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Pichler, Adolf: Der Flüchtling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–318. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Schnappsack zu, ergriff den Stutzen und schlich über den Bach zum Knüppelweg, der nach Steinberg führt. Der Mond brach klar aus den Wolken, als er das Schafbachl erreichte, welches unter der Schlucht, wo er sich ansiedeln wollte, entsprang. Etwa tausend Schritte einwärts tief im Wald lag eine Hütte, wo das abgefallene Laub für den Winter gesammelt wurde, er kroch hinein, und bald ließ ihn der tiefe Schlaf Noth und Elend vergessen.

Der Alte kramte noch eine Weile im Hause umher, plötzlich wendete er sich zu Walburg: Sakera! eine Flasche Kirscheler hätt' ich ihm doch auch mitgeben sollen, -- ja, und den Tabak hab' ich gar vergessen, das ist das Beste, was so ein einsamer Mensch haben kann. Mahne mich morgen, daß wir's ihm bringen können.

Die kalte Morgenluft weckte Klaus aus dem Schlafe; er mußte sich eine Weile besinnen, wo er sei, dann wanderte er entschlossen bergauf. Nach einer Stunde hatte er den Platz erreicht, wo er wohnen sollte. Sorgfältig Alles erwägend, wählte er eine kleine Felsenwand, welche etwas überhängend die wüthenden Nordstürme abhielt und den Bau durch ihre Vertiefung erleichterte. Weil sich noch höhere Felsen

Schnappsack zu, ergriff den Stutzen und schlich über den Bach zum Knüppelweg, der nach Steinberg führt. Der Mond brach klar aus den Wolken, als er das Schafbachl erreichte, welches unter der Schlucht, wo er sich ansiedeln wollte, entsprang. Etwa tausend Schritte einwärts tief im Wald lag eine Hütte, wo das abgefallene Laub für den Winter gesammelt wurde, er kroch hinein, und bald ließ ihn der tiefe Schlaf Noth und Elend vergessen.

Der Alte kramte noch eine Weile im Hause umher, plötzlich wendete er sich zu Walburg: Sakera! eine Flasche Kirscheler hätt' ich ihm doch auch mitgeben sollen, — ja, und den Tabak hab' ich gar vergessen, das ist das Beste, was so ein einsamer Mensch haben kann. Mahne mich morgen, daß wir's ihm bringen können.

Die kalte Morgenluft weckte Klaus aus dem Schlafe; er mußte sich eine Weile besinnen, wo er sei, dann wanderte er entschlossen bergauf. Nach einer Stunde hatte er den Platz erreicht, wo er wohnen sollte. Sorgfältig Alles erwägend, wählte er eine kleine Felsenwand, welche etwas überhängend die wüthenden Nordstürme abhielt und den Bau durch ihre Vertiefung erleichterte. Weil sich noch höhere Felsen

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[0054] Schnappsack zu, ergriff den Stutzen und schlich über den Bach zum Knüppelweg, der nach Steinberg führt. Der Mond brach klar aus den Wolken, als er das Schafbachl erreichte, welches unter der Schlucht, wo er sich ansiedeln wollte, entsprang. Etwa tausend Schritte einwärts tief im Wald lag eine Hütte, wo das abgefallene Laub für den Winter gesammelt wurde, er kroch hinein, und bald ließ ihn der tiefe Schlaf Noth und Elend vergessen. Der Alte kramte noch eine Weile im Hause umher, plötzlich wendete er sich zu Walburg: Sakera! eine Flasche Kirscheler hätt' ich ihm doch auch mitgeben sollen, — ja, und den Tabak hab' ich gar vergessen, das ist das Beste, was so ein einsamer Mensch haben kann. Mahne mich morgen, daß wir's ihm bringen können. Die kalte Morgenluft weckte Klaus aus dem Schlafe; er mußte sich eine Weile besinnen, wo er sei, dann wanderte er entschlossen bergauf. Nach einer Stunde hatte er den Platz erreicht, wo er wohnen sollte. Sorgfältig Alles erwägend, wählte er eine kleine Felsenwand, welche etwas überhängend die wüthenden Nordstürme abhielt und den Bau durch ihre Vertiefung erleichterte. Weil sich noch höhere Felsen

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-23T13:06:45Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-23T13:06:45Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Pichler, Adolf: Der Flüchtling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–318. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pichler_fluechtling_1910/54>, abgerufen am 25.05.2024.