, schreit Jeder: hier! wie in der Schule. Er verlas das Verzeichniß — Hier! — hier! — hier! Keiner fehlte. Es ist zwar eine wüste Geschichte, fing er von Neuem an, nachdem er sich mit dem Rockärmel den Schweiß von der Stirne gewischt, aber weil es halt eine wüste Geschichte ist, so müssen wir, hat der Aschbacher beim Zoll gesagt, folgen, sonst wird es noch wüster. Richtet euch halt, die's trifft, auf den 30. Oktober, das ist der St. Wolfgangstag, her, und kommt hier zusammen, die Gemeinde läßt euch auf Leiterwagen bis Schwaz führen, und dort müßt ihr loosen. So will's der Napoleon, aber wart' nur! Im Frühjahr wollen wir dem Saggeraschwanz schon helfen. Jetzt geht und sagt Niemand etwas. Diese Rede verfehlte ihren Eindruck nicht. Ja helfen wollen wir dem Saggeraschwanz! klang es im wilden Wirrwarr der Stimmen, als die Bursche zur Thür hinausschoben.

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-23T13:06:45Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-23T13:06:45Z)

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Zitationshilfe: Pichler, Adolf: Der Flüchtling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–318. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pichler_fluechtling_1910/29>, abgerufen am 21.11.2024.